Vielleicht

Vielleicht möchten „wir“ jetzt keine Bilder sehen, wie das Bild „Puppets in the streets 03 2021“.

Vielleicht möchten „wir“ jetzt ein bisschen Glanz und Tand, ein bisschen heile Welt und heile, heile Gänschen.

Die Gänschen landen gebraten auf zig Weihnachtstafeln, zuvor wurden sie gemästet, auf Teufel komm raus. Wer will das wissen? Wer will wissen, dass gleich nebenan Menschen an Grenzen (er-)frieren, auch auf Deutschlands Straßen, wo ihnen die Zugänge zu Bahnhöfen verwehrt werden? Jetzt …

Gleich nebenan hungern Menschen, fliehen Menschen, hoffen Menschen und scheitern an der Festung Europa.

Ja, auch ich backe Plätzchen, auch ich packe Päckchen, verschicke Karten mit guten Wünschen, weil ich weiß, dass sich am anderen Ende jemand freut. Ich mag Freude bereiten und teilen. Immer schon.

Ja, ich gehe in den Wald und hole Kiefernzweige, die auf dem Waldboden liegen und kann die Augen nicht davor verschließen, dass es ein kranker Wald ist.

Ja, ich freue mich auf die Wintersonnenwende, an der für mich das „Neue Jahr“ beginnt, aber freue ich mich auf das neue Jahr? Wie könnte ich dies unbeschwert, bei all den ungelösten Problemen, bei all dem Wissen, dass es so vielen anderen Menschen schlecht geht, dass die Diskriminierung des „Andersseins“ kein Ende findet, dass es seit vielen Jahren immer mehr Kraft für die Zuversicht braucht.

Ich lebe mit einer Schere im Kopf und das nicht erst seit diesem Jahr. Hier die Wünsche und Träume, das kleine persönliche Glück und Unglück, die winzigen Samen, die ich streue und die auch hier und da aufgehen, Begegnungen von Herz zu Herz, ob virtuell oder real – dem gegenüber steht die politische Realität und die denkt nicht an die Armen und Ärmsten, die will den Kapitalismus retten, der längst verloren hat, die will keine offenen Grenzen, die will keine Freiheit des Einzelnen, nicht wirklich und schon gar nicht in allerletzter Konsequenz. Wer fragt schon nach Beweggründen? Wer lässt wirklich die/den Anderen anders sein?

Und seien „wir“ doch einmal ehrlich, was hat sich WIRKLICH verändert. Man gab dem Volk Weißbrot, Kaviar und Champagner von Billigdiscountern, Spargel und Erdbeeren im Winter, zum Fest. Dahinter bleibt es wie es war und ist: hier die Reichen und Mächtigen, diejenigen, die mit einem golden Löffel in ihrem Allerwertesten geboren wurden und dort das Volk, das nichts von seiner Kraft je wirklich verstanden hat. Nicht hier, nicht jetzt.

Mein Bild „Puppets in the streets 03 2021“ ist ein Ausdruck, ein Denken an die Menschen, die sich nach einem sicheren Ort sehnen, einem Dach über dem Kopf, denen Worte nicht helfen. Worte, die wie ein Wirbelwind um sie herum schwirren, die nichts halten und auch nichts versprechen, die nichts für sie verändern.

Ja, ich freue mich auf die Weihenächte mit der Tochter, den Enkelkindern und Freundinnen und Freunden. Ja, wir werden erzählen, lachen, es heimelig haben, aber vergessen kann ich die andere Seite nicht und will es auch nicht.


Mein Lehrer „Kyabje Chime Rinpoche“, der in Tibet geboren, als Tulku erkannt wurde, eine profunde Ausbildung zum Lama = Lehrer erhalten hat, in den 1950er Jahren aus Tibet vor der chinesischen Invasion floh, zunächst in Indien, später, bis heute in England seine neue Heimat gefunden hat, sagte vor einigen Monaten sinngemäß, dass wir in einem sehr dunklen Zeitalter leben, dass er weiß, dass auch dieses vorüber gehen wird, aber dass er dafür betet, dass es schnell vorüber gehen möge.

