Etüde 001 2019

Neues Jahr, neues Etüdenglück, zu denen auch in diesem Jahr wieder Christiane einlädt. Von ihr stammt auch diese wunderbare Gestaltung.

Dieses Mal hat die 3 Begriffe Ludwig Zeidler gespendet, der einst die abcEtüden ins Leben gerufen hat.

Herzlichen Dank und herzliche Grüße an euch beide!


Manni hat heute ein besonderes Glück, ein Abfallglück.

Heute arbeitet wieder Yussuf im Supermarkt und der weigert sich heimlich, still und leise am Abend den Müllcontainer mit einer Eisenkette und einem Vorhängeschloss zu sichern. Er tut nur so als ob. Und das weiß Manni. Und Yussuf weiß, dass Manni weiß. Und das ist gut so. Gut für Manni und für einige andere, die sich aus diesem Container Yoghurt, Milch, Quark und ähnliches fischen, das dem Verfallsdatum zum Opfer gefallen ist.

Verfallsdatum! Was kümmert das Manni? Es kümmert ihn auch nicht, dass der Paragraph „Mundraub“ schon vor vielen Jahren abgeschafft worden ist. Lieber Nahrungsmittel auf den Müll, anstatt zu verschenken? Das hat nichts mit schuldig oder unschuldig zu tun!

War Manni Schuld daran, dass er erst arbeitslos und später dann auch wohnungslos wurde? Schuld daran, dass er den Druck und das ewige Gerenne nicht mehr ausgehalten hat? Alle haben doch getrunken oder Pillen genommen oder Kette geraucht, um mithalten zu können! Dann verlor er das Maß. Was langsam begonnen hatte, endete im Desaster.

Es ist besser geworden. Mittlerweile schreibt er für die Straßengazette  kleine Artikel, verdient sich ein minikleines Zubrot zu seiner Stütze durch ihren Straßenverkauf dazu, gehört zu einer Gruppe, hat jetzt wieder ein Dach über dem Kopf und hat es geschafft dem Alk zu widerstehen. Zwei Jahre schon. Jetzt. Jetzt hat Manni wieder Pläne und heute ein besonderes Glück, ein Abfallglück. Danke Yussuf!

235 Wörter



P.S. gerade fand ich bei Ralpf Butler einen Beitrag zu Lebensmittelverschwendung, der Link ist wegen seiner Überschrift etwas irreführend, führt aber zu eben benanntem Artikel und weiter … → https://daoweg.wordpress.com/2019/01/09/akupunktur-kleine-nadeln-gegen-grosse-krankheiten/

32 Gedanken zu „Etüde 001 2019

  1. Es gibt überall Menschen mit Herz. Und, in diesem Fall, auch mit Verstand. Warum sollen (fast) abgelaufene Lebensmittel nicht denen umsonst zur Verfügung stehen, die sie wirklich brauchen? Es gibt mehr Armut in Deutschland, als die meisten sehen wollen, und dadurch würde sie sichtbarer.
    Liebe Grüße
    Christiane

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    • Das M i n d e s t haltbarkeitsdatum, wie es ja an sich heißt, ist eh etwas was mich als ehemalige Ladnerin immer mal wieder auf die Palme bringt, da muss man z.B. Getreide mit einem solchen für ein halbes Jahr versehen, obwohl es jahrelang haltbar ist, sofern keine Tierchen in ihm wohnen, und viele denken ja noch immer, dass eben auch andere Pordukte dann schlecht wären, nur weil ein Datum darauf steht, wir hatten immer eine Kiste im Laden stehen für die, die keine Kohle hatten und am WE kam das Ganze vor die Türe, stand dort nie lange.
      Das andere ist, dass diese Geschichte halbwahr ist, ich kannte Einen, der immer am Abend in den Hinterhof eines Supermarkts ging, um aus eben solch einem Container Lebensmittel zu fischen. Eines Abends kam er und konnte es nicht fassen, der Container war mit Kette und Vorhängeschloss unzugänglich gemacht worden, da hätte es eines Yussufs bedurft.
      Dann kamen die Tafeln und was für ein Gewese um sie gemacht wird, konnten wir ja im letzten Jahr lesen.
      Aber eben … es gibt immer und überall Menschen mit Herz und dass es hier ein „Yussuf“ ist, war mir wichtig, er hätte ja auch Hans oder Gretel heißen können …
      herzliche Grüße
      Ulli

