Zuerst war die Wüste,
dann das Ei.
Die heisse Wüstensonne brütet das Ei. Es wächst, seine Schale bekommt Risse, es verliert seine Kappe. Ein Phoenix ist geboren. Fünfhundert Jahre wird er kreisen. Er wird hier und da eins seiner goldenen Eier verlieren, dann wird er verbrennen.
Willst du wohl sterben, so lerne wohl leben; willst du wohl leben, so lerne wohl sterben.
… Ich sage dir: „Jetzt, wo ich diese Freiheit gekostet habe, habe ich nicht die Absicht, wieder zurückzustecken. Ich werde so weiterleben, als würde ich bald sterben …
aus dem Buch: In unnütz toller Wut von Maarten ‚t Hart
„Spät im Jahr trägt die kleine blaue Frau alte Schichten ab. Sie schreibt ihre Geschichte neu. Alte Häute fallen. Alte Häute, die sie nicht mehr braucht. Sie wirft sie ins Feuer. Neue Häute wachsen, an den Fußsohlen zuerst. Stürme haben Schnee und Frost dem Land gebracht.
Die kleine blaue Frau sitzt am Feuer. Sie lauscht dem vergehenden Jahr.
Sie ist durch das frühe Jahr gelaufen, den heißen Sommer hindurch und durch den bunten Herbst. Sie hat das Meer geträumt und dann die Wüste. In der Wüste lag ein Ei. Es wurde von der Sonne bebrütet. Es wuchs, seine Schale bekam Risse, es verlor seine Kappe. Ein Phoenix wurde geboren. Fünfhundert Jahre wird er kreisen. Er wird hier und da eins seiner goldenen Eier verlieren, dann wird er verbrennen.
Die kleine blaue Frau schreibt ihre Geschichte neu. Allein, ihr Standort ist geblieben. Es brennt ein Feuer durch die Nacht.“
ein Ausschnitt aus der kleinen blauen Frau © Ulli Gau
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