Blaue Bilder und Musik

Ich will nur liegen … unter’m immergrünen Baum

(Haindling – höre unten)

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To my English speaking readers:

If you are interested, you can read every article of me in English. You have to go to the end of my blog page, there you’ll find the button „Google Translater“. Enjoy!

Blaue Stunde #20

Am Fluss

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-Für dich schlachte ich eine Ziege. Will ich das? Trotzdem spüre ich eine leise Freude: es hat noch nie Einer für mich eine Ziege schlachten wollen. Damit nicht genug, er sagt -Du musst dich um nichts kümmern, ich mache das.

Ich staune.

Ich spüre die Kargheit der letzten Jahre.

Der Frieden vom Berg ist ein trügerischer, einer, der seltsam erstarrt und unlebendig ist, der sich an einen hängt und mich mit klebrigen Fäden umwickelte. Ich mag auch das hiesige Friedenskreuz nicht, weil es nur für die Touristen errichtet worden ist. Die Touristen, die nun ihren Müll längst des Panoramaweges verteilen. Seltsamer Frieden, das! Wie müde ich manchmal bin-

Und wie oft ich von woanders kam, belebt, lebendig, manche Falte wieder geglättet, munter und voller Tatendrang. Das währte nie lang! Was es war und ist, was zieht, zusammen und runter, das entzieht sich mir. Eine Art Hilflosigkeit, ein gefesselter Lebensmut, der sich nur an anderen Orten entfesseln kann.

Ich höre sie noch sagen, ich höre ihn noch fragen, all die Jahre hindurch. Ich hatte ihn gehört, ich zuckte mit den Schultern. Ich hörte ihre Frage, ich antwortete nicht. Was haben sie und er gesehen, was ich partout ignorierte? Manches weiß ich jetzt, für anderes musste ich durchs Dunkeltal.

Ich musste der Schneeeule folgen, Bärin trug mich durch altes Land. Ich lauschte den Liedern der singenden Schwäne und saß am breiten Ufer meines Bruders. Zwei Fische, aus Weidenzweigen geflochten, nahm er auf, einen kleinen und einen großen, er trug sie zu einem unbekannten Meer.

Ist ein Meer nicht alle Meere, ist ein Fluss nicht alle Flüsse und bin ich nicht alle Menschen? Wo ist meine Grausamkeit, wo mein Hass, meine Zerstörungswut?

Ich mag es Fragen zu stellen. Manche Antworten höre ich nicht gerne. Ich glaube an die Wandlungskraft.

War ich nicht einst die Goldmarie? Und war ich nicht einst das Findelkind im Mooskörbchen? War ich nicht auch das hässliche Entlein und das Mädchen, dem die Mutter starb, das gequält und verhöhnt von Stiefmutter und deren hässlichen Töchtern zu Baba Jaga gehen musste, zur Frau Holle in den Brunnen? Und war ich nicht auch das Mädchen mit der roten Kappe und das Mädchen, das am Weihnachtsabend die Schwefelhölzer entzündete, mit Blick in den Sternenhimmel? Und war es nicht der Himmel und seine Weite, die mir Verheißung auf ein Wiedersehen waren?

Ich mag es Fragen zu stellen. Manche Antworten höre ich gerne.

-Mit dir fahre ich um die ganze Welt. Mit dir kenne ich die Angst nicht mehr. Wie kann das sein?

Am liebsten fahre ich mit dem Auto ins ferne Land. Am Morgen fahre ich los, wenn der Sonnenaufgang meinen Abschied begleitet, der Tag vor mir unter den Rädern singt, er sich dehnt von Morgen zu Mittag zu Abend, wenn der Sonnenuntergang meine Ankunft ist. Auf diesen Wegen finden sich ein Dach, eine Lichtung, ein Feuer, ein Mahl und ein tiefer Schlaf. Rehe stehen im Halbrund um die Lichtung, sie äsen sich dem Sonnenaufgang entgegen. Ich spüre noch den Frieden der Rehe und Beeren und meine Freude.