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      • Es gibt immer mehr Yussufs. Hier ist es vielleicht auch mal angebracht, dass der Islam fordert („fordert“ so weit ich weiß), einen Prozentsatz seines Einkommens Bedürftigen zu geben. Es gehen viele mit offenen Augen (und Herzen) durch die Welt.
        Mindesthaltbarkeitsdatum: Ich rege mich darüber auch immer auf, dass SO VIELE ein „best before“ mit „sofort tödlich ab“ gleichsetzen. Man bekommt es anscheinend aus den Köpfen nicht raus. Gerade bei Milchprodukten übrigens, was ich für völligen Schwachsinn halte, denn ich esse prinzipiell alles, was über das MHD ist und in meinem Kühlschrank darüber geraten ist. Ich habe mir noch nie was dabei geholt.
        Herzlich zurück, du sprichst mir so aus der Seele
        Christiane

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        • Das wäre doch einmal ein wirklich guter Ansatz ein Prozent des Einkommens abzugeben, vor allen Dingen wenn ich an die richtig Fettverdienenden denke. Das wäre eine Soliabgabe unter anderen Vorzeichen!
          Ich hatte auch noch nie eine LM-Vergiftung, aber ich bin schon oft vor Mauern in Köpfen gerannt, wenn ich das Thema MHD angeschnitten habe, schon seltsam!
          Danke dir, liebe Christiane, fürs Seelenmitschwingen 🙂
          herzlichst, Ulli

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        • Ich auch, liebe Christiane , und ich hatte noch nie was. Nur vor Jahren gab es mal einen sehr unangenehmen Zwischenfall – aber nur für mich. Bei sehr kalten Frühjahrstemperaturen waren wir auf dem Segelboot und bekamen Hunger. Mir wurde eine Büchse gereicht, die ich öffnete. Der gesamte Inhalt schoss heraus und auf meinen Kopf. Ich stank wie ein Wiedehopf – und mir blieb nichts anderes übrig als sofort in den See zu tauchen und die Haare zu waschen. – Und alle anderen haben gelacht, diese Popolöcher.

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  2. eine schöne Etüde, gewiss, aber für meinen Geschmack etwas zu vorhersehbar. Die Wörter führen fast automatisch zum Müllcontainer und ins Obdachlosenmilieu.Dass dein Manni es geschafft hat, ist die einzige Überraschung. Möge es mit ihm gut gehen!

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    • Darum ging es mir, Gerda, dass es eben auch Obdachlose gibt, die es schaffen sich wieder ein neues Leben aufzubauen, mal abgesehen von Mindesthaltbarkeitdaten und verschlossenen Lebensmittelcontainern, dazu schrieb ich schon einiges an Christiane weiter oben. Viele denken ja, einmal durch die Maschen gefallen, für immer gefallen, dass dies nicht so ist wollte ich darstellen. Und ja, ich kenne so einen Manni, man sieht ihm die harte Zeit an, die er hinter sich hat, und ja, er verkauft eben diese Zeitung vor einem der hiesigen Supermärkte, ich halte immer mal wieder einen Plausch mit ihm.
      Herzlichst, Ulli

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    • Danke Klaus. Genieße den Winter, so du kannst. Hier schneit es seit dieser Nacht ohne Unterlass, ich muss gleich mal raus zum schippen, freue mich aber drauf 🙂
      herzliche Grüße
      Ulli

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  3. Es ist so schön, wenn Leute mitdenken und auch an andere denken, ohne sich stoisch an Vorschriften zu halten. – Ich hatte mal eine Kollegin, Frau eines bedeutenden DDR-Schriftstellers – ganz klein und zart. Sie musste bei den vielen Gästen, die ihr Mann immer hatte, mittrinken und wurde zur Alkoholikerin. – Den letzten Entzug hat sie dann wirklich geschafft und blieb trocken. – So nah wie damals ist mir Alkoholismus als Krankheit nie mehr wieder gekommen. – Doch viele akzeptieren es ja nicht als Krankheit und verachten diese Menschen.
    Lieben Gruß von Clara

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  4. Sie spricht mir aus dem Herzen, Deine Etüde, liebe Ulli! Das Vorhersehbare ist i.O., denn der Zweck heiligt die Mittel.
    Inzwischen gibt es einiges mit fast oder gerade abgelaufenem MHD stark reduziert zu kaufen und ich nutze es immer, wenn ich für mich Brauchbares darin finde.
    Ich weiß, wie schnell es gehen kann, daß jemand auf der Straße landet und Hunger sollte es in einem Land wie unserem nicht gehen. Also plädiere ich für offene Container und weite Herzen. Das ist doch das wenigste, was wir tun können.
    Liebe Grüße in die Nacht von Bruni an Dich

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  5. Pingback: Schreibeinladung für die Textwochen 04.05.19 | Wortspende von Myriade | Irgendwas ist immer

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