blaue Stunde 11. Teil – Sommer in der kleinen Stadt

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Frauen und Männer, jung, alt und dazwischen, Mädchen und Jungen flanieren, radeln, sitzen, liegen und küssen an den Ufern des Rheins, der heute nicht blau ist, nicht grün, sondern lehmig braun. Es hat viel geregnet in den letzten zwei Wochen.

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Ein Sommertag, an dem die Gedanken mit dem Milan auf den Winden segeln. Ich höre schwyzerdütsch, englisch, französisch, italienisch und einen spanischen Strassensänger, vor allem aber höre ich Gemurmel. Ich muss niemanden verstehen. Welch ein Luxus! Kein Wort für mich, keins von mir an ein Du. Keiner zieht, keiner will. Ich geniesse.

Dem Berg habe ich den Rücken zugewandt, bin hinabgestiegen ins bunte Sommertreiben einer kleinen Stadt. Ganz Voyeurin, ganz Flaneurin. Es gibt nichts zu tun. Nur Jetzt.

0104 16.07.14 Sommer in einer kleinen Stadt

Es ist noch nicht so heiss, dass Frauen in Bikinis, Männer in Badehosen in Scharen von den Häusern zum Rhein zum baden gehen. Nur viele nackte Füsse von Riemchen gehalten, blaue, rote und schwarze Fussnägel und wenn ich wirklich einmal schöne Füsse in hübschen Sandaletten sehe, spricht ihre Trägerin französisch. Viele Hemdsärmel, wippende Röcke und die obligatorischen straff hochgezogenen Herrensocken in braunen Wildledersandalen. Manches bleibt. Auch der schlechte Geschmack. Wie eben auch nackte Bierbäuche am Wegesrand, zwei Nummern zu kleine T-Shirts, die nur notdürftig die Übergrössen darunter verbergen. Aber ich bin ja in Basel. Da hält sich all das in Grenzen, mehr Freuden, denn Beleidigungen fürs Auge. Und  eine immer wiederkehrende Freude ist eben die Kunst auf der Strasse und in den Fenstern.

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Draussen sitzen, Espresso trinken, das Wasser danach, der Blick schweift und was er nicht bannt, macht der Stift auf dem Papier. Momentaufnahmen …

Es wird Abend in der kleinen Stadt. Ich schenke mir ein Lächeln. Lausche dem Saxophon, schaue den Tanz.

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Schlendernde Füsse, joggende auch, je tiefer die Sonne sinkt, umso mehr. Den I-Pod auf den Ohren. Verkabeltes Sein. Smartphones auf Objekte gerichtet, andere telefonieren beim flanieren. Ich schaue auf Hände, denen man ihre tägliche Arbeit ansieht und solche, die manikürt sind, die vielleicht tippen, statt graben … Rote Kleider sind rar geworden, lautes Lachen, leises Lächeln auch. Man redet. Angestrengt. Dabei ist es doch Sommer! Väter und Mütter führen ihre Kinder aus, Damen ihre Pudel. Nichts geht verloren. Keine der alten Geschichten. Neue müssen sich erst noch schreiben …

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29 Gedanken zu „blaue Stunde 11. Teil – Sommer in der kleinen Stadt

  1. Basel gehoert zu den Orten, die ich meiner Frau auch noch zeigen moechte – und dieser Artikel mit den vielen schoenen Bildern macht noch mehr Lust darauf.
    Liebe Gruesze aus dem suedlichen Texas,
    Pit

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    • Lieber Pit,

      Basel ist wirklich ein bezaubernder Ort, dafür, dass ich so nah dran bin, bin ich dort noch viel zu selten. Wenn ihr wirklich mal hinfahrt, dann lasse es mich wissen, dann können wir uns, so ich denn auch gerade hier im Süden bin, dort treffen, bin ja auch immer wieder zeitweise im Wendland, in HH und B …

      sonnige Grüsse vom Berg über den grossen Teich
      Ulli
      P.S. Ich plane übrigens eine Amerikareise ab Mai 2016 … wer weiss, vielleicht sehen wir uns dann ja dort 😉

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      • Liebe Ulli,
        sehr gerne lasse ich Dich wissen, wenn ich einmal in Deiner Gegend sein werde. Ganz kurz angedacht war es mal fuer Oktober in diesem Jahr, hat sich aber leider zerschlagen. Aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben.
        Und wenn Du wirklich nach Amerika kommst, wuerden wir uns natuerlich riesig freuen, wenn wir uns hier treffen koennten. Fredericksburg & Umgebung sind wirklich lohnenswert. Und San Antonio ist auch nur eine gute Autostunde entfernt. Platz haben wir auch. Also: sollte es klappen, melde Dich!
        Liebe Gruesse aus Texas Hill Country ueber den groszen Teich in den schwarzen Wald,
        Pit

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      • na dann schauen wir doch mal, was von unseren Träumen Wirklichkeit wird und wann- danke, dass ich bei dir/bei euch Willkommen bin, das freut mich SEHR

        herzliche Grüsse Ulli

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  2. Früher waren wir öfter in Freiburg zu tun und so kamen wir auch ein paar mal nach Basel. Ein sehr schöner Bericht über diese Stadt!
    Da fahren wir bestimmt noch mal hin.