Der rote Faden mäandert zu den Knotenpunkten und um sie herum. Das Gewebe um ihn herum ist immer noch grünblau.

johnnyWenn ich alle Menschen bin, dann bin ich auch alle Engel und Dämonen, alle Feen, Hexen, Elfen, Elben, Zauberinnen und eine noch kleinere Frau. Dann bin ich Königin im Schwanenkleid, die auszieht um Kaiserin in ihrem Reich zu werden- in ihrem Land Überall-im-Irgendwo, dem Land, in dem mich das weiße Rentier mit den durchsichtigen Flügeln auf seinen Rücken nimmt, mich über alle Mauern und Abgründe trägt, während ich das Lied Ohne-Anfang-und-ohne-Ende singe, begleitet von dem tiefen A in Moll, das nur so mein Johnny auf dem Tenorsax blasen kann wie alle Schiffe tuten.

Knotenpunkte, Knoten aller Art und Seemannsgarn, ich habe es geliebt das Akkordeon zu spielen, den Wind in den Haaren, das Meer im Blick.

Wenn das eine Leben alle Leben ist, dann ist es ein nackter Dada, ein Dideldaddeldumm, wieso mache ich mir überhaupt noch Sorgen?

 

Blaue Stunde #19

Es ist lange her, bald zwei Jahre, um genau zu sein, dass ich einen Text im Sinne der Blauen Stunden schrieb. Blaue Stunden sind Momentaufnahmen in einem Gedankenfluss. Jetzt ist wieder diese Zeit!

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Reisen

Eine Krähe krächzt, das Radio tönt in der Küche unter mir, sonst nichts. Der schneeschwere Himmel entlässt einzeln tänzelnde Schwebeflöckchen, die sich auf ihre schmelzenden Schwestern legen, nahe am Boden, unter dem Gräser und Blumen noch Winter schlafen. Manchmal singen einige Vögel, manche verlieren erste Federn. Heute nicht.

Nicht nur Gehörnte sind zäh, die Wintervögel sind es auch, die Krähen, Meisen, Dompfaffe und Grünfinken, das Rabenpaar vom Dorf nebenan. Sie überleben Schnee und Eis und die eine und andere Katze.

Ich kann viel über Seelenwege schreiben, aber wenig über Vögel und ihre Überlebensstrategien. Ob ich mehr über Bahnhöfe schreiben kann, als das, was schon Viele vor mir geschrieben haben?

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Persönliche Augenblicke ziehen vorüber, Zugvögel gleich, aber jetzt habe ich schon länger keinen Bahnhof mehr betreten. Ich fotografierte stillgelegte Gleise und verrottende Waggons. Der Charme der Vergänglichkeit, die Hoffnung auf Ankunft und Wiederkehr und die alles bestimmende Bahnhofsuhr. Überall.

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Es war die Ankunft der Eisenbahnen in der Welt, die die Zeit synchronisierten. Eigentlich noch nicht so lange her! Gleichschaltungen, Völker verlieren ihre Trachten, Menschen ihre Gesichter, ein Elefant ist ein Elefant. Er sollte nicht aussterben! Aus-sterben … ganze Arten haben sich schon ins Aus gestorben, jetzt sollen die Elefanten, Wale und Schmetterlinge an der Reihe sein, ja, auch Bienen und Spatzen. Nur die Menschen vermehren sich weiterhin wie die Karnickel.

Ja, ich weiß, das sollte ich besser nicht schreiben, weil es Gründe hat, sogar verständliche, aber so weitergehen kann es auch nicht! Territorialkämpfe und Kolateralschäden, Menschenware und Arbeitskraft, noch drehen die Bahnhofsuhren Sekunden, Minuten und Stunden im Kreis.

Vorsicht an Gleis drei, der Zug nach Paris fährt jetzt ab, bitte treten Sie von der Bahnsteigkante zurück. Pfiff, Signal hoch, Türen knallen, der Zug nimmt Fahrt auf, wischt an mir vorbei bis zu seinen Rücklichtern, bis auch sie hinter der alles verschluckenden Linkskurve verschwinden. Das ist der Moment der kurzen Stille, des Blicks bis zur Linkskurve, den sich verzweigenden Gleisen entlang, zurück zu der weißen Linie vor der Kante, wo ich wie festgefroren stehe. Du sitzt in Richtung Paris, ich gehe Richtung Ausgang.

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Es sind die immer gleichen Uhren an nahezu immer gleichen Bahnhöfen, nur in den Städten bemühte man sich um Individualität (und in Uelzen), um Sack- und Durchfahrtsbahnhöfe mit und ohne Kuppeldach. Das Prozedere bleibt sich immer gleich. Abfahrt oder Ankunft, Freude oder Schmerz, Tränen gerne bei beiden, Blumen auch und Küsse, Umarmungen, gute Wünsche, schöne Grüße, Danke, Auf Wiedersehen.

