Rückblick – 11 –

Ein Phoenix wurde geboren

Wüstengeburt

Erst war der Kokon, dann ein goldenes Ei in der Wüste. Dann ein Phoenix.

Ein Schmetterling überlebt den Winter nicht, sagte letztens Gerda Kazakou in einem Kommentar an mich. Ein Phoenix müsste das schaffen.

(Ich höre ein Geräusch aus der Ferne… Kann ein Phoenix lachen?)

Der November war reich. Ich schrieb an der Geschichte der kleinen blauen Frau und schrieb mich dem Finale entgegen. Wandel und Verwandlung sind grosse Themen der kleinen blauen Frau. In der Welt sind sie es sowieso. Immer!

Hierzu passt jetzt das Horoskop für 2016 von Luisa Francia →

Der November hatte viele Gesichter und war noch lange ungewöhnlich golden und bunt.

Bei allen persönlichen Freuden und dem Phoenix und überhaupt, es gab auch den 13. November – der Tag der Anschläge von Paris – spontan wollte ich nur noch säckeweise Liebessamen säen.

Dass nun deutsche Soldaten in Syrien sind, dass dieses ganze Säbelrasseln weitergeht, das muss ich nicht sagen … dass ich dagegen bin, wohl auch nicht.

Ich werde nicht müde werden, mich für den Frieden in der Welt einzusetzen, wenn ich ihn vielleicht auch in meinem Leben nicht mehr erleben werde. Resignation ist für mich keine Lösung. Resignieren hiesse für mich der anderen Seite eine Macht geben, die sie zwar faktisch hat, die ihr aber nicht gebührt! Wie war das noch gleich? „Keine Macht für niemand!“ Da komme ich her, daran halte ich fest, Wandel hin oder her. Nenne mich konservativ …

In diesem Zusammenhang möchte ich euch auf zwei Beiträge aufmerksam machen:

I. Bei Graugans fand ich am 14. Dezember einen wunderbaren Beitrag über HAP Grieshaber und sein Projekt: „Der Engel der Geschichte“. Auch so Einer, der mir einfach Mut macht immer weiterzumachen und mich dabei immer und immer wieder für eine gerechtere Welt einzusetzen. Verschiedene Menschen haben verschiedene Talente und Ressourcen- die einen haben Worte, die anderen Bilder, die nächsten Musik, die übernächsten Tatkraft, die überübernächsten sind die TräumerInnen, die VisionärInnen, ZauberInnen, Närrinnen und Narren und … Für den Wandel in der Welt braucht es alle Medizinen! Stark wird, was genährt wird.

II. SalvaVenia schreibt über den Islam → ja, das braucht Zeit, aber es lohnt sich! Bis heute, 14.12. sind schon 4 Artikel dazu erschienen. Ich habe bislang den ersten gelesen, der mir viel Gedankenfutter schenkte. Die nächsten lese ich, wenn ich meine persönlichen Rückblicke abgeschlossen habe. Bald!

Zurück zum November: die alte Fährfrau aus meiner Geschichte der kleinen blauen Frau bekommt eine erstaunlich junge Gestalt→

Sie segelt wider jeglichem Hass, denn ihr Herz ist Liebe geworden, in all den Jahren des Hinundwiederzurücks. Leise singt sie ihre Lieder durch die Nacht. Sie kennt keine Angst und keinen Tod.

Wider jeglichem Hass


Phoenix gross © Beautiful-phoenix-designed-in-Photoshop-by-digital-fantasy-artist-Sandara -Ich bedanke mich

Rückblick – 10 –

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Ich stromer wieder, die Saison läuft langsam aus und das ist gut so.

Saison heisst viele Stunden Kachellauf und Kochlöffelschwung. Hiess leider in diesem Jahr viel Zwist im geliebten Haus. Der ist nun beigelegt. Ich habe gelernt. Wieder mal. Mit manchen Menschen ist einfach nicht gut Kirschen essen. Das kann so stehen bleiben. Und Kolleginnen und Kollegen sind nicht unweigerlich Freundinnen und Freunde, das gilt es zu unterscheiden, unbedingt! Ich weiss das schon lange, aber … nun. Man kann fair bleiben und tun, was getan werden muss, auch gemeinsam. Geht doch!

Schnitt


Ich tanze wieder!