Ich bete mit ihm.

Jede Woche eine Fotomontage

Und ein Beitrag zu den Etüden von Christiane

anklick = großes Bild – please click to enlarge

Die Wörter Baracke, lau und widerfahren hat Red Skies over Paradise gespendet Danke dafür.

Etüde

Schon lange ist es nicht mehr jeder und jedem vergönnt in einem eigenen Häuschen, in einer Wohnung zu leben. An den Stadträndern wachsen selbstgezimmerte Baracken, Bauwägen gesellen sich hinzu. Was für manche romantisch wirkt, ist für andere eine Notbehelf. Schon grübeln die Stadtplaner*innen, wie man diesem Wildwuchs entgegentreten könnte. Diese feinen Damen und Herren fragen nicht, was den Menschen, die hier leben, widerfahren ist.

– Unsere Stadt soll sauber bleiben.

– Man kann doch nicht einfach irgendwo eine Hütte hin bauen und dann auch noch für lau leben. Wo kommen wir denn dahin?

– Planierraupe und ab dafür!

Und der gute Mond zieht unberührt seine Bahnen.

107 Wörter


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Liebe Freundinnen und Freunde der Kunst, ich lese immer wieder, dass eure Wände voll wären, was ich nur zu gut nachvollziehen kann; aber wie wäre es mit einem Geschenk für eine liebe Freundin, einen lieben Freund … oder ab und an mal ein Bild auswechseln?

Vieles ist möglich.


Übersetzen / Translation / Traduction

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Impressionen der letzten Wochen oder Nicht so geboren

Bevor ich meins schreibe, möchte ich aus dem Buch von Paul Auster 4 3 2 1 zitieren, das ich Zurzeit voller Begeisterung lese. Auster ist ein grandioser Erzähler (immer wieder). In diesem Buch verfolgt er konsequent die Idee, bzw. die Frage: Was wäre gewesen wenn…

Irgendwann werde ich einmal mehr dazu schreiben, jetzt nur ein Absatz, den ich auf Seite 751 fand, die Zeit ist 1965, der Ort New York – Morningside Heights:

… Auf den dreckigen Gehsteigen lag nicht abgeholter Müll, und die Hälfte der Leute, denen man begegnete, waren nicht ganz richtig im Kopf oder kurz davor, den Verstand zu verlieren, oder sie erholten sich gerade von einem Nervenzusammenbruch. Das Viertel war Sammelpunkt aller verlorener Seelen in New York, und täglich kam Ferguson an Männern und Frauen vorbei, die sich intensiv und unverständlich mit unsichtbaren anderen unterhielten, Leuten, die nicht existierten…

Paul Auster, 4 3 2 1

ISBN 978 3 498 00097 4  1. Auflage Februar 2017  Copyright © 2017 by Rowolth Verlag



Meins:

Gegenüber des Weihnachtsmarktstandes, an dem ich für drei Wochen eine Freundin unterstütze, ist eine Bushaltestelle, notdürftig überdacht, acht Sitzplätze auf der mir zugewandten Seite, acht Sitzplätze auf der anderen Seite, daneben steht ein Mülleimer, der, so alles gut geht, zweimal am Tag geleert wird. Wenn alles gut geht, geht aber nicht und am Sonntag sowieso nicht. Am frühen Morgen kommen dunkelhäutige Männer, die mit Stäben die Tonne nach Pfandflaschen durchsuchen, sie tragen Handschuhe, andere nicht, sie wühlen mit ihren nackten Händen zwischen Essensresten, Pappbechern und Zigarettenkippen nach Brauchbarem.