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Ich stehe auf Gleis 7. In wenigen Minuten wird der Zug nach Trondheim einfahren. Ich habe einen großen und einen kleinen Rucksack, mein Ticket in der Jackeninnentasche. Oslo – Malmö – Berlin, wenn ich rückwärts schaue. Jetzt Trondheim – Bodø, dann Schiff, dann Moskenes, dann Bus, dann  Å. Je nördlicher ich komme, umso einsilbiger erscheinen die Orte auf meiner inneren Reisekarte. Schon in Malmö habe ich meine grüne Kappe verloren.

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© visitnorway.de

Ich reise allein, ich reise weil ich reisen will, Ziele kommen von Ort zu Ort und ich fahre möglichst auch nie noch einmal irgendwohin, wo ich schon einmal gewesen bin, nicht in fremden Ländern. Dazu erscheint mir die Welt zu groß und das Leben zu kostbar.

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Ich erinnere mich gut an den Bahnhof in Oslo, in Trondheim, in Bodø ist er mir weggerutscht, ich sehe den Hafen, die Fähre, den Fjord, den Bus in Moskenes. Ich weiß noch immer wie mein Zimmer in Å gerochen hat … nach Backstube. Herrlich war das!

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Stamsund Jugendherberge ©https://www.hihostels.com

Später in Stamsund, wo es die beste Jugendherberge ever gibt (wenigstens damals), schaute ich in ein verstaubtes Schaufenster, sah diese alte, schwarze, schöne Schreibmaschine. Ich sah mich ein leeres Blatt Papier zwischen ihre Rollen klemmen, hörte ihr Klickerdiklack, Worte füllten das unbeschriebene Blatt. Das war so ein Moment!

Von hier fuhr ich mit der Fähre ein paar Tage später Richtung Trondheim, dann wieder Zug. Ankunft um Mitternacht, irgendwo auf dem Weg nach Jotunheimen. Der Bus fuhr erst am nächsten Morgen. Meine zweite Nacht allein unter freiem Himmel, dieses Mal auf einer kleinen Lichtung, hier würde mich höchstens ein Reh ansehen. Nein, mich sahen Walderdbeeren am Morgen an, Hunderte. Ich lächelte. Ich lag da, Auge in Auge mit den kleinen, roten Beeren. Zu schön, um aufzustehen, um geschäftig zu werden.

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Später ging ich walderdbeerenlächelnd und heidelbeerenessend zum Busbahnhof. Dieselbe Uhr, es war noch Zeit. Zeit für einen Kaffee oder zwei.

Bahnhof Zoo und Schlesisches Tor, das waren meine Bahnhöfe daheim. Hunderte Male oder waren es tausend Male: Halle – Treppe hoch – Abfahrt: zurück bleiben bitte…

Manchmal blieb ich zurück, stand auf Gleisen, ging Richtung Ausgang – Treppen runter – Halle – raus auf die Straße, kein Taxi. Abfahrt, Durchreise, durch Länder, Wiesen, Felder, Wälder, Berge, Dörfer, Städte, an Seen, Flüssen, Fjorden, Wasserfällen und Meeren vorbei. Ich bin keine Sesshafte. Dafür ist die Welt zu groß und das Leben zu kostbar.

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Ich mag Orte für die Wiederkehr. Orte, die Namen, Größen und Landschaften im Fluss der Zeiten gewechselt haben. Menschen leben überall. Elefanten nicht. Dass ausgerechnet jetzt wieder die Bahnhöfe auftauchen… Aber ganz ehrlich? Mich interessiert gerade weder Prag, noch ein Zirkus, ich mag keine dressierten Tiere, ich mag Jokkmokk. Dahin sollte mein Zug jetzt fahren, Polarlichter sehen.

Zug fahren, die Landschaft vor dem Fenster verändert sich langsam, Menschen steigen ein, steigen aus, gegenseitiges Betrachten, hier und da werden Worte gewechselt, früher auch Geld. Europa, der alte Kontinent, der nun darum ringt seine Vielvölkerei gleichzuschalten, zu einem Takt von Gewinn und Verlust. In England und Griechenland ticken andere Uhrzeiten.