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„So wie der Marionettenspieler die Schnüre zieht, so sollte die Seele den Tänzer führen.“ Von Kazuo Ohno zu Butoh

Ich tanze wieder!

Die kleine blaue Frau tanzt Geburt und Tod als Eins. Ihr Gesicht ist weiß geschminkt, ihre Lippen rot. Sie trägt die Maske der Ewigkeit.

Sie tanzt die junge Frau der freudigen Erwartungen, die Fülle des Lebens, die Sehnsüchte der Nacht. Sie tanzt den Zorn. Hinter dem Zorn leuchtet eine Hoffnung. Die tanzt sie auch. Die Hoffnung auf Umkehr, für die Welt; die Hoffnung auf Einkehr, für sich. Die junge Frau feierte Abschiede mit geröteten Augen und heißem Gesicht. Lange glaubte sie nicht an Wiederkehr.

Die kleine blaue Frau tanzt das Ist.

[ … ] Später im Jahr trägt die kleine blaue Frau alte Schichten ab. Sie schreibt ihre Geschichte neu. Alte Häute fallen. Alte Häute, die sie nicht mehr braucht. Sie wirft sie ins Feuer. Neue Häute wachsen, an den Fußsohlen zuerst. [ … ]

[ … ]  Die kleine blaue Frau geht mit einem neuen Namen, der ist geheim. Sie hinterlässt keine Spuren. Leise singt sie das Lied vom Leben und Sterben. Leise spricht sie das geheime Gedicht. Sie legt getrocknete Beeren auf den Weg, so findet sie die Richtung. Am Abend klopft sie an der Tür der Alten mit dem erdigen Gesicht, die ruft:

„Herein!“ Im Kamin prasselt ein Feuer, darin brennen neunundneunzig Masken. Am Tisch sitzt das Volk der kleinen Frau, zusammen mit der Alten. Sie lächeln. Da verlässt der Zorn die Augen der kleinen blauen Frau. Ihr Herz beginnt Liebe zu werden.

In dieser Nacht tanzen sie lange ums Feuer, die kleine blaue Frau, ihr Volk und die Alte mit dem erdigen Gesicht. Die Vergangenheit ist vorbei, morgen noch weit. Sie singen dem Himmel ihre Lieder. [ … ]

 

Ausschnitte: Die kleine blaue Frau © Ulli Gau

Dead can dance – Tod kann tanzen – Leben auch – Leben lernen heisst sterben lernen. Sterben lernen heisst leben lernen.

Es war viel los im Oktober, ich träume wieder, ich tanze wieder und ich habe mich erinnert, an alte Träume zum Beispiel, dazu machte ich Traumcollagen, inspiriert von Samtmut →

Und es ging um Liebe, um fünf Schiffe. Ja, immer wieder Boote und immer wieder Schiffe!

Und das Meer. Und der Tod.

Der Tod und das Mittelmeer 2015

Rückblick – 6 –

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Im Juni war ich beschäftigt. Der Urlaub war vorbei, die Arbeit rief. Ich fühlte mich wie die verpuppte Raupe, die erst noch ein Schmetterling werden will. So, wie der Sommer, der erst noch ein Sommer werden wollte.

Rituale unterstützten und nährten. Der Kreis hielt, die Trommel trug jenseits und diesseits des Zauns.

Am Ende des Monats entdeckte ich die Künstlerin Marlene Dumas. Ihre Bilder hinterließen Abdrücke.

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Abdrücke hinterließ auch Irgendlink mit seiner Reise zum Kap. Im Juni radelte er los, ich folgte seinen Rad-, Bilder- und Gedankenspuren fast täglich in eins meiner Lieblingsländer: Lappland, nun aus Irgendlinks Sicht.

Zusammengefasste Junitexte:

Der eine radelt nach vorne, die andere wirft Blicke rückwärts über die Schulter. Mutig haben mich die Freundinnen und Freunden genannt und über meine Schüchternheit hinweggelacht. Sie sahen nicht hinein, sahen nur mein junges Rund und in die immer so blauen Augen, den roten Mund.

Was waren wir noch so jung und wie schnell ging auch das vorbei! Mittendrin die zähen Ewigkeiten, ungeduldiges Scharren und die gute alte Melancholie. Sie war nicht Freundin, sie war einfach da. Und wenn gerade einmal nicht, dann tanzten die Füße über die bergischen Landhügel und über Bühnenbretter, die dann doch nicht die Welt bedeuteten.