    Liebe Grüße, mick

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  3. sehr schön – bild und text aus einem guss.
    der gewichtige, wuchtige, rote betonstuhl mit gesicht ist von bruno weber, für den ich paar jahre arbeitete. witzig, dass einer dieser serie in basel vor deine linse gefunden hat!

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    • aaah Bruno Weber also, der begegnete mir schon einmal in Zürich, da war ich auch sehr angetan von seinen Skulpturen, wie klein die Welt doch immer ist, nicht wahr?!

      liebe Grüsse von Berg zu Berg
      Ulli

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  4. Wunderbar sommerträumerische Impressionen und Momentaufnahmen hast du da von der Stadt am Rhein mitgebracht, Ulli! Ja, nicht zuhören und nichts sagen müssen, sondern einfach nur schauen, ohne Ziel, flanieren und sich vom Gemurmel einhüllen lassen, kann sehr schön sein. Danke, dass du deine Eindrücke der blauen Stunde mit uns teilst, die Fotos sind zauberhaft. Und ja, ich kann mir gut vorstellen, dass die schönsten Füße in den hübschesten Sandaletten Französinnen gehörten – so ist es meistens. Auch schön, dass Basel weniger Beleidigungen für’s Auge enthält als die Städte hierzulande. Herzliche Grüße aus dem nun sonnigen Tal, Ute

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    • als ich dort so allein flanierte, dachte ich auch an dich, wir können mal gemeinsam flanieren, wenn du magst … wie ich gerade schon an Mick schrieb, Freiburg finde ich ja immer wieder im Vergleich piefig ;), obwohl ich natürlich auch dort schon feine Fotomotive fand …

      herzliche Grüsse vom Sommersonnenberg (endlich!)
      Ulli

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    • in Berlin ist ja sehr viel mehr Sommer, als hier im Süden und ich freue mich, wenn du es geniessen kannst, so schaut es ja wirklich aus, wenn ich an deine Bilder vom Britzer Garten denke …. ich gestehe: ich habe fast keine roten Kleidungsstücke- einen Rock, der ist für den Sommer zu warm, weil er aus Wolle ist und ein rotes Leinenjäckchen, das ich gestern spazieren führte … ein rotes Kleid habe ich leider nie besessen, für mich ist es eine Metapher, so, wie die roten Schuhe- dem Märchen bin ich immer noch böse, denn rote Schuhe sollte jede Frau wenigstens einmal im Leben getragen haben, besonders in jungen Jahren … da bin ich froh, dass Luisa Francia dieses Märchen einmal umgeschrieben hat!

      herzliche Abendgrüsse zu dir in die Hauptstadt vom Sommerberg
      Ulli

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      • Rote Schuhe hatte ich!! Ziemlich hochhackige. Da war ich etwas jünger (aber nicht mehr ganz jung), rank und schlank und hatte für den Bruchteil meiner Lebenszeit ein absolutes Selbstwertgefühl. Ich mochte diese Frau, die ich da kurzfristig war.

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  5. Ich mag Deine blaue Stunde sehr. Und Deinen blauen Himmel ganz besonders. Ich mag den Sommer, das Flanieren, die Damen in leichter Bekleidung & den Kaffee mit Kuchen am Tisch auf dem Platz. Eines lehne ich aber grundsätzlich ab: Männer in Sandalen … geht für mich nicht. Ein Kindheitstrauma schätze ich. Vielen Dank für diesen garndiosen Spaziergang & einen noch grandioseren Photoessay, Ulli!

    Viele Grüße & weiterhin sichere Straßen, Fritsch.

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    • solche Traumen gibt es, für mich sind es Füsse in Nylonstrümpfen, die sich aneinander reiben … füüüürchterlich! lach und wech

      herzliche Abendgrüsse zu dir hin
      Ulli

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    • ich habe euch schon sehr vermisst, ihr lieben Haushundhirschs, aber mittlerweile weiss ich, dass ihr wiederkommt und das ist gut so! heartly welcome back ♥
      und natürlich freut es mich, wenn ihr meinen neuen Artikel mögt 🙂

      kommt langsam an und lasst euch noch ein Weilchen von der Auszeit tragen … die Alletage zehren schnell wieder aufs Neue …

      liebe Grüsse
      Ulli

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  6. Es klingt nach dem und es sieht aus wie das, was ich mir manchmal unter „italienischem Sommer“ vorstelle.

    Doch eines hat mich ganz besonders angesprochen: “ … vor allem aber höre ich Gemurmel. Ich muss niemanden verstehen. Welch ein Luxus! Kein Wort für mich, keins von mir an ein Du. Keiner zieht, keiner will. Ich geniesse.“ — Dieses Gemurmel, das mich oft sogar schläfrig macht, das irgendwie zum Wohlfühlen in der belebten Öffentlichkeit dazugehört: ich habe es soeben im Ohr!

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    • ich finde schon, dass Basel herrlich viele schöne Ecken hat, aber es ist erstens eine kleine Stadt und zweitens hat ja jede auch ihre hässlichen Ecken, ihre Industrieviertel etc., wobei ich die ja manchmal auch ganz spannend finde- hier habe ich allerdings die Schokoladenseite gezeigt …

      herzliche Grüsse vom Berg, nahe dieser Stadt
      Ulli

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