Kurze Zeilen – 7 –

0072 10.02.16 zu kurzen texten pottwal

Ich bin die Tochter, ich bin die Mutter, Väter kommen kaum vor. Der Junge fand den Spiegel nicht. Das ist eins. Und anderes. Es ist.

Ich stehe am Meer, Pottwal reißt sein Maul auf: „Komm! Komm, tritt ein!“  Groß und weit ist der Raum. Ich bin klein, Pottwal ist groß. Ich gehe tiefer. Es wird dunkler, es wird enger, es wird ängstlich.

„Dreh dich doch um!“ Ich drehe mich um und sehe den Glanz der Welt, die ganze Pracht.

„Dreh dich doch um!“, sagt die Mutter.

„Please hold the line.“


Anmerkung:

Pottwal © spektrum.de – herzlichen Dank

25 Gedanken zu „Kurze Zeilen – 7 –

  1. Hold the line, love isn’t always on time. Der Refrain eines alten Titels von ? fällt mir gerade ein. Und der Reim eines Kinderkreisspieles. Dreht euch nicht um, der Plumssack geht um, und wer sich umsieht, bekommt einen Hieb. Ich denke an Lots Frau, die zur Salzsäule erstarrte als sie sich umdrehte und an seine beiden Töchter, die ihm Wein gaben um sich unerkannt zu ihm zu legen und seinen Samen aufnahmen. Väter und Töchter. Auch ein Kapitel für sich. Umdrehen. Zurückblicken? Zurückgehen? Ein Akt des Innehaltens? Reflektieren? Neu ausrichten? Sich wieder erden?
    So viele Gedanken schenkst du mir heute Morgen wieder. Danke!
    Herzliche Grüße,
    Elvira

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    • Gerne folge ich deinen Gedankenblitzen, liebe Elvira … ich bin verblüfft! Umdrehen, die Richtung wechseln, den Ort der Angst verlassen, sich der ganzen Pracht zuwenden …
      Väter und Töchter, Väter und Söhne und immer wieder die nicht anwesenden Väter …
      das ist mein Hintergrund
      liebe Grüsse
      Ulli

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  2. Umdrehen – wie der Mann der sich um die Plakatsäule herum tastet und murmelt: „Scheiße – eingemauert!“ und jemand ruft „umdrehen….“ – in die andere Richtung schauen……! LG T.

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  3. Liebe Ulli,
    Jona und der Wal kommen mir in den Sinn. Im Moment machen mich Walgeschichten traurig. In diesem Winter sind 25 Pottwale in der Nordsee gestrandet und verendet. Ich war versucht dorthin zu fahren um es zu sehen und den Tieren nahe zu sein.
    Deine Geschichte ist schön, ich kann sie mir vorstellen.
    Liebe Grüsse – Uta

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    • Liebe Uta, das habe ich nicht mitbekommen, herrjeh …
      ich weiss nicht, ob ich den Anblick ausgehalten hätte! Meine Pottwalgeschichte hat allerdings auch einen traurigen Hintergrund, obwohl sie gut ausging, erst einmal … und für mich.
      Herzliche Grüsse
      Ulli

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    • 🙂 das macht der Pottwal, nicht wahr, dabei war es eine Geschichte auf einer meiner „Reisen“, die ich einmal erlebte, aber weiss schon genau, was noch alles in den Zellen wohnt, dass unser Bewusstsein längst vergessen hat und doch noch wirkt …
      ich winke dir zu, von Berg zu Berg
      Ulli

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  4. Ein dichter Text mit viel Raum dazwischen, sagt Maren. Ja, und jedes Wort mit dem Raum drumrum fordert auf zu Assoziationen. Mir kommt bei „Umdrehen“ Orpheus in den Sinn, der sich nach der Geliebten umdreht, die hinter ihm aus dem Hades steigt, und sie dadurch endgültig an den Tod verliert.
    In deinem Text ist es gerade umgekehrt. Auch dies ein Archetyp.
    Dass die Mutter sagt: Dreh dich um! finde ich großartig. Der Wal ist ja der dunkle mütterliche Leib, aus dem wir geboren wurden und in den wir in Zeiten der Lebenskrise gern zurückfliehen möchten. „Dreh dich um!“ ruft die Mutter. Schau ins Licht! Nimm deine Geburt, dein Leben an! Aber sie stößt das Kind nicht hinaus. Hold the line – die Nabelschnur darf noch ein Weilchen Sicherheit spenden, bis das Kind sich traut.
    Dort draußen, im Licht, hätte es gern die haltende warme Hand des Vaters, seine geistige Führung. Doch wo ist er? Das Kind ängstigt sich und flieht erneut zur Mutter, hinab in ihren dunklen Schoß.

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    • Als alleinerziehende Mutter fühlte ich mich zweitweise mehrfach: Mutter und Vater, Tante und Onkel, Oma und Opa in einem … was natürlich nur ansatzweise gelingen konnte, im Vordergrund stand und steht die Mutter, die ich war und bin- du hast den Hintergrund meiner Geschichte herausgelesen, liebe Gerda- Anfang des Jahres hatte mein Sohn eine tiefe Krise, ich rief ihm innerlich zu: dreh dich um, er lebte drei Monate bei seinem Vater und kam gestärkt zurück. Er hat sich noch einmal ehrlich gerieben, kann nun besser sehen was und wer sein Vater für ihn ist und was nicht, Nebelschleier rissen, sein Weg ist lichter geworden!

      Und ich erinnere mich gerne an meine spezielle Reise zum Pottwal und seinem weisen Rat, der so simpel erscheint, dass man glauben möchte, das kann es doch nicht sein, aber genau das ist es doch oft: die simplen Wahrheiten, die uns Grosses schenken.

      hab ein schönes Wochenende und gute Reise!
      herzliche Grüsse Ulli

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  5. „ich hatte noch ein Sätzchen geschrieben, das ich herausstrich, weil es mir zu direkt vorkam und ich annahm, dass du…“ (soweit konnte ich den Kommentar in meiner Mailbox lesen. Bei dir ist er weg. Er ging dann weiter) … „eigene Kindheitserfahrungen darin verarbeitest und er mir zu direkt war. Nun aber, da ich lese, dass du von dir als Mutter sprichst, kann ich ihn wieder hinschreiben: Das ist wahre Mutterliebe.“
    Ob der Kommentar diesmal bei der Zensur durchgeht? Ich bin gespannt.

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