Miniaturen # 3-2017

Zwei Miniaturen

1.

Ich trage das Wasser von unten nach oben in meine Kemenate. Unten ist immer der Brunnen, oben immer die Quelle. In der Mitte dürsten Pflanzen, Tiere und ich.

Trockenheit und Kälte, Eiseskälte, ich sitze im gemachtem Bett. Wolle und Seide halten mich warm, Schuhe für Füße und Hände, ein Schal für Hals und Kopf gehe ich den frostreifen Bäumen entgegen. Sie stehen am Bach, der noch fließt, gehalten von seinen Rändern aus Eis.

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2.

Ich schreibe nicht für den zum O geformtem Mund, nicht für das Schön, nicht für das Hoch. Ich schreibe gegen den Abgrund. Tiefes und Dunkles führt meine Feder, manchmal ein Lachen. Manchmal ist es ein Tanz.

Heilige bröckeln an den Kirchenfassaden. Spanngurte gegen den endgültigen Fall.

Wer erzählt noch die alten Geschichten? Wem? Wer hört zu? Welcher Hans findet wo sein Glück? In Polen werden Gänse gemästet, dort werden noch Kreuze hoch gehalten, gegen den Wind.

Trompeten aus den USA ohne Verkündigung, ohne ein Halleluja. Wo finden Menschen Trost, wo Heimat? Jede und jeder in sich? Die Göttinnen und Götter sind tot.

Diese beiden Bilder hat mir Jürgen aka Buchalov zur Verfügung gestellt. Herzlichen Dank, Jürgen!

41 Gedanken zu „Miniaturen # 3-2017

  1. Und wieder Lyrik vom Feinsten….nein, die Göttinnen sind nicht tot…manchmal suchen sie sich Sprachrohre und finden Sie. Wir müssen nur Hinhören. In diesem Sinne einen mutigen Wochenbeginn wünscht Marie

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    • Wie soll ich das jetzt sagen, liebe Marie … wenn ich in die Welt schaue, dann gibt es eindeutig eine Abkehr von Glauben und Demut, da werden Tugenden verhöhnt und ad absurdum geführt, Kirchen werden geschändet oder in Brand gesetzt (z.B. in Norwegen bei den schönen alten hölzernen Stabskirchen sehr beliebt), ich kenne viele Menschen, die weder an Gott, noch Göttin oder eine sonstwie höhere Macht glauben, die sich den Naturwissenschaften verschrieben haben und für die nur Fakten zählen, all das hinterlässt Spuren in der Welt und ist aus meiner Sicht mit Grund für die zunehmende Verrohung und Gewalt und so ist mein Satz gemeint …
      herzliche Grüsse
      Ulli

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      • Ja, dass alles sehe ich auch und es setzt mir zu, aber dennoch glaube ich unbeirrt, das es wieder ein Umkehren gibt. Vielleicht erleben wir es nicht mehr, aber jede Bewegung hat auch eine Gegenbewegung zur Folge, wie sagte doch Hölderlin „Wo Gefahr ist wächst das Rettende“ ..in diesem Sinne…liebe Grüße von Marie

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        • Da stimme ich dir 100%ig zu – Es gibt Fortschritt, zu ihm gehört auch immer eine gewisse Portion an Rückschritt, bis er dann so richtig greifen kann! Hat mal Alice Schwarzer in einem Interview gesagt, als sie dazu befragt wurde, wie sie sich den Rückwärtsgang in der Emanzipation erklärt … auch wenn sie nicht unbedingt zu meinen Favoritinnen zählt, so fand ich diesen Satz doch merkenswert.
          Herzlichst
          Ulli

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  2. Nein, sind sie nicht. So sehr wie ich sonst auf deiner Seite bin: Nein, sie sind nicht tot. Vielleicht ist in diesen Zeiten ihre Realität schwerer erfahrbar, aber tot? Schau dich doch bei dir und in dir selbst um: tot? Niemals!
    Liebe Grüße
    Christiane, manchmal mutlos

