Es liegt an mir

0103ab 28.06.15 lauschen

Prolog

Sonnensommersonntag, Fliegen summen, Spatzen tschilpen, Spazierer zwischen Panoramaweg und Feuerwehrfest und noch immer weiss ich nichts von der Arnika. Die Lindenblüten vor dem Haus sind noch geschlossen. Das Johanniskraut zeigt seine Knospen gelb. Die Rosen in gelb und rot und Moos verströmen sich. Blaue Fussnägel. Rot ist deswegen nicht vorbei. Leicht ist es nicht immer mit den Jahren, der langen Strasse im Rückblick, der kürzer gewordenen geradeaus.

Worum es geht

Wenn die Närrin Eine ist, die Geschichten erzählt, so, wie es Cambra schrieb, dann wird es Zeit für neue Geschichten. Ich habe Türen und Fenster weit geöffnet, Herz auch. Sommerheu durchduftet die Kemenate.

Sie ist zurück. Sie sind zurück, Närrin und Narr. Sie mit ihren Geschichten, er mit seinen.

Manchmal, so erzählt sie mir jetzt, kreuzten sich die Fäden in ihrem und seinem Erzählen. Kurze Stille, Vertrauen im Blick, Knotenpunkte zum festhalten, zum entlanghangeln, den freien Fall im Blick.

Sie erzählt von der Langsamkeit und heisst mich Schnecken lieben. Spricht von dem Raum in der Zeit, dem zeitweise geteilten, dann wieder jede und jeder für sich. Erinnerungsknoten baumeln an Spiegeln, fern von allem Bekannten. Manche Nächte stahlen Tage, andere erstrahlten unter leerem Mond. Polarlichter verschenkten ihr Bunt. Wellen rollten vor und zurück. Geflüsterte Geschichten knüpften sich fort, von Knoten zu Knoten.

Ein Freund der leisen Worte. Ein Freund der Langsamkeit. Manchmal ist eine Angst um ihn. Dann muss sie ihn halten- wie er seine Angst, im Arm.

Manchmal sangen sie unter dem grünen Mond. Ein Lied in Moll und wiegten sich in den Traum der Welt unter Unendlichem hinein. Stille Zeiten. Raum bleibt, solange wir atmen.

Unaufgeregt tönen ihre Geschichten ins Jetzt, sie bringen einen neuen Klang. Einen leisen. Er weist Weg. Solche, die gegangen sind und solche, die sich noch hinter der Hügelkuppe verstecken. Jetzt ist weiter lauschen, wie sie erzählt von Knotenpunkten und Linien im Raum, verbindenden und gebrochenen, von Netzen unter der Erde, dem roten Mäanderfaden des Lebens, den Spuren, die blieben und die verwischten.

Es war die Närrin, die mir einst von dem Heiligen im Profanen erzählte und umgekehrt. So viele Göttinnen und Götter fielen schon aus den Panthoneen!

Närrin und Narr bleiben. Sie bei mir, er bei ihm. Kreuzfahrten, Fadentiefe, Knotenpunkte, Ankerplätze, sommerlich durchwehte Räume, Puppen zu Schmetterlingen, Larven zu Käfern. Ich nähere mich der Nacktheit der Schnecken.

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Am Nachmittag liege ich auf Kargboden. Der Berg mir Wohl verleiht. Sonnengelb zeigt die Arnika ihr zerrupftes Gesicht. Motorräder schneiden Sägen gleich durch Sonnentage. Von hieraus könnte ich sie jagen … Das Böse ist banal. Es hockt gleich hinter liebreizenden Stirnen, seltsam unerkannt.

Es wurde Abend. Und da verstand ich: sie ist immer da, ich muss sie nur rufen. Es liegt an mir.

 

 

11 Gedanken zu „Es liegt an mir

  1. Was für ein magischer Text, den du hier gewoben hast. Ich bin sprachlos. Dazu das Puppenbild. Ich liebe es. Und wie es zum Text passt!
    Und auch zur Nacktschnecke, die du zu lieben geheissen wirst. Wurdest.
    Danke für diesen wunderbaren Beitrag.

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  2. Ich habe vor ein paar Tagen eine Schmetterlingsfarm besucht und lange vor dem (sehr großen) Schaukasten mit den aufgefädelten Puppen gestanden. Einige Puppen hingen regungslos an den Fäden, andere bewegten sich und aus einer Handvoll schälten sich langsam die Schmetterlinge aus ihren zu eng gewordenen Kleidern. Millimeter für Millimeter näherten sie sich ihrem nächsten Lebensabschnitt. Ich habe zwei Stunden vor dem Fenster gestanden und mir gingen während dieser Zeit viele Gedanken durch den Kopf. Diese zarten Wesen durchlaufen verschiedene Entwicklungzyklen, nach denen sie stets eine andere Erscheinungsform annehmen. Sie schaffen das ohne Hilfe, denn es ist in ihren Genen festgelegt. Würde ein Mensch ihnen beim letzten Schlüpfen helfen, wären sie nicht lebensfähig. Auch wir verpuppen uns in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen. Das ist für andere Menschen meist nicht sichtbar. Häufig bemerken nicht einmal wir selbst diesen Zustand. Ich meine hier nicht, anders als bei den Schmetterlingen, unsere äußere Erscheinung, sondern unser inneres Ich. Dieses Verpuppen und Schlüpfen verleiht uns die Gabe neuer Sichtweisen, als ob unserer Seele neue Augen gewachsen wären. Uns tut es gut, eine liebende Hand an unserer Seite zu wissen, die uns hilft, diese Augen zu öffnen.
    Ups, das wurde ein langer Kommentar, der sich nur auf einen Aspekt Deines wunderbaren Textes bezieht. Dabei gäbe es noch so viel mehr zu sagen.
    Ganz herzliche Grüße von der Ostsee schickt Dir Elvira

    Gefällt 2 Personen

    • schön, dass du dir die Zeit nehmen konntest, liebe Elvira, den Puppen zuzuschauen- ich sehe die Verwandlung und Verpuppung auf seelischer Ebene genauso, wie du-

      liebe Grüsse vom Sommerberg an die See
      Ulli

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