All over Heimat

Eine Rezension

all over Heimat ist eine Anthologie, herausgegeben von Matthias Engels, Thomas Kade und Thorsten Trelenberg.

Sie sammelten von 150 Autor*innen und Lyriker*innen auf internationaler Ebene Texte und Gedichte zum Thema Heimat. Ein Begriff, der in den letzten Jahren immer wieder besprochen wurde und wird, zu dem sich auf verschiedensten Ebenen Kunstschaffende, Schreibende, Filmemacher*innen Gedanken gemacht haben und machen.

Heimat ist ein großes Wort.

Meinen herzlichen Dank, nun auch noch einmal von dieser Stelle, an Matthias für das Rezensionsexemplar.

Heute ist Premiere. Die Anthologie wird von den drei Herausgebern im Rahmen der Reihe „Nacht der Bibliotheken“ in der Steinfurter Stadtbücherei vorgestellt.

Es wird ein sehr abwechslungsreicher Abend mit Gästen und internationalen Häppchen- literarischer und kulinarischer Art. Wer in der Nähe weilt oder gern ins nördliche Münsterland fährt- wir freuen uns über Besuch!

Mehr kannst du bei Interesse lesen, wenn du dem Link folgst.

Wie aber soll ich nun diese Anthologie rezensieren? Diese Frage stellte sich mir sehr bald, nachdem sie bei mir angekommen ist. Einhundertfünfzig Autor*innen gerecht zu werden ist schlichtweg unmöglich. Einhundertfünfzig Autor*innen heißt auch einhundertfünfzig unterschiedliche Sicht-, bzw. Herangehensweisen an das Thema in zigfachen Facetten. Und genau das macht diese Anthologie so besonders. Heimat ist, je nach Hintergrund der/des Schreibenden, anders, fühlt sich unterschiedlich an, füllt sich mit unterschiedlichen Inhalten.

Geflüchtete Menschen erleben, beschreiben und empfinden Heimat anders als ausgewanderte, als hiergeborene.

Viele, die in Deutschland geboren wurden, hadern mit ihrem Heimatland, auch dieses findet Raum in der Anthologie und ließ mich streckenweise an das Projekt am Ende des letzten Jahres von Graugans aka Margarete Helminger denken: die Mutmaßungen über das Deutschsein, – ein literarisch/philosophischer Adventskalender …

Doch zurück zu all over Heimat

Seit gut zwei Wochen schlage ich die Anthologie immer wieder auf, um einen Text, ein Gedicht zu lesen, manchmal auch mehrere hintereinander, ich wurde noch nicht einmal enttäuscht. Das Niveau ist hoch.

Einhundertfünfzig Autor*innen, aber weitaus mehr Beiträge haben die drei Herausgeber hier versammelt, manche sind nur mit einem Beitrag vertreten, andere mit mehreren.

Sehr gefallen hat mir die Zusammenarbeit von Klára Hůrková mit Monika Littau und Maria Topali, sie haben drei Sicht- oder Erlebnisweisen in einem Gedicht vereint – ungewöhnlich und erfrischend zugleich.

So, wie mich die vielen Gedanken über und um die Heimat herum bewegen und berühren, mich zum Nachspüren und Weiterdenken inspirieren, so gefällt mir auch die Gestaltung des Buches und die Idee nach den Beiträgen die Autorin/den Autor kurz vorzustellen. Es ist anders, ob ich erst nach hinten blättern und die Schreibenden dort aufspüren muss oder gleich etwas über sie lesen kann –

Mein Fazit lautet: sehr gelungen und sehr empfehlenswert. Für mich ist all over Heimat eine Anthologie aus einem Guss.

Sehr gefreut hat mich auch, dass Pega Mund und Diana, zwei Lyrikerinnen von einhundertfünfzig sind. Meinen herzlichen Glückwunsch ihr Zwei, auch von dieser Stelle!

Um euch nun einen Geschmack zu geben, erlaube ich mir zwei Beiträge zu zitieren*. Ja, ich will euch neugierig auf diese gelungene Anthologie machen, das hat sie verdient.

diss heimatdingl

dörfl mir abhanden fein gefältelt im

erinnern laden schübe ballast viel zu viel

von allem drückt mich schweigend

schimmernd scheint erscheint es lampe

lichtmess auf dem tisch die schüssel

weit geschwungen heller dampf und

duftet nach dem beten hör ich löffel

schaben aus den tellern erdäpfel butter

schmales salz

Pega Mund

Mein Garten im Osten

Es gibt dort eine Feuerstätte

nah an den beiden Lindenbäumen

Am Zaun sind tibetische

Gebetsfahnen gespannt

Flieder blüht dort

Pfingstrosen und Jasmin

Im Kreis geordnet stehen

astrologische Zeichen

 

Im Blumenbeet liegt

ein Hund begraben

daneben eine Katze

Am Abend kommen

viele Insekten

und Bachstelzen und Schwalben

Der Kuckuck fragt

aus dem Wald:

Wo ist mein Heim?

Klára Hůrková

Für mich ist übrigens Heimat ein Apfelbaum im Garten … und eine äußerst fragile Angelegenheit



*sollte ich hiermit gegen das Urheberrecht verstoßen oder solltest du, Pega, und Sie, Frau Hůrková, nicht mit der Veröffentlichung deines, Ihres Gedichtes einverstanden sein, so bitte ich mir dies mitzuteilen, dann nehme ich sie wieder raus. Danke.

