In 81 Tagen noch nicht ganz ums Meer…

Irgendlinks Reise ums Meer und meine Erinnerungen…

Weit ist er schon gekommen, der Jürgen Irgendlink, alias Jürgen Rinck aus Zweibrücken. Er startete im April in seiner Heimatstadt Zweibrücken, fuhr ein Stück durch Frankreich, setzte nach England über. Radelte die englisch/schottische Küste entlang und das bei wahrlich typisch englischem Wetter und flog dann von den Shetlands hinüber nach Norwegen. Aber auch das ist schon Vergangenheit. Heute las ich nach meiner Pause, dass er zwischenzeitlich schon ein Stück dem Nordseeradelweg durch Schweden gefolgt, und mittlerweile auf der nördlichen Spitze Dänemarks, in Skagen, angekommen ist.

(Wer die ganze Reise lesen und die dazugehörigen Bilder anschauen möchte, klicke doch bitte hier www.irgendlink.de und ja, auch Spenden sind immer noch willkommen!!!)

Der ersten Etappe folgte ich Irgendlink vollkommen unbeleckt. Die Strecke durch Frankreich habe ich noch nicht bereist und England ist mir unbekannt, wenn ich einmal von einem Kurzbesuch in Newcastle/Southshields absehe. Schottland, die Shetlands… haben mich neugierig gemacht, wie auch Klaus Bernd (http://kbvollmarblog.wordpress.com/), der ebenfalls viel Beschauliches aus seinem Wohnort Norfolk an der Ostküste Englands zu berichten hat! England ist also auch eine Reise wert, zwei, drei… vielleicht.

Nun aber war Irgendlink von den Shetlands nach Bergen, an der Westküste Norwegens gelegen, geflogen. Ab hier folgte er der norwegischen Südküste.

Früheste Reiseerinnerungen wurden wach. Lang, wirklich lang ist es her, dass ich diesen Teil Norwegens ertrampte. Mandal war ein Zauberwort in Irgendlinks Bericht. Ich landete in dieser damals zauberhaften Kleinstadt zufälligerweise. So, wie ich eigentlich immer einfach irgendwo landete. Ich stand morgens an der Straße und trampte los. Den Jugendherbergsführer immer griffbereit. Und wann immer ich gen späteren Nachmittag in die Nähe einer solchen kam, stieg ich aus und bahnte mir den Weg. So eben auch in Mandal. Ich sehe noch das Bild vor mir: an einem Fjordarm gelegen, zu dem eine grüne Wiese sanft hinab führte, stand auf der linken Seite das weiß gestrichene Holzhaus… die Jugendherberge. Ich trat ein. Es war eine dunkle Stube mit sehr niedrigen Decken. Es roch wunderbar nach uraltem gepflegtem Holz. Sofort empfing mich skandinavische Gemütlichkeit. Der Tür gegenüber hing unter Glas eine Bleistiftzeichnung von drei Trollen (80 x 60 oder so…). Weder gruselig, noch süß anzuschauen… Lange stand ich vor dem Bild und tauchte in eine andere Welt. Das Bild war es, das mich entscheiden ließ hier drei Tage/Nächte zu bleiben. Eine gute Entscheidung! Ich fiel in den eiskalten Fjord und schnitt mir in Mandals Park beim schnitzen meines ersten und letzten Totems, mit dem gerade erstandenen Finnenmesser, in den Finger… jetzt lache ich. Damals war es ähnlich ;o) und das Totem… hat seit vielen Jahren mein Liebster-

Irgendlink hat die Jugendherberge nicht mehr gefunden und die Bilder, die er in Mandal schoss lösten in mir nichts aus. Manchmal muss ich mich daran erinnern, wie lange all das schon her ist. Wie lange ich tatsächlich schon lebe, wenn manche Erinnerungen so hautnah und plastisch vor mir stehen.