Synchronisation kann nicht anders, als immer wieder aus dem Takt zu geraten. Momente des Chaos. Kein Uhrwerk dreht sich ewiglich, nur der Zeit ist das egal. Der Morgen rötet sich, der Tag bricht an, nimmt seinen Lauf, senkt sich in die Abenddämmerung, ruht still in seiner Nacht. So geht das seit Millionen Jahren. Ankunft, Sein, Aufbruch, weg, Tage, Monate, Jahre in Jahreszeiten, du, ich.

Menschen zähmen Tiere, Pflanzen, Kinder und die Zeit. Menschen rennen, leiden, wehren sich, kommen zu spät, zu früh oder pünktlich, sie eilen, sie schlendern, ticken mit dem Fuß einen Takt mit Tempi in Asphalt und Erden. Sie tun. Sind sie?

Sein also, an einem Nachmittag im Februar auf dem stillen Winterberg, jetzt ohne einen Ton. Das sind die in Watte gepackten Tage, in denen kein Wind zum Fenster hinein singt, an dem nichts passiert, wenn ich still in ihm verharre. Dann höre ich ein Klickerdiklack und gehe auf  Erinnerungsreisen. Das sind so Momente!

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Blau

Ich kann nicht behaupten, dass Blau meine Lieblingsfarbe ist. Lieblingsfarbe ist wie LieblingsautorIn oder Lieblingsfilm u.s.w., all das hab ich nicht. Aber ich habe immer wieder meine blauen Phasen, so, wie gerade eben jetzt.

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Ein Samstagspaziergang

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Die Sonne steht schon tief, als ich oben auf dem Berg ankomme. Ich schnaufe etwas und das Herz pocht. Ich gehe zu selten im flinken Schritt den Berg ganz hinauf. Und immer noch rauche ich zu viel. Na wenigstens jetzt habe ich den Tabak nicht mitgenommen!

Gleich komme ich an, ankommen bei der uralten Buche. Ich nenne sie auch gerne Urgrosstante Buche. Sie riecht so gut. Und hat so starke Arme, die können mich tragen.

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Sie hat mir einen Sitz bereitet. Dahinein lass ich mich fallen und erzähle ihr.

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Was hat sie sich schon alles von mir anhören müssen! Aber noch immer raschelt sie mit ihren Blättern oder wippt mit ihren kahlen Ästen im kaum spürbaren Windchen, wenn ich komme. Sie heisst mich so Willkommen.

Die Sonne ist jetzt hinter den Berg gefallen. An dem Glanz und Licht der Wolken kann ich erkennen, dass es noch einen Moment lang dauert, bis sie gänzlich sinkt, auch in der Ebene.

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Jetzt ist es soweit

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Sonne sinkt, Licht sinkt, ich singe. Und gehe zurück. In mir lache ich, ich glaube, das sieht man mir auch an. Im Vorübergehen grüsse ich zwei Hunde, drei Kinder und einige Leute, sie grüssen zurück und lächeln mich an.

Im Dorf hat eine das Feuer geschürt. Frische liegt auf meinem Gesicht. Etwas später in der Stube beginnen die Ohren zu glühen.

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Und wie mich wieder einmal ein Seltsamgewissen zwackt, ob meiner Idylee, denke ich, dass es vielleicht auch solche geben muss, die erinnern, dass Schönheit und Frieden nicht nur Worte sind.

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(Hier seht ihr das kleine Bürstenmuseum von gegenüber, es wird alljährlich zu einem Dorfadventskalender)

Etwas später fand ich diese Worte in einer meiner Mails. ich wünsche euch allen ein friedliches zweites Adventwochenende.

Lieber Mensch:

Du hast es alles falsch verstanden!
Du bist nicht hier, damit Dir bedingungslose Liebe gelingt.
Die ist dort, woher Du kamst und wohin Du gehen wirst.
Du bist hier, um menschliche Liebe zu lernen.
Allumfassende Liebe. Schmuddelige Liebe. Schwitzige Liebe.
Verrückte Liebe. Gebrochene Liebe. Ungeteilte Liebe.
Durchtränkt vom Göttlichen. Lebendig durch die Anmut des Stolperns.
Offenbart durch die Schönheit des ….. Scheiterns. Und das oft.
Du bist nicht auf die Welt gekommen, um perfekt zu werden. Du bist es schon.
Du bist hier, um herrlich menschlich zu sein. Fehlerhaft und fantastisch.
Und um im Erinnern wieder aufzuerstehen.
Aber bedingungslose Liebe? Erzähl mir nichts davon.
Denn wahre Liebe kommt ohne Adjektive aus.
Sie braucht keine näheren Bestimmungen.
Sie braucht keine perfekten Umstände.
Sie bittet Dich nur, dass Du kommst. Und Dein Bestes gibst.
Dass Du im Hier und Jetzt ganz da bist.
Dass Du leuchtest und fliegst und lachst und weinst
und verwundest und heilst und fällst und wieder aufstehst.
und spielst und machst und tust und lebst und stirbst als unverwechselbares DU.
Das genügt. Und das ist viel.

Courtney A. Walsh. Dear human, ins Deutsche übertragen von Kai-Uwe Scholz, abgedruckt in einem Newsletter des Förderkreises für Ganzheitsmedizin Bad Herrenalb

blaue Stunde – 18 – Öffnung

001 bucheckernschaleSich zeigen, die leere Bucheckernschale ist das Symbol. Weit haben sich ihre stacheligen Flügel geöffnet. Golden leuchtet das Innen.

Sichtbar werden, geschützt bleiben.

Wieviel Öffnung mute ich mir zu, wieviel der Welt? Öffnung braucht Mut und Wachheit, braucht Vertrauen, vor allen Dingen in sich selbst, in die eigene Wahrnehmung, die nicht allgemeine Wahrheit ist, nur immer die eigene und manchmal, in wenigen Ausnahmen, auch ganz allgemein.

Öffnung braucht Schutz, braucht die Gewissheit, dass nichts passieren wird, was nicht passieren soll, heißt bei sich und mit sich selbst zu sein. Heißt zu wissen, dass es nichts wirklich zu verlieren gibt. Kein Gesicht und keinen Ruf. Unschuld ist schon lang vorbei! Und ums Leben geht es hier nicht. Auch nicht um Blindheit, um das Betreten von Gefahrenzonen, die man nicht meistern kann. Es geht um Öffnung, dem Leben, ganz. Weit zu werden, ohne etwas haben oder erreichen zu wollen, ohne Greifen, ohne Zwang.
„Es“ zu tun.

Das Leben tanzen, auf seinen Wellen reiten, hoch hinauf und tief hinunter, juchzen und schreien, lachen und weinen, nichts ausschließen. Die Mitte und die Stille sind Ruheräume, hier wird Kraft geschöpft. Hier werden Eindrücke verdaut, Gedanken zu Papier gebracht, hier werden Gefühle zu Bildern, bis das Leben wieder Fahrt aufnimmt. Hoch hinauf und tief hinunter. Narr und Närrin lachen.

Leer war die Welt geworden, als Närrin und Narr das weite Land und die kleine Stadt verlassen hatten. Melancholie legte sich über die Gassen, trübte das Laternenlicht in der Nacht.

002 nebelnacht

Leise waren die Gesänge der Schwäne geworden. Die Kraniche tröteten an Afrikas Flüssen. Es war nicht lange her, dass sich Närrin und Narr getroffen hatten, dass sie gemeinsam die Nacht erleuchtet hatten. Es vergingen nur wenige Tage bis sie gemeinsam die kleine Stadt verließen. Und wieder war es Nacht, es fiel der erste Schnee. Stille legte sich über Land und Stadt.

Es saß eine kleine blaue Frau am Meer. Leise Wellen spielten Vor und Zurück. Die Narreteien waren verschwunden. Nur die Vögel sangen weiter ihre Lieder, die Raben und Krähen krächzten, Kraniche waren in den Süden geflogen, sie hatten die Närrin auf ihren Wegen in einer Stube sitzen gesehen. Sie war beschäftigt … mit Menschendingen. Schalk hielt sich versteckt.

Es galt die Leere auszuhalten. Die Stille, wieder einmal. Die Kraniche flogen zurück in den Norden, tröten über dem weiten Land und der kleinen Stadt. Sie waren die Vorhut für glöckchenfeines Lachen. Närrin und Narr kehrten zurück. Melancholie und Leere machten ihrem Lachen Platz. Ihm und dem ganzen verrückten Leben!