Und dann all dieses Begehren! Wieso gerade mich? Das verstand ich damals nicht. Darin war ich nicht Zuhause. Ich sehnte mich, hilflos. Erkannte die Prinzen im Spiegel nicht, sah nicht meine Kaiserinnenkrone, hatte das Spiel noch nicht gelernt.

Melancholie saß im grünen Zimmer. Leise sehnte sich die junge Frau und verschwand hinter den Spiegeln. Sie schlitterte über biergetränkte Altstadtböden und schwamm mit den Freundinnen und Freunden nackt im Mondenschein. Kein Prinz in diesen Zeiten. Kein Prinz, kein Wrack, es geht nicht, es stimmt nicht und immer wieder Luft anhalten. Das Herz schlug dumpf hinter den Ketten von nein und klein und ja und viel zu groß.

Manchmal ist der kleinen blauen Frau die Welt zu groß, dann bleibt ihr nur ihr Staunen. Manchmal ist ihr die Welt zu laut, dann geht sie in die Stille. Sie träumt das Blau der Berge, des Himmels, des Wassers und des Nichts.

Die kleine blauen Frau – ein Ausschnitt © Ulli Gau

020 26.01.15 kleine blaue Frau und die Welt

Juni 2015 … und plötzlich hatte ich noch einmal Geburtstag. Eine Freundin kam und brachte Geschenke, von sich und zwei anderen. Wie habe ich mich gefreut! Drei Frauen, die an mich dachten, als wir uns treffen wollten und ich wieder einmal in diesem Jahr absagen musste. Noch immer überwog die Schwäche. Die verpuppte Frau wartete auf ihre Stunde.

Rückblick 2015 – 1

Letztes Jahr um diese Zeit erstellte ich aus den Bildern eines Monats Collagen. In diesem Jahr nehme ich je ein Foto und eine Fotomontage aus einem Monat und spüre nach. Zur Wintersonnenwende werde ich, wie in jedem Jahr, destillieren, da will ich vorbereitet sein. Wie ich mich auf die Rauhnächte freue! Aber nun zum Rückblick:

Januar 2015

Die Geburtsstunde der kleinen blauen Frau ist am 06. Januar 2015. Hier im Blog erscheint sie zum ersten Mal am 16. Januar

008 06.01.15 die kleine blaue Frau träumt Meer

Samtmut schrieb mir am 11. November diesen Jahres: „Die kleine Frau (Träumerin) ist von Heinrich Vogeler, über 100 Jahre alt und damit gemeinfrei.“

Als ich die kleine blaue Frau im Netz entdeckte, war sie eine Gestalt auf einem weißen Hintergrund. Darunter stand: Künstler/Künstlerin unbekannt … Ich schnitt sie aus, montierte sie in eins meiner Ostseebilder und ließ das Bild wirken, bis ich diese Zeilen schrieb:

Die kleine blaue Frau träumt Meer. Sie träumt Möwen an den Horizont. Weiß, wie manche Tauben.

Und nun schaut mal das Original:

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Das glaubt mir jetzt doch kein Mensch, entfuhr es mir. Ungläubig starrte ich auf das Bild. Nicht nur, dass Vogeler das Bild die Träumerin nannte, auch sitzt sie, wie auf meiner Montage, auf einem Stein in den Dünen am Meer …


Der Januar war bei uns schnee- und eisreich. Ich machte den einen und anderen Gang durch die winterliche Welt, und fand diesen roten Engel im Schnee (oder fand er mich?):

Januar 2015 2

Die Engel und ich, das ist eine Geschichte für sich. Ich umkreise sie, ähnlich, wie es Jürgen Küster und Susanne Haun in ihrem Projekt double bind getan haben. Es schien mir, als ob Susanne wenig Mühe mit den Engeln hatte, während Jürgen, ähnlich wie ich, ihre Gestalt, ihr Sein oder Nichtsein umkreiste.

(Die Bilder von Jürgen und Susanne findet ihr hier →)

Jürgen hat mich in diesem Jahr auf seiner Buchalov Freundestour besucht. Neben vielem anderen waren auch die Engel Thema. Kaum war er weitergereist, widmete ich mich ihnen noch einmal, neue Montagen enstanden. Wofür fragte ich mich nicht, es war nur eine weitere Umkreisung. Jetzt finden sie Platz in dem Projekt der 24 Tage oder Türen von Graugans, mit der Überschrift: Mutmaßungen über Engel …

Ich schrieb es schon öfters, dass meine Seele, mein Selbst oft mehr weiß, als mein Ich. Erst im Rückblick erkenne ich den roten Faden, sehe ich, dass er ein Stück weiter durch mein grünblaues Lebensgewebe mäandert ist.