Vor dem Stand stehen die mehr oder minder Gutbetuchten, bewundern die reinen Wollpullover, kaufen Mützen, Schals, Handschuhe oder eben Pullover, Jacken oder Mäntel. Sie zucken zusammen, wenn wieder einmal der Mann, der mit sich selber spricht, auftaucht und lauthals beginnt zu deklamieren. Dabei hält er meist seinen Kopf zur Seite gewandt und spricht mit dem, den nur er sieht und dem er vieles zu sagen hat, nicht immer nur freundliches. Überhaupt ist er nicht immer nur freundlich, manchmal will er töten, oder Augen blau schlagen, ein anderes Mal ist er Gott und wir alle sollen uns vor seiner Rache in acht nehmen, denn die wird gar fürchterlich werden.

An vielen Morgenden ist er noch ruhig, dann hilft er mir die schweren Klappen des Standes hochzuhieven und zu halten, bis ich sie eingehakt habe, an anderen Morgenden kann er mich noch nicht einmal anschauen, wenn ich ihm einen „guten Morgen“ wünschen möchte.

Wo schläft er in der Nacht?

Der Mann, der mit sich selber spricht, ist Einer von Einigen, die dort, an eben dieser Bushaltestelle sich hinsetzen, mit sich allein oder auch in Ausnahmen mit anderen sprechen, die ihr Bier oder ihren Wein, ihren Schnaps trinken oder auch mal einen Joint rauchen, um dann in Tränen auszubrechen. Wie vor ein paar Tagen die dünne Frau, die noch am Anfang der Sitzung die „Jungs“ aufmunterte, bis dann eben dieser Joint die Stimmung kippte. „Ich fühl mich auch oft einsam, Mädchen. Nun komm, Kopf hoch“, tröstet einer der Jungs lauthals und schwankt dabei vor und zurück, während sie immer weiter unter ihrer großen Kapuze verschwindet.

Wo schläft sie in der Nacht?

Dann der dünne Mann, der immer telefoniert, dabei hält er seinen Zeigefinger ans Ohr und spricht sehr leise, lauscht und spricht. Aber manchmal scheint das unsichtbare Gegenüber etwas zu sagen, das er nicht hören will, dann wird er lauter, allerdings nicht verständlicher, aufgeregt streicht er sich die Haare hinters Ohr, sein sonst blasses Gesicht verfärbt sich rot, bis der Druck zu groß wird, er springt auf und rennt rastlos hin und her. Der Mann wird wieder blass, setzt sich erneut, flüstert erneut in sein nicht vorhandenes Telefon und…

Wo schläft er in der Nacht?

Zwei ältere Damen stehen am Stand und schauen sich die bunten Tücher an, als der Mann, der mit sich selber spricht, laut wird, sie schauen ihn an. Die eine Dame schaut mich an:

„So, wird niemand geboren.“

Wie gut mir dieser Satz tut. Ich habe schon ganz andere Sätze gehört, die ich nicht beantwortet, nicht kommentiert habe, mit der Dame kam ich ins Gespräch.


Künstler *in unbekannt

Weihnachtsmarkt, Dideldumm, Glühweinstände, Lachsbrätereien, Lebkuchenherzen, Anisbonbons, Eierlikörpunsch, Lakritze, Pommes mit Mayo, Fisch oder Wildschweinbratwurst im Brötchen, viele sehr dicke Menschen essen viel Fettiges. Kerzen, Glöckchen, Kunsthandwerk und Zeug, was eigentlich niemand wirklich braucht, aber eben doch gekauft wird. Am Rand der Massen knien Menschen auf dem Bürgersteig, einen leeren Pappbecher vor sich. Auf dem Weg zum Parkhaus entdecke ich einen Schlafsack auf einem Lüftungsschacht, darin eingewickelt ein Mensch.

Die Armut ist auch in Deutschland nicht neu, aber sie ist sichtbarer und größer geworden. Die Schere öffnet sich immer weiter, auch die in meinem Kopf.