So kramte ich in meinem Tagebuchköfferchen und las über meine zweite Trampreise durch das blau-rot-weiße Land, zusammen mit einer Freundin. Die erste Reise habe ich noch nicht wieder gefunden… hängengeblieben… bei der zweiten… Da hieß der Zauberort Nesflaten…

Irgendlinks Bericht über Schweden ließ mich über die Beschreibung der Männlein staunen. Und feststellen, dass ich in schwedisch Samiland solche Männer nicht angetroffen habe. Weder vor vier, noch vor zwei Jahren. Ließe sich spekulieren, dass schwedische Männlein lieber im Süden des Landes leben und samische Männer eben samische Männer sind.

Dänemark… ja, ich kenne diese ewig geraden Straßen. Kenne sie durch flaches Land gehen oder durch Wälder, manchmal hoch und runter, so hoch es denn eben in Dänemark geht und so tief. Beides wohl kaum mit dem Zweibrücker Kreuzberg zu vergleichen oder mit dem Teilstück an der norwegischen Südküste, als das unaufhörliche Hoch und Runter dem Radler die Puste nahm.

Dänemark… andere Reisen… andere Erinnerungen, aber immer rieche ich die verlockende Süße der dänischen Bäckereien. Auch wenn es sie vielleicht gar nicht mehr gibt, ebenso wenig wie es wohl heutzutage die zweite Tasse Kaffee in Norwegens Cafeterias für umsonst nicht mehr gibt und Mandals Jugendherberge auch nicht mehr. Leben ändert sich… stetig… immer und überall…

Sicherlich werden heute in Nesflatens Dorfladen auch nicht mehr die Eier abgewogen und sicherlich gibt es eben diesen Dorfladen auch nicht mehr. An seine Stelle kam der Supermarkt: alles unter einem Dach. Das allerdings unterscheidet ihn dann nicht vom damaligen Dorfladen. Nur waren diese wenigstens beschaulich und luden zum Verweilen ein. Wolle neben Windeln, neben Angelhaken und –schnüren, neben Äpfeln und besagten abzuwiegenden Eiern, Eis am Stiel und Schokolade, Tabak, Milch, Brot, Tee, Kaffee und Käse… Ein bisschen dies, ein bisschen das, für jeden was. Damals so, heute anders. Vielleicht.

Dänemark… das Land der phantasievollen Gartenzäune und der gepflegtesten Gärten und Dörfer. Da machen die SchweizerInnen und Deutschen ihnen nix vor- grins…

Dänemark… als ich heute Irgendlinks Streckenabschnitt schaute, Skagen las und gleich daneben Hirtshals, fiel mir eine andere Episode ein:

Es war einmal… oder… einmal landete ich auf dem Rückweg mit der Fähre von Kristiansand (Norwegen) kommend in Hirtshals. Wir waren über Nacht gefahren und entschieden den Tag und die nächste Nacht in der dortigen Jugendherberge zu verbringen, bevor wir den langen Ritt heimwärts antreten wollten. Noch einen Tag Urlaub, bitteschön…

Ich ging am späten Vormittag durchs Örtchen Richtung Strand. Was war das Örtchen doch so ruhig, so schön, so beschaulich! Ein bisschen Dünenstapf und dann vor mir der weite Strand und das Meer… ja…. so träumte ich. Dann das Meer!
-Pause-
schlucken
nochmal schauen
das Meer… Meer schon… aber der Strand? Er glich einem überdimensionierten Parkdeck einer Großstadt. Ich fasste es nicht. Auto an Auto stand am Strand, die Türen meist weit geöffnet. Die Autoradios trällerten, dröhnten, säuselten, quietschen, swingten, bluesten, rockten, schmalzten. Eine Kakophonie! Daneben, neben den geöffneten Autotüren waren die Badetücher ausgebreitet, die Picknickkörbe standen bereit. Kinder tobten zwischen den tausend Autos herum, manche waren sogar im Wasser…
Ich war mutig. Ja. Ich war zäh. Ja. Auch. Ich ging an der Wasserlinie entlang, immer das abzusehende Ende dieses Parkdecks vor Augen… einmal musste es ja kommen… eine nächtliche Fährfahrt in den Knochen. Zwei Stunden, eine gefühlte Ewigkeit, war ich mutig, war ich zäh, dann brach ich in den Dünen zusammen. Weit weg von all den plärrenden Radios und schlief ein. Endlich Ruhe! Die Sonne zog ihre Bahn und fiel ins Meer. Fröstelnd erwachte ich… schüttelte mir den Schlaf aus den Augen und war aufs schlimmste gefasst. Stieg über die mich schützende Düne, bereit mich durchs Parkdeck zu schlängeln, und fand Meer und Sand soweit das Auge reichte.
Wie jetzt? War das alles doch nur ein Traum? Wohin ich auch schaute, nur Strand und Meer. Die Reifenspuren aber verrieten die Tagesrealität.
Wo sind die denn jetzt alle hin? Ich wanderte zurück und genoss… Strand und Meer… menschenleer.
Dann das Städtchen. Längst hatte ich alle touristischen Massenaufläufe vergessen. Ein Fehler! Über dieses morgendliche Schlummernest waren nun, am Abend des Tages angekommen, die Horden herein gefallen. Es war wieder schlängeln angesagt. Wieder dröhnte die Kakophonie, wenn jetzt auch in Form von Sprachen. Vornehmlich deutsch. Nix wie weg!
Wo sie ihre Autos gelassen hatten? Das weiß der Kuckuck… oder auch nicht.

