Wenn ich malen sollte …

Wenn ich dir meine Freude malen sollte, obwohl ich gar nicht malen kann, nur so ein bisschen, wie ein großes Kind mit links, dann malte ich dir einen Luftballon. So einen, der mit Gas gefüllt ist, dem wir beim Steigen ins Unendliche zuschauen könnten. Einen, der knallrot wäre, mit einem Clowngesicht darauf und angeklebten großen Ohren, die im Wind wackelten. Dessen Zipfel gepunktet wäre, so ganz in Clownmanier.

Wenn ich dir dann meine Wut malen sollte, dann würde es nur so zackig rot blitzen, über das ganze Blatt, mit spitzer Mine über Scherbenhaufen hinweg, die ein Loch ins Papier geschnitten hätten.

Die Angst wäre schwierig, so als großes Kind mit linker Hand und doch hockte da plötzlich ein Mädchen, geduckt im Dunkel. Gerade noch könntest du ihre Silhouette sehen, die in der Ecke kauert, nur das Weiß ihrer weit aufgerissenen Augen schrien dich an.

Und wenn ich dir dann meine Traurigkeit malen sollte, dann nähme ich ein Blatt und färbte es tieftiefblau, fast schwarz, nur am Rand wäre ein heller Streifen Sand, worauf ein verendeter Wal läge. Sein Blut vermischte ich mich mit dem tiefen, tiefen Blau- am Ende wäre es so dunkel wie das Blatt.

Und wenn ich dir mein Glück malen sollte, dann nähme ich uns zum Untergrund, strich mit dem Pinsel noch einmal alle Falten glatt, über unseren Köpfen sausten die Schwalben, um uns herum ein Rot, ausgelassen wären wieder unsere Tänze.

Wenn ich dir auch meinen Hass malen sollte, so würde ich das erste Mal den Pinsel ins dreckige Braun tauchen, dem, ohne einen Stich rot darin und keinem Licht. Später könnte man Stacheldrahtzäune, qualmende Schornsteine, Hakenkreuze, Waffen und Soldatenstiefel erkennen, damit wäre alles klar gesagt.

Wenn ich dir dann noch meine Liebe malen sollte, dann setzte ich leuchtendes Bunt auf strahlendes Weiß, ließ Licht und Raum im Gelb, Rot, Grün, Blau und Türkis- offene Türen schwebten im Schwerelos und hauchdünne weiße Gardinen wehten zum geöffneten Fenster hinein.

15 Gedanken zu „Wenn ich malen sollte …

  1. ein berührender text über die kraft von symbolen, farben, gefühlen.
    bilder in worten gemalt – stark!!!

    ich muss grad heftigst über die farbe braun und den hass nachdenken. und mir fragen stellen, die ich noch nie gedacht habe.

    weisst du „in echt“ ist ja braun die mischung aus rot, gelb und blau. also die farbe aller farben. die farbe der erde. wieso haben die nazis aller länder ausgerechnet diese ur-farbe für ihr anliegen genommen?
    braun, das weder ohne rot noch blau noch gelb möglich ist …

    nachdenkliche grüße
    soso

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    • guten Morgen, liebe Soso,
      soviel ich mich aus der Farbenlehre erinnere, ist braun eine Mischung aus grün und rot, naja klar und grün mischt sich aus blau und gelb … gut, dass wir drüber sprechen – lach –

      die Nazis haben sich vieler Elemente bedient, die es uns bis heute schwer machen, so bedienten sie sich ja auch der germanischen Gottheiten, der Runen und … selbst das Hakenkreuz haben sie geklaut, ursprünglich als Swastika bekannt, was bei den Hindus ein Glückssymbol war/ist – ich sah mal ein Tuch, auf dem sich die Swastika drehte, so war es wohl auch mal gedacht- aber ich konnte dieses Tuch nie anschauen, ohne an die Nazis zu denken- später wurde es dann auch genau aus dem Grund entfernt, ich war nicht allein mit diesen unangenhemen Gefühlen …
      Martin wies mich ja auch bei meinem Ostara-Artikel auf Zusammenhänge hin, die ich bis dahin nicht wusste, es ist zum heulen … wirklich!
      Man muss sich von all dem wieder frei machen, ohne dabei diese Verbrechen zu vergessen, keine einfache Übung! Aber mal von alldem abgesehen, benutze ich braun als Farbe tatsächlich nur sehr, sehr selten, auch wenn ich die Erde liebe …

      danke dir für deins
      Ulli

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      • was ich eigentlich sagen wollte:
        alles ist in allem enthalten … das sagen wir schamanisch tätigen ja. und das glaube ich von ganzem herzen. nur: in solchen momenten tut es mir weh.
        alles ist in mir. ich bin in allem. alles verbunden.
        puh …

        verbundenheit und freiheit … vielleicht die grösste menschliche herausforderung, zumal beiden ja wiederum ganz vieles anhaftet.

        noch mehr nachdenkliche grüsse
        soso

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  2. das ist ein schönes bild für die liebe: licht, leuchtende farben und schwerelosigkeit. totale offenheit. so empfinde ich sie auch.
    ich wünsche dir einen wunderbaren sonnentag,
    eva

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  3. Schöne Farben und Worte hast du gefunden für die Gefühle, Ulli. Mit der Farbe Braun habe ich übrigens auch Probleme, ich mag sie nicht, außer in der Natur, aber inwiefern das auch einen politischen Hintergrund haben könnte, weiß ich nicht, es ist mir zumindest nicht bewusst.

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