Wenn ich könnte, würde ich jedem und jeder einen dieser feinen Wollpullover schenken, dazu einen Schal oder eine Mütze, ein Paar Handschuhe oder ein Paar Stulpen, bis der Stand leer wäre, dann würde ich den Freund, der so wunderbare Geschichten erzählen kann, bitten mit all diesen Menschen eine seiner Geschichten zu teilen und dann würde ich ihn unterhaken und mit ihm zum Parkhaus gehen und lächeln…



In diesem Zuhammenhang möchte ich euch noch einen Link zu tikerscherks Artikel „Lamettalos“ senden: https://kreuzbergsuedost.wordpress.com/2017/12/08/lamettalos/

Auch Irgendlink hat gestern einen Artikel mit ähnlichem Inhalt veröffentlicht: http://irgendlink.de/2017/12/11/bahngleisgossenhamlet/

Die Springerin hat vor einigen Wochen sehr berührende Fotos von Menschen auf der Straße gemacht, leider kann ich sie nicht finden…

Liebe Springerin, falls du dies hier liest, wäre ich dir dankbar, wenn du einen Link zu deinen Bildern in den Kommentarstrang schreibst, dann füge ich ihn hier ein – herzliche Grüße und danke –

P.S. Nun hat die Springerin den Link gesendet, die Serie heißt: heimliche Lehrer – secret teachers, es entstanden 6 Bilder, sie hat den Link zum ersten geschickt, wenn euch mehr interessiert, dann könnt ihr den Titel dieser Serie in ihre Suchmaschine eingeben, nochmals meinen herzlichen Dank an dich!

Heimliche Lehrer / Secret Teachers (1)

perfect garden

perfect garden – oder glatt gebürstet

copyrigt Pawel Kuczynski

Das hat man sich dann doch nicht so ganz getraut, aber immerhin, angedacht war es, die Pippi Langstrumpf mal ein bisschen zu schönen…

Pippi mal so ganz handsome, so wie es  gefällt und nicht ihr und schon gar nicht: widdewiddewit ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt…

Ich mag wieder Stinkefinger zeigen, ich mag wieder meine Lederjacke aus dem Kleiderschrank holen, ich mag wieder singen: Widdewiddewitt, wir machen uns die Welt wie sie uns gefällt…

Wie mir all das Glattgebürstete gegen den Strich geht. (Schön zu wissen, dass ich nicht alleine damit bin). „Man“ will „uns“ nicht, nicht unsere Bücher, nicht unsere Bilder, nicht unsere Geschichten, nicht unsere Lieder – nee, will „man“ nicht …  nicht glatt gebürstet genug, nicht gefällig genug, nicht schön-schön. Aber ist die Welt denn schön-schön?

Schön ist sie … hässlich ist sie auch. Das gilt es auszuhalten. Das braucht Mut. Das braucht Kraft. Jeden Tag. Das braucht Stimmen. Das braucht Bilder. Das braucht Worte. Wer braucht bitte weichgespülte Kunstobjekte? Wer braucht geschönte Geschichten?

Banal?

Rede ich doch heute einmal vom Wetter. Ja, wir haben Wetter, wir hier, im Süden von Deutschland, haben Sommer. Viele Tage Hitze, wenig Regen, viel zu wenig und nun kommen die Wetter. Gewitter, so sagte heute der Radiowettermann, gehören zum Sommer dazu. Ja, sehe ich auch so, aber wenn es Bäume entwurzelt und Häuser abdeckt, dann ist das für die Betroffenen eine Katastrophe und Wetter alles andere als banal (so vorgestern, nicht weit von hier, geschehen).

Uns geht es gut. Ich bin dankbar.

Das Wetter am Freitag. Es kommt …

es beginnt zu wehen,

(das ist eine gif-Animationen, bitte anklicken, falls es nicht von alleine läuft)

die ersten dunklen Tropfen gesellen sich zu den Flechten auf dem Dach,

noch kann ich die Linde hinter dem geschlossenem Dachfenster sehen,

jetzt nicht mehr,

das richtige Wetter, um Postkarten zu kleben und gute Wünsche in die Welt zu schicken,

ich denke auch an die Menschen in Griechenland … hier ist das Gewitter nun vorbei und ich mache mir dennoch meine Gedanken.

