Literatur im Januar

spielen

Drei Bücher habe ich im Januar gelesen, das erste war: Spielen von Karl Ove Knausgård, der mich durch seine Erinnerungen an seine Kindheit in meine trug und mit der Frage zurückliess, ob es eigentlich wirklich etwas zu verbergen gibt? Wie ich schon einmal schrieb, Knausgård benennt, was es zu benennen gilt, ohne Schnörkel und Beschönigungen. Er macht sich nicht zum Helden. Er erzählt von seinen Ängsten und Nöten in Bezug auf seinen Vater, von den schönen Stunden mit der Mutter, seiner Liebe zum grossen Bruder, seinen Freunden, aber eben auch von seinen Problemen mit ihnen.  Kindheit wird bei ihm nicht mit rosarotem Zuckerguss übergossen, sie bleibt, was sie war, eben Kindheit, mit allen Höhen und Tiefen.

Zurück bleibt aber auch die Frage wie es den Kindern von heute einmal gehen wird, wenn sie sich erinnern. So vieles wird heute verboten oder gilt als gefährlich, so vieles an Freiräumen wurde und wird beschnitten. Ob sich die Kinder von heute dann nur noch an ihre liebsten Computerspiele und TV-Sendungen erinnern werden?


 

streeruwitz

Dieses Buch habe ich letzten Herbst gewonnen, meinen herzlichen Dank noch einmal an Buzzaldrin.

Lange lag es auf meinem Stapel der noch nicht gelesenen Bücher … Zunächst waren die sehr kurzen Sätze von Frau Streeruwitz gewöhnungsbedürftig, aber das dauerte nicht lang, dazu war die Geschichte zu gut! Ich habe den Eindruck gewonnen, dass es in diesem Buch auch um Autobiographisches geht, ihren Erfahrungen mit dem heutigen Literaturbetrieb. Ich sah mich wieder auf der Leipziger Buchmesse herumstolpern, allein gelassen von der Verlegerin, enttäuscht von all ihren nicht gehaltenen Versprechungen …

Frau Streeruwitz schreibt schnörkellos und ehrlich, ganz so wie Knausgård auch, nur in ihrer sehr eigenen Sprache, die ich zu schätzen gelernt habe! Hier einige Sätze:

  • Die Welt war in die Sprache genommen …
  • Wie interessant das war. Wie er an den vielen Jahren würgte. Wie er die Jahre sprechen wollte …
  • Da war nichts zu machen, und das Schlaraffenland nicht vegetarisch.
  • Er hatte eine Herztransplantation abgelehnt. Ein Lyriker könnte nicht mit einem fremden Herzen sterben …
  • Die wollte das Geld abschaffen, weil es der Gegenwart in Schicksal gerechnet eben das Leben kosten konnte. Weil Geld in Gefühle umgerechnet tödlich enden konnte. Musste …

 

diebe

Das ist das dritte und letzte Buch, das ich euch empfehlen kann. David Benioff ist ein grossartiger Erzähler. Die Geschichte spielt im Winter 1943/44 im von Deutschen besetzten Leningrad. Was weiss ich schon wie es den Menschen dort damals erging? Jetzt weiss ich ein bisschen mehr. Und vielleicht war dies mit ein Grund warum ich gestern an all die frierenden und hungernden Menschen in den Kriegsgebieten dieser Erde denken musste …

Eine Woche des Lebens von Lew und dann auch von Kolja kann die Leserschaft in diesem Buch miterleben. Eine Geschichte die zeitlos ist, die gerade eben irgendwo auf dieser Welt passieren kann. Die von dem Hunger und der Kälte, den Erniedrigungen der einen erzählt, ihren Ängsten, Nöten und Verlusten und den vollgefressenen Bäuchen der Machthabenden, ihrem Sadismus und dem Ideologienwahnsinn der anderen. Und trotzdem ist es ein Buch voller Humor. Vielleicht lässt sich ja der Wahnsinn der Welt nur mit Humor ertragen und mit ihm den Hunger für ein paar Stunden vergessen?!

der Russe ist einer, der Birken liebt

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Der Russe ist einer, der Birken liebt, von Olga Grjasnowa ist einer meiner Reiselektüren gewesen. Es passt für mich gerade heute, am 03. Oktober 2013, hier vorzustellen. Olga Grjasnowa beschreibt sehr eindrücklich, was es wirklich heißt heimatlos, vertrieben, fremd in einem Land und mit ausgerissenen Wurzeln zu sein. Ich begriff, dass meine Auseinandersetzung über Heimatlosigkeit letztlich nur ein Gejammer auf hohem Niveau ist und war zeitweise beschämt.

Es geht um das Schicksal einer jungen Frau, die als Mädchen, zusammen mit ihren Eltern Aserbaidschan verlässt und in Deutschland versucht sich neu zu verorten. Dazu kommt ein jüdischer Hintergrund, in dem sie sich ebenfalls nicht beheimatet fühlen kann. Sie schließt Freundschaften mit Männern, die zwar in Deutschland geboren wurden, aber türkischer/arabischer Abstammung sind. Diese müssen sich immer wieder die neugierige und dumme Frage gefallen lassen: woher kommen denn Sie? Antworten sie mit: aus Deutschland, wird nachgehakt: nein, ich meine woher denn wirklich …

Es ist ein trauriges Buch, auf dem Klappentext wird es treffend von Elmar Krekeler so formuliert: „Man würde Mascha zwischendurch so gern in den Arm nehmen. Das würde sie nicht mögen. Und wir würden es nicht schaffen. Mascha Kogan ist einfach nicht zu fassen.“

Ein weiterer Verlust lässt Mascha Deutschland verlassen und in Israel leben, Heimat findet sie nirgendwo, nur ihre Erinnerungen leben in ihr fort und die lassen sie immer wieder in den Abgrund schauen.

Wieso dies zum 03. Oktober passt? Weil ein Ossi ein Dummbrot ist? Weil ein Ossi nicht arbeiten kann? Oder was fällt dir an dummen Vorurteilen zu den Menschen aus der ehemaligen DDR ein?
Wir haben die Wahl, ob wir Fremdheit mit Neugierde begegnen oder mit Vorurteilen und/oder Vorverurteilungen …