In dem Artikel von Mützenfalterin am 01. Dezember fand ich einen Satz von Marica Brodozic, der mich bewegt: […]” aus dem Unerklärbaren kommt auch alle Poesie. Wir brauchen eine Poesie des Lebens, eine Poesie des Lichts, die uns Forscher unseres Selbst werden lassen […]“

Die kleine blaue Frau ist in diesem Jahr mein Forschungsprojekt geworden. Auch sie weiß mehr als ich. Sie resoniert und tanzt mit dem Unerklärbaren, sie ist Wanderin und Finderin.

Zurück zu dem roten Engel im Schnee. Ich sehe einen abgebrochenen Flügel und rote Tränen im Schnee oder sind es Blutstropfen? Ist er ein gefallener Engel? Und was ist mit seinem zweiten Flügel passiert?

Dieses Jahr ist es nicht friedlicher geworden. Es gibt nicht weniger Kriege, nicht weniger Gewalt, noch immer schraubt sich die Spirale in die Höhe und Tausende kämpfen mit den Wellen im Meer, viele sind ertrunken. Wer weiß, was dieser rote Engel weiß!

Fortsetzung folgt

WüstenEi

Zuerst war die Wüste,

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dann das Ei.

0220 25.10.15 WüstenEi

Die heisse Wüstensonne brütet das Ei. Es wächst, seine Schale bekommt Risse, es verliert seine Kappe. Ein Phoenix ist geboren. Fünfhundert Jahre wird er kreisen. Er wird hier und da eins seiner goldenen Eier verlieren, dann wird er verbrennen.

0255 29.11.15 Geburt

Willst du wohl sterben, so lerne wohl leben; willst du wohl leben, so lerne wohl sterben.

… Ich sage dir: „Jetzt, wo ich diese Freiheit gekostet habe, habe ich nicht die Absicht, wieder zurückzustecken. Ich werde so weiterleben, als würde ich bald sterben …

aus dem Buch: In unnütz toller Wut von Maarten ‚t Hart

„Spät im Jahr trägt die kleine blaue Frau alte Schichten ab. Sie schreibt ihre Geschichte neu. Alte Häute fallen. Alte Häute, die sie nicht mehr braucht. Sie wirft sie ins Feuer. Neue Häute wachsen, an den Fußsohlen zuerst. Stürme haben Schnee und Frost dem Land gebracht.

Die kleine blaue Frau sitzt am Feuer. Sie lauscht dem vergehenden Jahr.

Sie ist durch das frühe Jahr gelaufen, den heißen Sommer hindurch und durch den bunten Herbst. Sie hat das Meer geträumt und dann die Wüste. In der Wüste lag ein Ei. Es wurde von der Sonne bebrütet. Es wuchs, seine Schale bekam Risse, es verlor seine Kappe. Ein Phoenix wurde geboren. Fünfhundert Jahre wird er kreisen. Er wird hier und da eins seiner goldenen Eier verlieren, dann wird er verbrennen.

Die kleine blaue Frau schreibt ihre Geschichte neu. Allein, ihr Standort ist geblieben. Es brennt ein Feuer durch die Nacht.“

ein Ausschnitt aus der kleinen blauen Frau © Ulli Gau

Gestalt

Als Gestalt wird die äußere Form, der Umriss, der Wuchs, der Habitus oder die Erscheinung von Gegenständen und Lebewesen bezeichnet.

Innen gestaltet außen, außen gestaltet innen. Gestalt ist der Ausdruck des Moments.

 

Meine Gestalt I

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Der Prozess

Ich schließe die Augen und erspüre meine Gestalt. Anfangs spüre ich meine äußere Hülle, meine Form, meinen Körper. Der Blick wandert weiter nach innen. Ich nehme ein schlankes Oval wahr. Es gleicht einer Flamme, die nicht fest umrissen ist, sie lodert aus dem Oval heraus.