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    • Liebe Christiane, schau doch bitte einmal, was ich gerade Marie geantwortet habe, dann muss ich mich jetzt nicht wiederholen-
      nur soviel: nein, sie sind nicht tot!
      „Manchmal mutlos“, schreibst du, ja, ich auch, nicht immer schaffe ich es mutig zu träumen, Mut zu leben, mutig zu sein, manchmal bin ich ganz verzagt.
      Gerade war ich auf fb und habe ein Interview mit Dunja Hayali und Anja Reschke gelesen, einerseits beängstigend, andererseits fühle ich mich dann nicht mehr allein, wenn ich das mutige Handeln dieser beiden Journalistinnen lese. Es sind diese Menschen, die mich ermutigen weiterzumachen, mehr geht ja eh nicht! Hier der Link: http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/sonntag/dunja-hayali-und-anja-reschke-im-interview-sie-zensieren-nackte-brueste-aber-keine-hakenkreuze/19282264-3.html
      herzliche Grüsse
      Ulli

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      • ich hab das interview eben auch gelesen. Richtig ist manches, zB dass man nicht immer auf das Feld gehen sollte, das die anderen für sich ausgesucht haben, in diesem Fall der Rassismus, sondern sie auf Gebieten aufsuchen sollte, wo sie keinen Heimvorteil haben, zB Wirtschaftspolitik. Es ist wie bei einer Schlacht. Wenn der Gegner sich auf einem Hügel namens Rassismus eingegraben hat, von dem aus er immer wieder Ausfälle macht, sollte man nicht sinnlos dagegen anrennen sondern ihn zB rauslocken oder aushungern. Ganz falsch ist es, bei jeder Gelegenheit Gegendemos zu organisieren..
        Ich erinnere mich an eine Großdemo in Paris gegen den Vietnamkrieg – als ein Beispiel mit umgekehrten politischen Vorzeichen. Wir waren sehr sehr viele und trennten uns deshalb in zwei Demos auf. Der Zug, in dem ich war, traf auf keine Polizei, die Leute winkten von den Balkons, wir riefen unser „Ho Ho Ho chi Min; unterstützt den Vietkong“ und „Leute runter vom Balkon, schließt euch an dem Vietkong“ – bis es uns langweilig wurde und wir nach Haus gingen. Der andere Zug geriet mit Polizeikräften aneinander , es gab heftige Kämpfe, riesengroße Schlagzeilen und die Organisatoren waren mit dem Ergebnis höchst zufrieden. Liebe Grüße. Gerda

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        • Liebe Gerda, das wird ja schon lange diskutiert, ob wir, wenn wir dagegen demonstrieren, unseren Unmut hier und da kundtun, damit nicht erstrecht denen einen Boden geben, den wir ihnen lieber entziehen sollten. Ich bin da ehrlich gesagt etwas zerrissen, einerseits finde ich es wichtig Farbe zu bekennen, was in D heisst, bunt zu sein und bunt bleiben zu wollen, wie das Motto lautet und lautete, z.B. am Samstag, als sich in Koblenz le Pen, Petry und dieser Holländer, dessen Namen ich immer wieder vergesse, trafen- ich finde schon, dass sie wissen sollen, dass ihre Politik und ihre Machenschaften nicht bei allen willkommen sind. Auf die Form kommt es an- ja. Bald erscheint hier mein Artikel W=Widerstand, da sage ich dann noch ein bisschen mehr dazu.
          Hier höre ich auf, weil es ja egentlich um meine Miniaturen geht und nicht um den Widerstand 😉 – wobei das eine das andere auch nicht vollkommen ausschliesst.
          Verbundene Grüsse
          Ulli

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  3. Bei dir lese ich, was ich derzeit so schwer in Worte fassen kann. Seit Tagen verschlägt es mir die Schreib-Sprache – zu Kommentaren gereicht es noch, eigene Texte tun sich schwer. Der Mut tut sich schwer angesichts all der Zumutungen. Danke für’s Mutmachen.