Über die Pflaumen und Äpfel, die massenhaft unreif von den Bäumen fallen, über die blühenden Kräuter, die aufblühen, sich verströmen, schon vorbei, über all die Schäden und dass wir noch immer alle satt sind. Wie lange noch? Ich denke darüber nach Orangen- und Zitronenbäume anzupflanzen, vielleicht auch Oliven?

Spekulationen und Wohnungsnot

Im letzten Sommer beschäftigte ich mich mit dem Leerstand, der Grund war eine kleine Reise zum Mittelrhein. Die dortigen Dörfer und Städtchen zeigen, wie hier im übrigen auch, einen zunehmenden Leerstand von ehemaligen Geschäften und ich überlegte, dass man diesen doch dazu nutzen könnte, die ehemaligen Ladenräume in Wohnraum umzuwandeln, um der Wohnungsnot zu begegnen.

Letzte Woche hörte ich einen Bericht über verwaisende Dörfer und explodierende Mieten in den Städten. Ja, etwas läuft reichlich schief, aber wem sage ich das?! (mehr Bilder zum Leerstand gibt es hier → https://cafeweltenall.wordpress.com/2016/08/21/sonntagsbilder-reisebilder/

Als ich im Winter selbst auf Wohnungssuche war machte ich zwei Bilder zu Spekulationen und Spekulanten, die ich euch heute zeigen will.

Einmal mehr weiß ich meine neue Wohnung zu schätzen und auch, dass ich Glück gehabt habe. Immer wieder habe ich mich innerlich damit beschäftigt wie ich leben will und wie nicht, vor allen Dingen wie ich meine, dass ich es gar nicht mehr kann, dazu gehört ein Leben in einem Mietshaus mit Klingelknöpfen und Nachbarn, die mir entweder über den Kopf laufen oder mich von unten mit ihren Bässen maltretieren, wie einst in Berlin.

Manche mögen jetzt die Frage stellen, ob wir denn immer die Wahl haben, schließlich geht es ja auch um die Möglichkeiten der Jobs und der damit verbundenen Wohnungssituation. Ich kann diese Frage nicht eindeutig und schon gar nicht für alle beantworten, aber ich kann sagen, dass ich die Wahl hatte, weil ich mir mein Leben so eingerichtet habe, dass ich zu dem einem Nein sagen konnte und zu dem anderen Ja; aber ich weiß auch, dass das nicht immer so war, sodass ich heute, hier und jetzt einfach nur dankbar bin. Auch mir selbst gegenüber, dass ich es geschafft habe, mir Situationen zu schaffen in dem die Wahl zwischen Ja und Nein möglich geworden ist.

Miniatur # Schatten

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Gleich einem lauernden Tier wohnt der Schatten im Menschen. Seine Wucht trifft, sein Stachel sticht zu, seine Gewalt bricht sich Bahn, plötzlich und unerwartet. Was es ist und warum, das weiß der Mensch, der seinen Schatten kennt. Die Schatten sind des Menschens Gefangenschaft.

0244-24-11-2016-gefangenschaft

 

Es ist nicht an mir zu verurteilen. Es ist an mir zu gehen. Weiterzugehen.

Reisenotizen – 2 – Leerstand

0181 08.08.16 rad der zeit

Wann immer ich in den letzten Jahren in kleinen und größeren Städten unterwegs bin, springt mich der Leerstand an. So viele Geschäfte, die schlossen und nicht mehr wiederbelebt wurden, so viele Häuser, die nicht renoviert werden, wohl weil der Denkmalschutz zu teuer ist oder es sich so wunderbar damit spekulieren lässt?