Noch immer mit geschlossenen Augen zeichne ich die Form. Ich erblicke einen ovalen Raum, denke an ein Blatt, an Verbundenheit und Verwurzelung. Mit nur noch halb geöffneten Augen zeichne ich die schmale Flamme in die Mitte des Raums. Lasse die Flamme lodern.

Als ich die Augen wieder ganz öffne, sehe ich Schwangere an Pflanzenstielen wachsen. Sie werden von zwei Flügelwesen gehütet.

Die Geburt ist abgeschlossen, die Gestalt(en) hat sich geformt, nun ist Zeit für die Ausarbeitung. Am Ende sehe ich eine verwurzelte Blase und denke an eine Gebärmutter.

Zuerst ist die Idee, mit ihr gehe ich schwanger, es folgt die Geburt, dann gilt es das neue Wesen, die neue Gestalt zu hüten, zu nähren und wachsen zu lassen.

(Hierhinein hat sich wohl auch Susanne Hauns Artikel über die Geburt hineingewebt und Gerda Kazakous Kommentar dazu.)

 

Gestalt II

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Der Prozess

Wieder schließe ich die Augen, ich spüre meinen inneren Bewegungen nach. Ich beginne zu zeichnen, starte mit einem Punkt in der gefühlten Mitte des Papiers. Er wird umkreist. Ich denke an Hüllen. Die Bewegung geht von innen nach außen, findet in einer horizontalen Linie einen Grund. Die folgenden Bewegungen gehen von der gefühlten Mitte nach oben und unten. Verankerung nach unten, Öffnung nach oben.

Ich öffne die Augen und sehe, dass nun die Fährfrau eine Gestalt bekommen hat. Geboren wurde sie schon vor einigen Jahren …

„Die kleine blaue Frau singt sich zum See. Ungerufen kommt die alte Fährfrau. Sie rudert die kleine blaue Frau zur Insel. Hier hüten Bärin und Rabe das Tor zum Wald, neckt der Rabe die Bärin, winkt die Bärin der kleinen blauen Frau.

Viele Jahre schon rudert die alte Fährfrau hin und her, mit und ohne Passagiere, mit und ohne Mond. Sie kennt keine Angst und keinen Tod. Ihr Herz ist Liebe geworden, in all den Jahren des Hinundwiederzurücks. Sie schenkt der kleinen blauen Frau das Lied der Wiederkehr.“

Textausschnitt aus „Der kleinen blauen Frau“ copyright Ulli Gau


In den letzten Wochen wurde ich im Blog von Cambra Skadé daran erinnert, dass es beim zeichnen auch darum geht den Kopf auszuschalten und die Linien für sich arbeiten zu lassen, statt die Linien zu zwingen. Später dann, so schreibt sie, erzählen die Zeichnungen ihre Geschichten. Ich war inspiriert. Dass ich dann auch bei ihr eine Fährfrau neben der Närrin vorfinde, lässt mich an Paralelluniversen denken …

In dieser Woche kam das neue Heft von Clio bei mir an. Hier fand ich etliche Blindzeichnungen von der Künstlerin Johanna Fassbender. Sie schreibt:

Ich habe die „Blind“- Zeichnung als Lockerungsübung kennengelernt, die dem Verstand ein Schnippchen schlagen soll. Und war von Anfang an fasziniert. Etwas „Neues“ schien seinen Ausdruck zu finden, jenseits des Sichtbaren …

Jede Zeichnung ist letztlich ein Experiment mit ungewissem Ausgang. Das Schaffen entzieht sich der gedanklichen Kontrolle, es gibt keine konkrete Vorstellung, kein Wollen. Das geschehen entwickelt sich erst im Vollzug.

Clio 81, 40. Jahrgang/November 2015 Die Zeitschrift für Frauengesundheit – Brustgesundheit

Johanna Fassbender lebt und arbeitet als Sängerin, Musikerin und bildende Künstlerin in Berlin

www.johannafassbender.com

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Den Verstand ausschalten und der Linie folgen, später den entstandenen Geschichten lauschen, ist für mich ein neuer Weg mit dem Stift oder dem Pinsel umzugehen. Ich habe schon einige Ideen und freue mich über und auf den Prozess.

