blaue Stunde 9. Teil, die kleine Stadt

Vor zwei Jahren zog sie in die kleine Stadt, in ein Häuschen. Am Fluss hat es auf sie gewartet. Seine Leerheit füllte sie, seine Wände tünchte sie, die Türrahmen blau. Darüber freute sich der Maler und mischte neue Farben. Mehr und mehr kamen hinzu. Farben und Kleckse, Linien auch, Gesichter und so, Stromschnellen und Stolpersteine. Aber darüber regt sich hier niemand auf. Kein Geschrei, kein Mordrio.
Reges Treiben während der Allwochentage, Stille am Abend … pssst … es wird geschrieben, gemalt, kreiert, sinniert und komponiert in der kleinen Stadt. Einen gibts, der trifft stets den richtigen Ton. Das freut die Tänzerin.
Weite Herzen, große Schritte, Denkwellen und Gedankenkarussels, Kinder plündern ihre Spardosen: Einmal Schiffschaukel, bitteschön.
Es trifft sich. Es geht vorüber. Freundliches winken und der Kaffee ist vorzüglich. Hinein, verweilen, hinaus in die Welt. Die Bewegung bestimmt die Mitte, nicht das Stillesitzen. In der Stille sitzen schon. Philosophierstündchen mit und ohne Kamin, aber mit Tanten, dann und wann. Große Mütter und Väter sitzen neben zornig jungen Erwachsenen. Das geht!
Und Kinder spielen am Ufer. Sie spielen Schiff oder Kieselstein, spielen Worte und singen dazu. Die Akkordeonspielerin trägt ihre Vogelmaske am Kai spazieren. Rabe keckert frech, der Schelm! Und fliegt zum Fest mit Huhn in Tüll, unter rot samtigen Hut. Vorsicht bei der Anfahrt! Verirrte Eisberge … Wie gut, dass es die Igel gibt! Das findet auch die Märchenerzählerin, nimmt den Hasen bei den Ohren, das Gewehr schüttelt sich von selbst heraus. Plumps, keine Falle, kein Fall, weg. Kein Kommissar, kein Kaplan, kein Polizist. Sowas soll es geben! Aber viel Mond, viel Sonne, viele Blumen und Falterchen, Krabblerchen, Vögel, Vögelchen und vögeln, dass das Weit eine Freude hat, der Rost erblüht. In der kleinen Stadt.

Mondfalterbach … aber ja, er fließt mit dem Strom zum Groß und Wildgänse rauschen durch die Nacht, Sätze finden. Sterne in Türen geschnitzt, gemalt, gesprüht, an den Himmel geblinkt, flinke Nadeln stechen bunte Bilder fürs Schön, Papierschiffchen legt am Ufer an. Wie gut, dass es die Möwenstege gibt! August hat die Wegweiser aufgestellt. Seine Schuhe wissen wann sie sich kreuzen müssen. Das hat ihnen die Wortemalerin in die Sohlen gewebt und die Fotografin auf Digital gebrannt.
Meer rauscht, leise trommelt das Fern. Weite Reisen, große Seen, schwarzweiße Bäume in Grün, Straßenbahnklingeln, so vertraut. Dampfer tuten das tiefe A in Moll.

Auf Wiedersehen, kleine Stadt …

13 Gedanken zu „blaue Stunde 9. Teil, die kleine Stadt

  1. das tiefe A, und noch dazu in Moll, ist ein wunderbarer Ton 🙂 – ein durch und durch blauer … ich nehme ihn mit aus dieser schönen Geschichte, in der ich mit zu Hause gefühlt habe … und jetzt klingt er mir durch einen hier ziemlich grau-nebligen Tag

    hach – schön 🙂
    liebe Grüße,
    Tabea

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    • Liebe Tabea, herzlich Willkommen auf meinem Blog, stimmt, das tiefe A in Moll ist ein durch und durch blauer, das hast du schön gesagt. Manche Menschen hören ja Töne und sehen dabei Farben, das habe ich noch selten erlebt, noch ausprobiert. Ich freue mich, wenn ich dir den grauen Tag etwas bunt anstreichen durfte.

      herzliche Grüße
      Frau Blau

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  2. hihi, einzelne töne in moll, also das geht glaubs nicht 🙂 töne sind in sich absolut. erst im verhältnis zum rest sind sie moll oder dur … oder liege ich da falsch?

    ansonsten: schöööön 🙂
    herzlich, soso

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    • liebste Soso, Töne in moll, sind Töne in Moll, wie andere in Dur, das Verhältnis dabei ist vollkommen egal. Ich habe nicht sehr viel Ahnung von Musiktheorie, aber soviel weiß ich, es sind zwei unterschiedliche Klangfarben, vielleicht vergleichbar mit rosa und pink.

      hast du dich im Text gefunden?
      liebgrüß

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      • sorry, dass ich dir hier widersprechen muss. ein einzelner ton ist in sich per definition absolut. nur in zusammenhang mit anderen tönen ist er moll oder dur. die tonleiter machts (http://de.wikipedia.org/wiki/Moll)
        ein eingestrichenes a ist ein definierter, messbarer klang (mit 440 megahertz oder so?), wenn ich mich richtig erinnere.
        aber natürlich gibt es a-moll – (und a-dur ebenso), was aber immer die umfassende tonleiter mit ihrer ganz bestimmten tonfolge mit genau definierten ganz- und halbtonschritten meint. http://de.wikipedia.org/wiki/A-Moll
        weil ich eben ein wenig ahnung von musiktheorie habe, muss ich das hier einfach noch anmerken.
        ansonsten ist es ja für den text nicht so relevant … das bild zählt …

        oh, mein text und ich – wir suchen uns, ob wir uns finden, kann ich ich noch nicht genau sagen.
        hm … vielleicht will er sich nicht finden lassen? wir ringen, aber ohne zu kämpfen. oder nur ich – mit mir?

        liebgrüß herzlich
        soso

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        • okay, ich dachte dabei natürlich an die moll-tonleitern und die dur-tonleitern … danke, jetzt weiß ich wieder mehr und ich lerne ja gerne 😉

          mit dem text war es anders gemeint, aber dazu gibts noch ne mail, ob heute noch weiß ich nicht, weil ich sooo müde bin!
          herzliche Grüße und einen Knuddler obendrauf U.

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    • das freut mich, liebe mb, auch wirklich sehr – magst du mehr sagen? manchmal bin ich doch neugierig was wer assoziiert, was anklingt, nachschwingt und … aber klar, nur wenn du wirklich magst

      herzlichst zurück
      Frau Blau

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  3. NovemberGrau, eine kleine Stadt, sehr idyllisch, filigranes Fachwerk, beherzte Einwohner, die keck andern Leuten Sterne an die Haustür ritzen oder malen. NovemberKalt, möchte ich da leben? Ich gehe lieber weg, schaue von ferne, vom HausBerg des Städtchens auf das bunte Treiben unten im Tal, auf die brennenden Papierschiffchen in der Dunkelheit…

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  4. ….höre den langgestreckten SirenenTon, 440Hz, ist es das C oder das A? Es ist ein Ruf, ein Schrei, ist es schon Musik, vom Cello? aus dem Shofar? Das dünne Licht verschwindet im dichten Nebel. Der Ton steht noch lange über der kleinen, idyllischen Stadt.
    Ein wunderbarer Text, liebe Frau Blau, so viele Facetten in diesen gewählten Worten in mehreren horizontalen Ebenen und vertikalen Haltestangen und Seilen. Ich bin gerne darin herumgestiegen.
    Ganz liebe Grüße vom ollen grauen Wolf aus dem pommerschen PlattLand

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