0182 08.08.16 leerstand - rad der zeit

Es gibt zu wenig bezahlbaren Wohnraum heißt es immer wieder und nicht erst seit gestern. Mit etwas gutem Willen, denke ich, könnte man doch die meisten der leer stehenden Läden und Häuser Wohnraum werden lassen. Was hindert die Besitzer? Es gibt Förderungen für so einiges…

Ich habe drei Fotomontagen zum Thema gemacht. Schön ist anders. Ja. Aber es geht nicht immer nur um schön. Es geht um das was ist. Ich lernte einst, dass Kunst auch immer Spiegel der Jetztzeit ist. Jetztzeit hat viele hässliche Gesichter, stellt Fragen, gibt gebetsmühlenartige Antworten, die mir nicht reichen, die ich versuche anders zu beantworten.

Als der Liebste gestern Abend das zweite Bild betrachtete, sich seine Stirn runzelte, ich nachfragte was er empfand, sagte er: Das ist Endzeit. Endzeitstimmungen tuen weh.

Stimmt. Es ist eins Ruinen als willkommene Fotosujets zu empfinden, das andere sind die Geschichten dahinter, um die es mir aber geht. Ruinen gegen Legohäusersiedlungen, Gärten zu Steinwüsten, Liebe zum Detail war gestern, Kunst am Bau ist heute oft nicht mehr als eine Gefälligkeit.

0183a 08.08.16 leerstand - rad der zeit

Die Kraft des Lebens und ihre vielzähligen Formen umranken, umwuchern die Steine und Betonwände, die wir Menschen dem Nagezahn der Zeit überließen. Was malerisch oder fotogen erscheint, ist für mich oft eine große Traurigkeit.

Dieses Thema, wie auch die gefällige Seite der Kunst werden mich noch etwas länger beschäftigen, für heute soll es genug sein.

Allee

0163 27.08.15 Touristen in der kleinen Stadt - Lido

Eigentlich habe ich das Bild als Antwort auf einen Artikel von tikerscherk hochgeladen. Nun hat es aber die eine und andere entdeckt und kommentiert, sodass ich es nun für alle sichtbar machen werde.

Ansonsten bin ich gerade im Rückzug, da gestern meine zweite Augen_OP war und ich nur wenig lesen darf und PC auch nicht so angesagt ist. Leider!

Bis bald wieder …

Schlagzeilen 10.12.15 und was denke ich, wenn ich an Europa denke

Full blast – black hole – das passt!

Bei Candy Bukowski las ich über eine Blogparade. Eine Blogparade über das europäische Versprechen. Schau doch mal herein und vielleicht magst ja auch du oder mögen auch Sie sich daran beteiligen?

Meine Frage war zunächst auch: will ich das? Will ich daran teilnehmen? Kann ich das? Bin ich so politisch versiert, dass ich dazu ein Statement abgeben könnte und muss ich das überhaupt? Doch, ich will, auch wenn ich keine politische Leuchte bin. Vielleicht gerade deswegen.

Schlagzeilen von heute, 10.12. 2015 – oder was denke ich, wenn ich an Europa denke …

Und wieder brannte eine Flüchtlingsunterkunft, dieses Mal in Rheinland-Pfalz. Eine andere war es gestern. Sachsen ist überall in Deutschland. Ein bisschen mehr und ein bisschen weniger. Und niemand spricht über Greifswald. Man muss dort wohl wohnen, um der braunen Brut nun fast täglich etwas entgegen zu stellen? Ich sage danke an meine unermüdlichen Freundinnen und Freunde dort.