Die kleine blaue Frau ist nun immer mit im Boot, die alte Fährfau auch, aber auch die Alte mit dem erdigen Gesicht und die Alte mit den sieben Schneenamen. Es schreibt sich, wie es sich zeichnet, blind und aus dem Fluss heraus. Zuerst ist die Idee, es wächst die Gestalt. Es folgen Ausformung und Gestaltung. das ist der Weg …

Vorwärts

0244 24.11.15 Wächter

Viele Tage wandert die kleine blaue Frau über hohe Berge, durch tiefe Wälder. Sie trinkt das Wasser der Bäche, sie isst hier und da eine Beere vom Wegesrand. Sie fürchtet sich nicht. Sie singt das Lied der Wiederkehr. Am siebten Tag sieht sie in der Ferne den Bestimmungskreis. Zwei Wächter stehen davor.

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Die Strasse der Entscheidung liegt hinter ihr. Lange hat sie in der Todeshütte gesessen. Es kam, wer kam. Abschied und Vergebung, letzte Liebesworte wurden gesprochen. Dann ist es still geworden. Verstummt ist selbst das geheime Gedicht.

Die kleine blaue Frau schaut nicht mehr zurück. Es gibt nur noch eine Richtung, eine Zeit. Sie singt das Lied der Steine. Jetzt.

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Vorwärts schreitet die kleine blaue Frau. Nebelschwaden ziehen über das Land …

ein Ausschnitt aus der „Kleinen blauen Frau“ copyright Ulli Gau

Ich danke sehr herzlich Finbar von Finbarsgift für den „bunten Hund“ 🙂 für mich war er schon beim ersten Anblick ein Wächter- ich muss mal Höhleneingänge fotografieren ….

Am Fenster

0189 08.10.15 sie sitzt am Fenster

Die kleine blaue Frau sitzt am Fenster mit den geschlossenen Flügeln ohne Vogelsang. Blüten flogen vorbei, jetzt sind es gelb gewordene Blätter. Später wird der Schnee die Immergrüns verschlucken. Sie wünscht, sie trommelt, sie singt, Gebete zum Wacholdergott.

Manchmal kommt einer vorbei, klopft an. Er, das Brüderchen mit den sich ihr reichenden Händen, den Tanzfüssen und den gold schimmernden Flatterhaaren. Drehen, wenden, biegen, ein Saus. Wir zerfällt. Später. Er reicht seine Hände denen, die sie nehmen. Sie sitzt am Fenster. Alte Weiber weben Tautropfen in Netze. Sie spinnt Frieden ins Rad.

Wind – 3 – und Licht

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Es gibt die kleine blaue Frau und es gibt die Dame in Blau und es gibt den roten Faden. Hierzu gesellen sich Licht und Wind. Wind braucht es in der Welt. Für die Bewegung. Licht, damit die Schatten deutlich werden …

Ich danke Mützenfalterin und Pagophila für die Inspiration und letztlich danke ich Rahel Müller,  hier öffnen sich neue Welten … sagt Frau Blau, sagt Ulli, beschäftigt mit den Themen Wind und Licht …

 

Die Dame in Blau

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Mireille ist eine Karrierefrau. Während des Tages hetzt sie von Termin zu Termin, von Event zu Event am Feierabend. Sie lebt allein, gönnt sich den einen und anderen Liebhaber, ihre Tage und Wochen sind strukturiert. Am Dienstag ist Tochterabend, am Wochenende wird der Geist gewaschen …

Mit 52 Jahren ist sie noch immer eine attraktive Frau. Sie trägt am liebsten rot, weil rot so wunderbar zu ihren schwarzen Haaren passt. Einzelne graue Haare werden übertönt. Ihr Gang ist flink energisch und zielbewusst, sie ist erfolgreich und beliebt, ihr Geist rege. So gleitet sie durch ihr Leben, ohne je gesehen zu haben was nicht gerade vor ihren Füssen erscheint.

Es ist ein ganz normaler Tag, Mireille rennt aus dem Haus, ihr Ziel ist die Agentur. Sie reiht sich ein in den Strom all derer, die, wie sie, von A nach B rennen. Aber heute werden die Gehetzten gebremst.

Viele sind es, die der Dame in Blau einen ärgerlichen Blick zuwerfen. Die Dame in Blau hetzt nicht. Ihr Gang ist ein Schlendergang, mit einem sanften Wiegen des Körpers und einem wohlbemessenen Druck ihrer Füsse, den Kopf leicht geneigt, als lausche sie auf etwas, vielleicht auf das Rascheln ihres blauen Seidenkreppkleides beim Vorwärtsschreiten im Wiegeschritt, wenn dieses auf die Strümpfe trifft. Sie, die kleine alte Dame in Blau, bremst den Strom.

