Etüde eins/a Dezember 2018

 

Dieses Mal gibt es eine zweite Etüde mit den Wörtern von Elke Speidel zum Projekt von Christiane.

 

 

„Typisch November“, mault er. Er zieht die Schultern hoch, den Kopf ein. Nasskaltes Wetter zieht in die alten Knochen und Gelenke. „Schmerzzeit“, schimpft er. Er zieht sich warm an, bevor er, wie jeden Tag, in das eine oder andere Gelände geht, welche er pflegt. Er läuft sich langsam warm.

Jeden Tag grüßt er den alten Kirschbaum. Der ist älter als er, er beklagt sich nicht, kein Knarzen und Knarren im Geäst. Jetzt ist er Winterbaum, später wieder Frühlingsbaum, dann Kirschfrühsommerbaum, dann gilt es schneller als die Stare zu sein. Der Kirschbaum schüttelt leicht seine Äste, er schenkt dem Alten eine Handvoll süßer Schwarzer. So erinnert sich der Alte. Er lächelt. Ihm ist jetzt warm geworden.

Da draußen hat er viele Freunde, Bäume und Sträucher, Kräuter und Blumen, Wiesen und Kartoffeln, Katzen und Ziegen, Rabenkrähen und Mäusefamilien. Menschen auch; draußen und drinnen.

Und stirbt einmal eins, dann trauert er ihm nicht lange nach. Ein kleines, stilles Gedenken, ein und aus der Atem, der Alte tanzt den langsamen Satz: Werden und Vergehen und Werden. Er wird alt und älter.

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