Die ersten deutschen Soldaten sind nach Syrien unterwegs und der Baumbestand in Baden-Württemberg ist in denkbar schlechtem Zustand. Besonders die Eschen, die sterben. Ansonsten zähe Nebelfelder im Tal und Sonne auf dem Berg. Das sind die kurzen Schlagzeilen des Tages. Keine Rede ist von Griechenland, schon länger nicht mehr. Man spricht nicht mehr von den arbeitslosen Jugendlichen in Spanien, immerhin sind es mehr als 50%. Die Franzosen wählten dieser Tage Marine Le Pen … und die Anschläge von Paris verschwinden allmählich wieder hinter Alltagsaktualität und den süßen Glocken, die klingen, besonders der Kassenklingeln in Warenhäusern und Onlinebestellshops. Die Deutschen gaben in diesem Jahr zweihundertzwanzig Millionen Euro für Weihnachtsbeleuchtung aus. Ach …

Kurze Schlagzeilen im Radio zur Mittagszeit und die Vertiefung zeigt Oberfläche. Gehe ich nun in die sozialen Netzwerke oder lese ich Zeitung dann werden die kurzen Schlagzeilen mehr und tiefer und länger, aber natürlich kein Deut besser.

Eine Haltung einnehmen. Ja, die habe ich. Ich bin dagegen. Ich bin gegen Fremdenhass. Ich bin gegen Krieg, immer noch. Der trifft immer noch nur die Falschen. Die unschuldigen Kinder, die Frauen und Alten. Die Männer schlachten sich gegenseitig ab oder werden zu Märtyrern. Wer braucht die heute noch? Wer braucht noch Kriegshelden? Wer braucht jeden Tag immer noch schlechtere Nachrichten? Wer braucht alte Nazigedanken in jungen Männer- und Frauengehirnen? Man hasst heute nicht mehr die Juden, das verbietet sich, es wurde ein Ersatz gefunden und der heisst Muslime.

Menschen helfen bis zum umfallen. Nichts, aber auch rein gar nichts würde gehen, weder hier im reichen Land, noch in Griechenland, noch … wären da nicht alle diese Ehrenamtlichen, die ackern, bis zum umfallen, während sich breitbeinige und sehr wichtige Security-Männer Beine in ihre dicken Bäuche stehen und verhindern, dass wir den Kindern Wintersachen bringen. Es gäbe genug. Nein, sagen die Frauen, die Mütter und Großmütter, nicht für die Kleinen. Und wir haben ja nur etwas für die Kleinen. Nein, sagt die wichtige Security. Ich möchte hauen. Ihn. Vorbei ist es mit meiner gepredigten Gelassenheit. Aber nach außen bleibe ich ruhig, sonst habe ich ja gleich verloren. Sage, aber die Mütter und Großmütter haben uns doch darum gebeten. Er verdreht die Augen, dafür bin ich nicht zuständig. Aha. Bringen Sie das mal in die Kleiderkammer, aber die hat auf, wann sie will. Aha. Es lebe das Mitgefühl! Ich gehe. Die Frauen winken mir nach. Traurig bin ich und wütend. Entmündigung nenne ich das. Aber wieso sollten auch Frauen, insbesondere aus fremden Ländern, wissen was sie brauchen?

Ich bin dagegen. Bin gegen die anhaltenden Entmündigungen der Frauen, bin gegen Zwangssterilisierung, gegen Gewalt auf Geburtsstationen und Geburtshäusern (hier!), gegen Beschneidungen, gegen Mädchen- und Frauenhandel. Ach …

Ich ertrage die Bilder der weinenden Kinder auf den Schlauchbooten schon längst nicht mehr, die Bilder der entkräfteten Frauen und Männer und die Arroganz der westlichen Welt. Ich ertrage den Gedanken der sicheren Grenzen, der neugebauten Stacheldrahtzäune und Sicherheitszonen nicht. Ich ertrage es nicht, wenn heute noch immer Frauen gesteinigt werden, wenn Mädchen schon bei ihrer Geburt Freiwild werden. Ich ertrage es nicht die Hetzreden und Parolen in den Medien zu lesen. Handeln muss man und wenn es nur ein Statement ist!