Soviel zum Jadebusen in Dänemark. Mögen sich auch dort die Zeiten und Sitten gewandelt, und Irgendlink weiterhin einen guten Weg haben…

Apropos Irgendlink… er postete vor einigen Wochen ein Graffiti… ein Mädchen stand im Wind, schaute etwas hinterher, streckte die Hand danach aus… der Blick folgte der Hand und fand einen rosa, in den Himmel fliegenden Herzluftballon…

Es war das Mädchen, das sich mir einbrannte. Sein Blick, seine Geste, seine Gestalt-
Vorgestern war es, als ich die Nacht zum Bildertage werden ließ. Und wie ich da bearbeitete und collagierte, verfremdete und verbesserte fiel mir das Mädchen wieder ein. Ich schnitt es aus, kopierte und spiegelte es und fügte es dann ein. Verschob, machte es transparenter, durchscheinend, deutlich oder klar. Ließ sein Spiegelbild die Hände berühren… dann war es fertig. Der Titel lag schon in der Luft:

WIR SEHNEN UNS NACHEINANDER

Nun schickte ich heute Irgendlink das Bild mit der Frage, ob ich es öffentlich zeigen dürfe. Immerhin hat er das Graffiti fotografiert, das ist seine Antwort:

„Die Collage ist toll. Auch der Titel. Gerne mache wie Du magst. Das mit der Urheberschaft ist hier schwierig, weil es ja ein abfotografiertes Graffiti ist.
Somit ist der/die UrheberIn unbekannt. Ich hege die Vermutung, dass das Graffiti selbst schon abgekupfert ist.“

Und das wirft die Frage nach Kunst im öffentlichen Raum auf und der Freiheit, die ich mir nehme dieses und jenes zu fotografieren und in meinen Bildern zu verweben. Nicht immer kann ich fragen. Grundsätzlich denke ich, dass dieses „abkupfern“ dann erlaubt ist, wenn etwas Neues entsteht. Sozusagen „mein Bild“ aus dem Bild der/des anderen…
Was wäre Max Ernst zum Beispiel ohne seine Collagen? Wie oft schon wurde die Mona Lisa verändert, verfärbt, in andere Zusammenhänge gesetzt? Um nur zwei Beispiele zu nennen.
Dies wäre schon eine Debatte wert!

Nun aber noch das Bild und dann schnell gute Nacht!

draufklick = groß!

4 Gedanken zu „In 81 Tagen noch nicht ganz ums Meer…

  1. hach, wohligseufz. alles gehört allen – möchte ich da sagen. und bei der ganzen urheberinnenschaftsdebatte bin ich sehr zwiegespalten.
    ist doch ein tolles gemeinschaftswerk, das! von euch beiden und der sprayerin und so weiter … 🙂

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  2. Ich denke, dies ist etwas neues. Indem du es aufnimmst und wandelst, lebt eine Idee weiter. Man kann spüren, ob eine Idee „leben“ und weitergetragen werden möchte oder nicht. Diese möchte und ist sehr ausdrucksstark. Danke.

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