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    • Bei allem was uns gerade an stimmungsmachenden Nachrichten erreicht müssen wir bei uns selbst bleiben und nicht auf jeden Zug aufspringen, der gerade in unsere Bahnhöfe fährt. Zugegeben, ich hänge mehr als sonst am Radio und will auch meine Beunruhigung nicht verschweigen, gleichzeitig aber sorge ich für Ausgleich, gehe raus, erfreue mich an der Schönheit der Welt und lese Erfreuliches, Mutmachendes, manches schalte ich ab und aus, sonst werd ich noch mutlos und das geht gar nicht. Nur mit dem Humor tue ich mich gerade etwas schwer, und mit meinem Tanzschritt auch.
      Liebe Silke, wir können Zurzeit nur beobachten, wählen gehen und hier und da schreiben, Bilder machen oder was immer die Mittel einer jeden ist …
      ich sende dir Herzensgrüsse vom blauen Berg
      Ulli

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  4. Nun zu deiner Miniatur.
    Du schreibst über das Wasser – Brunnen und Quelle, hinuntersteigen und hinaufschaffen, du schreibst und zeigst auch ein Bild von einem Bach, der „noch fließt, gehalten von seinen Rändern aus Eis“. Und wie du der Kälte standhältst mit Hilfe der großen Gaben der Natur und der Mitmenschen – Wolle und Seide. Wie mit dem Oben – Quelle – und dem Unten – Brunnen -, zwischen dem du als Mensch vermittelst, so auch schaffst du ein Bild des Kontrastes zwischen dem Fließenden und dem Vereisten, und du dazwischen, voll Sympathie für die „frostreifen Bäume“; denen du entgegen gehst. „Gehalten“ wird das Fließende vom Festen, Erstarrten, aber auch bedroht, im „noch“ – und so entsteht ein Bild des verwundbaren Gleichgewichts, das du in deinem wunderbaren Foto einfängst.
    Du schreibst gegen den Abgrund – manchmal mit Lachen und Tanz -. Warte doch nur, der Bach wird wieder fließen, und nicht Eisenkälte wird ihn halten, sondern sein weiches, fruchtbares Ufer. Und dein Mund wird sich formen zu einem großen, staunenden O, wieder und wieder. Und du wirst, wenn du das erste Schneeglöckchen siehst, tanzen und lachen und schreien SCHÖÖÖÖN.
    Danke für deine inspirierte Miniatur, und Liebe Grüße dir! Gerda

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  5. Singend und klingend ist Deine Winterpoesie, liebe Ulli
    Dein Bild zeigt die winterliche Schönheit, eine Reinheit, die noch keine Schäden davongetragen hat.
    Der über Nacht gefallene Schnee liegt locker. Fleißige Flocken bauten die hohe Schneedecke auf.
    Ich meine, sogar das Fließen noch zu sehen oder bilde ich es mir nur ein?

    Ich glaube auch nicht an den Tod der Göttin, nur an ihre große Vorsicht, an ihr Vorausschauen. Manchmal kommt eine Zeit des Stilleseins, doch sie wird vorübergehen. wir brauchen Geduld

    Liebe Grüße zum Abend von Bruni

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    • Liebe Bruni, nein, das bildest du dir nicht ein, sowohl neben dem Eis, wie auch unter dem Eis floss das Wasser. Allerdings hat das schöne Wetter der letzten Monate hier auch einen Nachteil, die Flüsse führen extrem wenig Wasser, sodass sie teilweise auf der Oberfläche gefroren sind, das habe ich noch nie gesehen. Es gibt schon Dörfer im Hochschwarzwald, deren Grundwasserspiegel derartig niedrig ist, dass erstens die Wasserpreise erhöht werden sollen und zweitens manche Gemeinden auf Wasser von anderen angewiesen ist- heftig, oder?
      Zu Gott und Göttin habe ich mich ja im Kommentarstrang schon geäussert, ich glaube du hast es gelsen, nicht wahr? Wie auch immer noch, es wäre vielleicht stimmiger gewesen, wenn ich geschrieben hätte, dass die alten Göttinnen und Götter tot sind, egal woran ich sonst noch so glaube oder auch nicht.
      herzlichste Abendgrüsse von mir an dich
      Ulli

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    • hab ichs mir doch gedacht 🙂
      naja, der Hochschwarzwald leidet ja schon länger am Wassermangel, das wird so schnell nix werden… du weisst ja, das Wasser fliesst immer die Berge runter- aber selbst am Rhein fahren gerade einige Fähren nicht wegen Niedrigwasser!
      dir einen feinen Abend
      Ulli

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    • stimmt, liebe Bruni, in dem Ausmass weiss ich es auch erst seit einer Woche, andererseits sieht hier ja der Wald schon seit einiger Zeit sehr traurig aus- aber Kilmawechsel gibt es ja nicht 😦

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