Die Gleichstellung der Frau, jaja, da gibt es Fortschritte, aber von Erfolg zu reden kommt mir nicht über die Lippen, weder hier, noch weltweit. Wieso nicht hier? Wie ist das mit der noch immer unterschiedlichen Bezahlung für gleiche Arbeit? Wie ist das mit der Gewalt gegen Mädchen und Frauen, den ungezählten Missbräuchen durch Väter, Grossväter und so manchem Onkel, und …? Wie ist das mit der Entmündigung und der Gewalt unter der Geburt? Wie ist das mit den Frauen in der Kunst und im Literaturbetrieb? Okay, auch hier hat sich etwas getan. Aber Entwicklung ist eine Schnecke, die gerne zwei Zentimeterchen voran kriecht und einen zurück. Da muss frau geduldig bleiben. Ach … Und ja, wir dürfen roten Lippenstift tragen und unsere Haare kurz, Röcke egal wie kurz und lang und Hosen auch, aber worum geht es denn? Ja, es ist besser geworden, aber besser heißt nicht gut.

Und gut ist sowieso nichts, nicht der Wald, nicht das Meer, nicht das Klima und die Menschheit sowieso nicht. Und wieso sollte überhaupt irgendwer auf das kleine Volk und die Milliarden Menschen hören, die sich Frieden wünschen, sauberes Wasser und Wasser überhaupt, plus sauberer Luft und genügend zu essen?

Herrjeh, es ist ja fast wie in jungen Jahren, als es mehr Dagegen als Dafür in mir gab. Und doch gibt es ein Dafür, klar und mehr als eins. Ich bin dafür, dass wir uns für den Frieden einsetzen, für die Menschenrechte, die immer noch mehr Worte auf Papier sind, als gelebte Wirklichkeit. Ich bin dafür über echte Bedürfnisse nachzudenken, anstatt diese in Konsumräuschen zu ertränken und wieder einmal zu überhören. Ich bin für eine gerechtere Verteilung der Güter, dafür, dass endlich Schluss ist, dass wir, das weisse Volk, das europäische und nordamerikanische, das kanadische Volk ein Leben auf dem Rücken unzähliger gebeutelter Völker leben. Ich bin für Verbundenheit, für echte Demokratie und Meinungsfreiheit. Und ja, ich bin für Freiheit, Gleichheit, Schwesterlichkeit und Brüderlichkeit.

Und Europa? Ich sage es mit Hannah Arendt:

„Politik handelt von dem Zusammen- und Miteinandersein der VERSCHIEDENEN.“

„Auf die Frage nach dem Sinn von Politik gibt es eine so einfache und in sich so schlüssige Antwort, dass man meinen möchte, weitere Antworten erübrigten sich ganz und gar. Die Antwort lautet: Der Sinn von Politik ist Freiheit.“

„ Das Faktum menschlicher Pluralität, die grundsätzliche Bedingung des Handelns wie des Sprechens, manifestiert sich auf zweierlei Art, als Gleichheit und als Verschiedenheit. Ohne Gleichartigkeit gäbe es keine Verständigung unter Lebenden, kein Verstehen der Toten und kein Planen für eine Welt, die nicht mehr von uns, aber doch immer noch von unseresgleichen bevölkert sein wird. Ohne Verschiedenheit, das absolute Unterschiedensein jeder Person von jeder anderen, die ist, war oder sein wird, bedürfte es weder der Sprache noch des Handelns für eine Verständigung; … Sprechend und handelnd schalten wir uns in die Welt der Menschen ein, die existierte, bevor wir in sie geboren wurden, und diese Einschaltung ist wie eine zweite Geburt, in der wir die nackte Tatsache des Geborenseins bestätigen, gleichsam die Verantwortung dafür auf uns nehmen.“

Und ich teile mit Hannah Arendt den Gedanken an eine Welt ohne Grenzen. Solange wir in engen Ländergrenzen denken und an Ländergemeinschaften glauben, solange steht das Feindbild direkt vor den Grenzen. Wenn aber der europäische Gedanke von Freiheit, Gleichheit, Schwesterlichkeit und Brüderlichkeit spricht, dann stimme ich ihm zu und dehne ihn von Europa aus in die ganze Welt.

High hopes