Man muss sich die Narreteien erlauben! Es ist genügend Ernst, Leid und Schmerz in der Welt. Sie muss man nicht suchen, sie stecken hinter jeder Ecke. Sie können eine Portion Narretei gut gebrauchen, eine Prise Ironie, einen Schalk, einen Narr, eine Närrin.
Ja, Empörung tut Not in dieser Zeit. Mut auch, um hinzuschauen, es auszuhalten und dann auch einmal wegzuschauen und die Welt, Welt sein zu lassen.

Angst hält die Menschen klein und die Welt in Atem. Feinde werden erkoren und immer sind es die anderen, die uns etwas wegnehmen wollen. So wird alles Habenwollen umgekehrt, werden Räume eng. Es ist noch immer genügend Platz für jede und jeden, niemand muss gehen und niemand muss alles mögen, auch ich nicht von mir selbst. Aber ich darf lachen. Auch über diese Welt!

Es wiegt schwer, das Diktat. Es ist die Fessel bei jedem kreativen Akt. Die Närrin verleiht Flügel, Coyote heult sein Mondlied dazu, Schlange häutet sich, Samenkapseln platzen auf, Zitronenfalter fliegen, Kirschbäume blühen, Hummeln brummen, Bienen summen.

0001a ErblühenIn meinem Takt bleiben, ohne zu hasten, ohne Atemlosigkeit, gleichmäßiger Schritt. Die Werkzeuge finden sich ganz von allein. Routine schenkt kreative Räume, lässt Gedanken frei und den Geist tanzen. Freiheit ist kein äußerer Raum. Ich kann mich nur selbst frei geben! Gegen die Angst gesehen zu werden, gegen die Scham vor der eigenen Kleinheit. Gerade das, was wir am meisten zu verbergen suchen, wird von geübten Augen als erstes erkannt. Warum es also überhaupt noch versuchen?

Karl Ove Knausgård lässt Schranken fallen. Er zeigt sich der Welt in seinen Schwächen und Stärken, aber ganz besonders in seinen Schwächen. Er versteckt sich nicht hinter erfundenen Geschichten, bewegt sich innerhalb seiner Wahrnehmungen und Wahrheiten, wohl wissend, dass es seine Erinnerungen sind. Andere, wie seine Mutter, sein Bruder erinnern sich anders, an anderes, auf jeden Fall nicht so … Es bleibt Verwunderung und das sichere Wissen um die eigene Welt, die eigene Wahrnehmung und Empfindung. Doch nach der Lektüre seines vierten Bandes: „Leben“, frage ich mich: will ich all das so genau wissen?

Knausgård hält auch in diesem Band das Tempo und somit eine gewisse Spannung aufrecht, sodass ich immer weiter lesen will und muss. Aber es gibt Längen und eben diese Frage. Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass sich hier etwas trennt. Erschien er mir bis hierher eher als eine Art Bruder, so wird er jetzt zu Karl Ove Knausgård. Einem Mann, der mich an seiner Pubertät, seinem Erwachsenwerden teilhaben lässt. Der sich als ein Kerl zeigt, den ich mit 16, 17, 18 Jahren nicht gemocht hätte. Ob er sich selbst mochte, damals …? Ich glaube nicht, wenn ich ihn richtig gelesen habe. Und genau hier setzt dann auch wieder meine Achtung für sein Werk ein. Es braucht Mut sich zu zeigen. Ganz. Auch auf die Gefahr hin nicht gemocht zu werden. Sich der Welt zuzumuten. Weiter und immer weiter zu gehen, mit seinem Projekt. Seinem Kampf ins Gesicht zu schauen, ihn zu benennen, alles von ihm der Welt zu zeigen, die sich darin wiederfinden kann. Alles, soweit alles eben geht.

Und wieder wirkt die Frage: wie weit bin ich bereit mich zu zeigen? Und wer will das alles wissen? Wenn schreiben ein Muss geworden und geblieben ist, dann muss es sich die Frage gefallen lassen: für wen und wozu. Was ist nur Bedürfnis nach Anerkennung oder nach Erkennung gleicher Geister- wo entsteht Reibung und halte ich diese aus? Was ist, weil es muss und was wird kreiert, was ist immer schon da und will nur hinaus? All die vielen Tierchen, die leisen und lauten, die wilden und zahmen, sie alle wollen das offene Land und die Weite des Himmels. Käfige und Dressuren tun niemanden gut, keinem Tier, keinem Menschen, keinem Kraut. Es wird viel gebogen und verborgen, viel gelogen und verbogen in der Welt und nichts scheint mehr heilig. Aber wenn erst einmal alles profan geworden ist, wie soll es dann noch Staunen und Freude geben? Alles will leben. Ganz. Zu und in seiner Zeit. Alles will voll erblühen,

0001 Erblühenwill sich voll entfalten, will in Freiheit hoch hinauf und tief hinunter, will ausruhen im sicheren Raum, ausatmen und weitergehen.

