Und wie ich den gekrönten Dompfaff anschaue, der kein Zaunkönig ist, dafür ist er zu groß und auch zu rot am Hals. Der auch kein Rotkehlchen ist, dazu ist er zu rund und auch zu groß und kann somit nur ein Dompfaff sein, da denke ich an König Drosselbart. Ach, lieber nicht! Lieber pfeiffe ich auf Dom und Pfaffen, ziehe Hütchen und grüße Sie. Sie, meinen lieben Kleinen König Kalle Wirsch. (Kleine Verbeugung und ein noch kleinerer Kratzfuß.)
„Verzeihung … kennen wir uns?“
„Nun ja, nicht wirklich, aber …“
„Papperlapp. Aber und nicht wirklich, was soll das denn heißen?“
Unwirsch kann ein Kleiner König Kalle Wirsch werden, wenn man nur so ungefähr bleibt. Ich räuspere mich, suche die rechte Rede. Blitzschnell. Weil so ein König, ob groß oder klein, ob Kalle Wirsch oder ein anderer, ja nicht ewig Zeit hat, ich sage schnell:
„Ich habe viel von Ihnen gehört.“ Er richtet sich auf. Er schaut mich an. Ich scheine die rechte Rede gefunden zu haben. Welcher König mag keine Schmeichelworte! Flugs spreche ich weiter:
„Von Ihnen und Ihren Blechtrommlern … und da dachte ich (Vorsicht, Glatteis!), ob Sie und Ihre famosen Blechtrommler nicht einmal feste trommeln und brüllen könnten, so statt meiner, und weil meine Stimme wenig wiegt in der Welt und weil es den Königinnen und Königen, den Ministerinnen und Ministern in der Welt doch einmal in den Ohren klingeln muss, dass das kleine Volk den Frieden will in der Welt.“
Ich hole Luft und schaue in die weit aufgerissenen Augen vom Kleinen König Kalle Wirsch. Etikette? Vergessen. Er zieht und zubbelt an seinen Fäden und schon geht es los: der Kleine König Kalle Wirsch brüllt, wie noch nie jemals jemand gebrüllt hat:
„STOPP!“ Und wild trommeln die Blechtrommler dazu.
Dann kommt John, er trägt Ohrstöpsel und ist sehr blass. Er stammelt:
„Ich muss dir etwas sagen …“
„Ja?“
„Du hast es geschafft! Na ja, vielleicht nicht du selbst, aber der Kleine König und seine Blechtrommler. Da draußen trommeln sie auf zwerchige Felle und allen klingeln die Ohren, nur die Kinder tanzen, die Tiere kommen aus dem Wald, die Erwachsenen verstecken sich, das kleine Volk ist wieder erwacht.“
Da erwache auch ich. Der Dompfaff wird immer noch vom Bläuling umtanzt, die Glockenblume läutet noch immer ihr Blau, niemand trommelt, niemand brüllt. Nur ich auf meine Brust, John nickt:
„Darling, es wird Zeit!“ Wir trinken noch einen Kaffee und dann gehen wir zum Bahnhof.
Anmerkungen:
nach einer Inspiration von Jutta Reichelt und ihrem Geschichtengenerator
den Dompfaff habe ich abfotografiert – © Daniela Drescher – Grätz Verlag
Das Bild: Der Kleine König Kalle Wirsch © hr-online.de – herzlichen Dank
Klasse das!
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Danke dir 🙂
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Oh, man merkt Ihrem Text an, dass der Frühling auf uns zukommt – schööön ~~~
Morgendlichschöne Grüsse aus dem sonnigen Bembelland
Herr Ärmel
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Oh ja, lieber Herr Ärmel, die Vögel habe ihre Singpause beendet und wie es wieder tropft und fliesst und wie die Sonne so schön scheint vom Himmelblau, da kommt doch gleich ein Schwung in die Tippfinger und so 😉
herzliche Grüsse (nun wissen Sie ja schon, wie das Wetter hier ist – grins)
Ulli
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ob er nicht vielleicht doch brüllt und trommelt? ich denke, ich kann ihn hören und habe hoffnung, dass er lauter wird.
wunderbar! ❤
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Hoffnung ist der beste Motor, nicht wahr, liebe Kerstin 😉
liebgrüss vom blauen Berg
Ulli
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so ist es! 🙂
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das mit dem Trommelfell gefällt mir am besten. Und dann natürlich, dass du dir deinen Kummer und deine Wut ein bisschen von der Seele schaffst. Liebe Grüße! Gerda
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Danke Gerda …
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Liebe Ulli, das wäre auch „einfach so“ eine schöne Geschichte – aber in diesen Tagen, in denen wir lautstarke Ermutigung so nötig brauchen, wie wenig anderes, ist sie natürlich doppelt schön! Ich habe sie sehr gerne gelesen und grüße dich herzlich!
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Freut mich zu lesen, liebe Jutta, kannst du dir denken, nicht wahr?! ich hatte eigentlich keine „Johngeschichte“ geplant, diese plumpste gestern Nachmittag einfach aus mir raus, als ich oben in meiner Kemenate sass und wirklich diese kleine, süsse Dompfaffkarte anschaute … ausserdem haben mir gestern eure vielen Kommentare sehr gut getan, da habe ich den Kopf wieder aus dem Sand genommen ;o)
herzliche Abendgrüsse vom mondbeschienen schneeglitzerndem Berg
Ulli
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So fügt sich manchmal eins zum anderen 😉 Beste Grüße!
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Ohhhhh….liebe Ulli……das ist aber eine entzückende Geschichte!!!! ❤ ❤
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die Kinderbuchliebhaberin verschafft sich dann doch noch ab und an Gehör, schön, wenn sie auf offene Ohren stösst 🙂 ❤
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Das ist wirklich allerliebst…soooo schön! Bei uns pfeifen auch schon die Vögel alles Mögliche vom Dach! Liebe Grüsse
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ich freue mich, danke, du Liebe 🙂
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Der kleine König Kalle Wirsch! Nun aber Kristall wachsen lassen!
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🙂
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