Als Mireille zu ihr aufschliesst und all das Schlendern und Wiegen, den wohlbemessenen Druck der Füsse, den leicht geneigten, vielleicht lauschenden Kopf wahrnimmt, wird etwas in ihr berührt. Sie schliesst sich dem schlendernden Gang der Dame in Blau an, dem Wiegen ihres Körpers und allem anderen. Wird selbst zur Bremse im vorwärts hetzenden Menschenstrom von A nach B. Als sich nach einer Weile ihre Wege trennen, dreht die Dame in Blau ihren Kopf Mireille entgegen, sie lächeln sich an, sie signalisieren sich gegenseitige Zustimmung. Wozu? Das ist erst einmal eine Frage.

Noëlle Châtelet hat eine Hommage an die Langsamkeit geschrieben. Gemeinsam mit Mireille kann die Leserin, der Leser die Tiefen der Entschleunigung und Stille erfahren und die Geschenke des Altseins oder -werdens erspüren.

Aus dem Buch:

>Presseattaché< … die Doppeldeutigkeit des Wortes kommt ihr plötzlich zu Bewusstsein. Sie hatte immer geglaubt, Attaché habe etwas mit attachieren, mit Anhänglichkeit zu tun, mit gefühlmässiger Bindung und wahrer Neigung, doch nun stellt sie fest, dass sie vor allem gefesselt ist, angekettet wie ein Hund, aus freien Stücken eine Gefangene der Presse, und zugleich ausgepresst wie eine Zitrone, wenn nicht gar erpresst, und dazu noch der ständige Druck, die ewige Eile, die Dringlichkeit des jeweiligen Moments, durch die die Gegenwart schon Vergangenheit ist und immer zu spät kommt.

Mireille begegnet dem Wort Grossmutter:

Das Wort sagt ihr zu. Es gefällt ihr. Es passt genau, wie das graue Kostüm, das in der Leinenhülle hing …. Dieses >über die Mutter hinaus< … Warum ist sie nicht sofort darauf gekommen? Es steckt doch alles in diesem Wort. >Grossmutter<, die Mutter, die grösser ist als eine Mutter, grösser in allem, Weisheit, Zärtlichkeit …

Im Laufe der entschleunigten Zeit oder Mireille hört ihren Anrufbeantworter ab:

Die Welt, aus der diese Stimmen kommen, ist einfach anders beschaffen, zwar vernehmbar, aber nicht annehmbar. Sie gehört nicht der Vergangenheit an oder einer anderen Zeit. Sie ist ein Anderswo, ein Anderssein.

Und auch dabei ist alles eine Frage des Tempos, des Rhythmus …

Nichts tun und nichts denken:

An nichts zu denken und zu vermeiden, dass dieses Nichts seinerseits zu etwas wird, ist eine anspruchsvolle geistige Akrobatik, die Mireille weder mit Spiritualität noch mit Mystik verbindet. Es ist ein Zustand höchster Sinnlichkeit, bei dem nur der Körper in Bewegung ist, ohne die geringste Bewegung, eine Art, sich am Dahinfliessen der Zeit zu beteiligen und selbst zu einem lebendigen, gefügigen Teil ihres Ablaufs zu werden.

Mireille und die Spinne in ihrem neuerdings ungenutzem Wohnraum:

Mireille betrachtet lächelnd dieses Wesen, das jetzt ihr beschauliches Dasein teilt. Von nun an werden sie also zu zweit die friedliche Stille weben, die Zeit an den durchsichtigen Fäden ihres zurückgezogenen, kameradschaftlichen Lebens aufhängen, sich zu zweit in der Leere wiegen.


 

Ich denke an die kleine blaue Frau und erkenne den roten Faden. Es ist das Jahr der blauen Damen, ob klein oder alt, ob mit oder ohne Hut. Ob Frau, ob Dame. Es ist ein Jahr des Schlenderschritts, mit wohlbemessenen Druck auf die Füsse und sich wiegendem Körper, mit leicht geneigtem Kopf, als lausche ich auf etwas …

Ich denke an die kleine blaue Frau,

wie sie das Meer träumt,

das Land liest,

wie sie dem Getöse der Welt lauscht …