Sich zeigen, die leere Bucheckernschale ist das Symbol. Weit haben sich ihre stacheligen Flügel geöffnet. Golden leuchtet das Innen.

Sichtbar werden, geschützt bleiben.

001a sichtbar werden, geschützt bleiben

blaue Stunde -17- Schichten

001 schichten

 

Klick gleich gross – heute Morgen im Hochtal

Schicht für Schicht türmt sich der Schnee vom Tag zur Nacht zum nächsten Morgen. Wind bläst Dünenlandschaften, wellt die Hochebene. Eiszapfen wachsen.

Was macht der Fuchs, wenn der Dachs schläft? Was machen die Karpfen im Teich?

Wattebäusche liegen über den Gedanken, nur langsam gleitet der Füller voran. Imbolc- vier Nächte vor Vollmond. Fräulein Smilla wüsste all die verschiedenen Schneeformen der letzten Tage zu benennen. Ich kenne Pulverschnee, damit fing alles an. Und ich kenne verharschten Schnee und Schneegraupel, damit ging es weiter. Mit Schneeregen und Schneematsch hört es wieder auf, irgendwann. Und das kann dauern in diesem Jahr! Fünf Worte für Schnee, aber es gibt so viel mehr Schneekonsistenzen, die in meinen Breiten namenlos bleiben. Fräulein Smilla könnte helfen.

Wir können jetzt Iglus bauen, eine Schneegarage gibt es schon.

002 Schneegarage

 

Wir können Körner für die Vögel streuen und Essensreste in den Hauseinigang stellen. Winzige Pfoten verraten am Morgen den nächtlichen Besucher. Möge er sich satt gefressen haben!

003 spuren

 

Ich bin ein bisschen wie der Igel, die Bärin oder der Dachs, mag meine warme Höhle, labe mich an den gesammelten Vorräten des letzten Jahres, verzehre den Weihnachtsspeck.

Ich träume, erträume mir das kommende Jahr.

Ein bisschen bin ich auch wie Tomte Tummetott. Schleiche durch die Nächte, tröste und flüstere in die Ohren der vom schweren Mut hängenden Köpfe Schneeglöckchenbilder. Und wieder habe ich im Herbst vergessen die Knollen der Märzenbecher in die Erde zu stecken. Schade! Ich flüstere in die Ohren derer, die süchtig nach dem Sehnen was gerade nicht ist sind: es wächst die Vogelmiere weiter unter dem Schnee und in wenigen Wochen läuten die Glöckchen an den südlichen Hauswänden den Frühling ein.

Ich träume. Es ist die Zeit dazu. Erträume mir das Neu. Spüre hin zu den Pfaden, die Vertiefung wollen, lupfe den Deckel des Kessels, den ich zur Wintersonnenwende schloss. Lasse den Duft der Lebenssuppe frei, schmecke ihre Ingredenzien, betrachte die Komposition und beginne zu würzen und zu verfeinern. Zwölf Monde habe ich jetzt Zeit.

Die stille Zeit ist vorbei. Sie war eine Fledermaus in diesem Jahr: husch und weg. Die Unruhe der Welt hat sie mit sich genommen, der Wind blies dazu. Kaum eine Nacht in der er geruht hat. Hier stehen noch alle Bäume.

Es schichten sich die Fragen, wie der Schnee. Bin ich gerüstet für all das, was noch kommen kann? Bin ich nicht manchmal zu sehr Igel, Dachs oder Bärin? Die Freundin sagt, dass niemand wirklich auf die Probleme vorbereitet ist, die es jetzt in der Welt zu lösen gilt. Ich stimme zu und zubbel an der eigenen Nase.

Es schichten sich die Jahre, wie der Schnee auf der Hochebene, nicht alle haben einen Namen.

