Sonntagsbild 15 2021

Vier Elemente, vier Engel

Anklick = großes Bild – please click to enlarge

Und eins meiner Lieblingsgedichte von Rilke

Ich ließ meinen Engel lange nicht los

Ich ließ meinen Engel lange nicht los,
und er verarmte mir in den Armen
und wurde klein, und ich wurde groß:
und auf einmal war ich das Erbarmen,
und er eine zitternde Bitte bloß.

Da hab ich ihm seine Himmel gegeben,
und er ließ mir das Nahe, daraus er entschwand;
er lernte das Schweben, ich lernte das Leben,
und wir haben langsam einander erkannt …

Seit mich mein Engel nicht mehr bewacht,
kann er frei seine Flügel entfalten
und die Stille der Sterne durchspalten,
denn er muss meiner einsamen Nacht
nicht mehr die ängstlichen Hände halten –
seit mich mein Engel nicht mehr bewacht.


Ich wünsche euch einen erholsamen und entspannten Sonntag.


Übersetzen / Translation / Traduction

Powered by Google Übersetzer

Käfige

Wenn Käfige fliegen lernen – when cages learn to fly

draufklich = großes Bild – please click to enlarge

Der Panther

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.

Rainer Maria Rilke, 6.11.1902, Paris – Im Jardin des Plantes, Paris

Rückblick 2015 – 2 –

Februar 2015

033 18.02.15 winterbrüche

Früh im Jahr beginnt das Eis zu brechen. Starke Winde geben keine Ruh, heulen über stille Starre. Sie kamen mit den Perchten. Es scheint, sie mögen das Tal. Es lärmt, Eis kracht. Türen, Fenster stehen offen, noch flöten keine Stare. Ungeduld klopft in den Knochen. Samen platzen, schieben junge Triebe ans Licht.

Umbruch.

Grenzenlos ist eine Idee, maßlos ein Wahn. Es wachsen wieder Zäune. Die andere Seite zeigt ihr Gesicht.

(…) Lauf’ nicht, geh’ langsam: Du musst nur auf dich zugehn! (…) Zeig dich! Stay open! So tragen Jahre Überschriften ums Rad. Früh im Jahr beginnt das Eis zu brechen.

februar 2015

Hinter der roten Mauer steht eine, die lugt hervor. Sie schmunzelt. Sie weiß schon. Sie ist noch scheu. Oder ziert sie sich? Sie sagt, es hat noch Zeit. Sie nimmt sie sich. Sie winkt. Sie lacht. Sie geht.

Eine andere sitzt auf einem Stein, leicht vornüber gebeugt, die Füsse auf dem Boden. Sie raucht eine langstielige Pfeife. Sie lauscht, nach innen und nach aussen. Sie ruht in der Welt. Sie sagt, dass es nicht leicht wäre, sie sagt, deswegen muss es nicht beschwerlich sein.

Es geht ums Tun, nicht ums Haben. Es geht ums Geben um des Gebens Willen. Nichts haben wollen, nicht dafür. Es geht ums Freigeben, mich und den anderen. Es geht um Verbundenheit ohne festgebunden zu sein.

Alte Muster können hartnäckig sein und Engel erscheinen, wann sie wollen, ungerufen.

(gerne hätte ich die Interpretation des Gedichts von Rilke von Georgette Dee eingestellt, aber leider habe ich es nicht in der Tube gefunden … und auch diese Version verschweigt viele weitere wunderbare Zeilen – das ganze Gedicht kann man hier lesen →)

Fortsetzung folgt