004 Winterstill

blaue Stunde 16 – Madame Petit-Bleu

eiszeit I

Sowohl-als-auch ist gross, grösser, viel grösser als gedacht, seine Weite und sein Raum lassen sie manchmal ängstlich werden. Entweder-oder bietet Grenzen, scheinbare Sicherheiten, sowohl-als-auch scheinbare Haltlosigkeiten. Es gibt kein Absolutum, auch nicht zwischen diesen beiden, nur jetzt nimmt sich das Sowohl-als-auch seinen Raum.Es hat lange gewartet, hat lange kopfschüttelnd die Sorgenfalten sich vertiefen sehen, bei all dem Entweder-oder.

Unter winterlich klar-blauem Himmel singt die kleine blaue Frau das Lied von sich und den Menschen in der Welt, die tun, was es zu tun gilt und sind, was sie ist. Es ist ein leichter Tanz, wenn sie sich entscheidet. Jeden Morgen neu, jeden Morgen die erneute Einbettung in den Lebensfluss.

Der Bach rauscht bis an ihr Bett heran, Madame Petit-bleu hat Herzklopfen, probiert die roten Schuhe in der warmen Stube, sie träumt Leidenschaft, sie lächelt beim Tanz. Sie denkt an Schneeglöckchen, Märzenbecher und wilden weissen Krokus auf den Bergwiesen.

Langsam kommt das Rad wieder in Schwung. Das Fauchen der Percht ist verstummt, wild war sie in diesen rauhen Nächten, hat Äste von Bäumen geschüttelt, Schnee zu Bergen und Tälern geweht, Schneelawinen rutschten krachend von den Dächern, Krähen krächzten, kein Fuchs in der Nacht.

Die kleine blaue Frau singt wieder, tanzt die ersten kleinen Schritte, spürt die stille, feine Bewegung im Erdenreich. Bach rauscht, es wachsen Eiszapfen über Nacht. Die Puppe im Kokon träumt sich dem Schmetterling entgegen, Mond und Sterne erstrahlen im Winterglanz frostiger Januarnächte.

eiszeit II

blaue Stunde -15- leichtes Gepäck

0150 31.08 14 februar

Der einzig sichere Platz in der Welt liegt in mir, sagte A nach einem Gang- ein Geschenk, als solches hatte sie es gesehen. Die darin versteckte Traurigkeit nahm sich erst während der darauf folgenden Tage Raum. Erneut sah sie A vor sich sitzen, sie staunte über die alte Weise im jungen Körper. Wie schön sie war!

Ein paar Tage zuvor hatte sie noch mit E. darüber gesprochen, dass sie in jungen Jahren nicht gewusst hatten, wie schön sie gewesen waren. Und sind wir es nicht immer noch? Sie hatten gelacht, sie und E. Auch A  wusste nur wenig von ihrer Schönheit, viel mehr wusste sie über die Last auf ihren Schultern, über den viel zu grossen und voll bepackten Rucksack ihres Lebens. Das Gefühl der einschneidenden Riemen hatte sie seit ihrem fünftem Lebensjahr nicht mehr verlassen.

Sie hatte ihr gegenüber gesessen, hatte alle Kanäle geöffnet, hörte, las und spürte A. Sie konnte das Bild von sich selbst von vor fünfunddreissigundmehr Jahren nicht daran hindern sich über A`s zu legen und blieb doch ganz Profi … fragte, schwieg, lauschte, spürte, lenkte, gerade so viel wie notwendig. So blieb das Geschenk eine Freude.

A hatte etwas in ihr berührt, etwas, das sie wohl kannte, dem sie aber nur selten Raum gab. Und wenn, dann setzte er augenblicklich ein, der Sog nach unten, gepaart mit Trotz, dem lautlosen Schrei des Edvard Munchs, all die Vergeblichkeiten, ohne dass ein Trost je etwas davon weggenommen hätte, alles Tun ein Antidot, verzweifelte Schwimmversuche aus dem Strudel heraus.

Wenn Geschichten nicht mehr geteilt werden, nur noch schnell gekochte Mahlzeiten ohne Blickkontakt, dann hört sie die Küchendielen knirschen, wie sie ihre Tore öffnen, für den Taumel in sich selbst zurück.

Es wird Zeit den Rucksack zu leeren, jedem Ding darin eine würdige Grabstätte zu schenken, die Schultern zu salben. Es wird Zeit für das leichte Gepäck!