28 Gedanken zu „All over Heimat

    • Guten Morgen, liebe Susanne, ich war auch lange Verfechterin von: home is where my heart is – die letzten Jahre aber haben mir klar gemacht, dass es nicht ganz so einfach ist. Es sind weniger die Dinge, wovon Heimat abhängig ist, als Menschen/Familie/Freundschaften/Mentalität, Sprache und das Land = Landschaft/Klima. Um all das näher auszuführen, wäre ein weiterer Beitrag notwendig. Heimat ist und bleibt ein großes Wort, wie ich ja schon geschrieben habe. In der Anthologie werden die vielen Facetten sichtbar und ich glaube, dass es noch viele mehr gibt. Herzlichen Dank für deins.
      Ich wünsche dir einen guten Tag,
      herzliche Grüße
      Ulli, heute wieder vom Regenberg

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  1. liebe ulli,
    herzlichen dank für die rezension und die leseproben! ich bin heute aufgeregt und habe noch viel zu tun, da heute abend vernissage einer ausstellung ist, die ich zusammen mit einer malerin und einer bildhauerin gestalte. mein beitrag ist eine installation, ein begehbarer „blätterwald“ von texten in korrespenz mit skulpturen und bildern … und „all over heimat“ liegt natürlich schon auf dem büchertisch … 🙂
    vielliebe grüße zu dir,
    pega

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    • Oh schön!!! Was du alles machst, liebe Pega! Vielleicht magst du ja mal später Bilder davon zeigen? Das wäre sehr schön, du weißt ja, München ist sooo weit weg – heul … viele Gäste und viel Erfolg wünsche ich euch.
      Danke, dass ich dich zitieren durfte.
      Ich sende dir Grüße von Herz zu Herz,
      Ulli

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      • danke dir vielmals, ulli!
        wir hatten eine großartige vernissage, sind heute, sonntag, gibt es am vormittag eine führung durch die ausstellung, lesung und dialog mit den gästen. meine beiden freundinnen und ich, wir sind sehr zufrieden und ganz glücklich, es ist wunderbar spannend, zugleich auch ist es eine große herausforderung, das alles neben berufs, familien- und alltagsleben zu stemmen. ich schlafe wenig und fliege nur so durch die tage, wünsche mir, jeder tag hätte dreißig stunden statt nur vierundzwanzig. so ist das leben … das motto unserer ausstellung ist: „Der Welt das Leuchten deiner Augen – vom Hellen, vom Dunklen“.
        mal sehen, ja, wenn etwas ruhe wieder einkehrt (die ausstellung geht bis ende märz), kann ich vielleicht davon berichten, mit bildern …
        <3gruß: pega

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  2. Hi Ulli! meine Kusine hat mir vor nicht langer Zeit eine Postkarte „mit einem Gruss aus der Heimat“ geschickt. Ja, das ist für ich Heimat wenn Andere wissen wo meine Heimat ist. Heute morgen begrüsst mich die Bordcrew vom Kl1692 mit einem superfreundlichen „Guten Morgen!“, weil sie meinen Pass, den ich in der Hand hielt von hinten erkannt hatten. Trotz Großraum sprachen sie mich immer wieder auf deutsch an. Liebe Grüsse und vielen Dank für den langen und ausführlichen post zu der frage wem oder wohin ich mich zugehörig fühle. Hier fühle ich mich auch heim.

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  3. Pingback: All over Heimat -Rezension | DINGFEST

  4. So groß ist das Thema und weit und tief und voller Gefühle, Geschmäcker, Düfte, Schmerz, Freude,… ich mag das Wort sehr und weinte, wenn ich mich heimatlos fühlte, was oft geschah. Nicht weil ich nicht an dem Ort meiner Kindheit lebte – ich bitte mich nicht misszuverstehen – , sondern weil ich mich gerade an diesem Kindheitsort abgrundtief fremd fühlte. Ich weinte auch, wenn die exilierten Griechen während der Militärdiktatur in Deutschland das Lied von „Mama Hellas“ sangen, weil sie es so inbrünstig sangen, während ich so etwas wie „Heimat“ nicht fühlen konnte. Heimatlos im eigenen Land, seelenverwandt den Herumziehenden, den Staatenlosen. Inzwischen ist der Schmerz nicht mehr da, ich habe nun eine „alte“ und eine „neue“ Heimat, also gleich zwei, und kann mir auch die ganze Erde als Heimat denken und lächeln….
    Bevor ich hier las, las ich bei der Scherbensammlerin „Jeden Tag ein Gedicht“, alle geschrieben von Russlanddeutschen und so voll von diesem schweren Thema. Und auch wieder so anders als das, was ich und du und Pega und Klara Hurkova und … dazu zu sagen hätten.
    https://scherbensammeln.wordpress.com/2019/03/15/jeden-tag-ein-gedicht-12-maerz/

    Gefällt 3 Personen

    • Guten Morgen, Gerhard, ich glaube, dass Heimat tatsächlich auch viel mit einem Gefühl zu tun hat, so wie du es beschreibst, sich irgendwo Zuhause zu fühlen, angekommen zu sein, neben all dem was Heimat sonst auch noch für die eine und den anderen ist.
      Danke dir für deins zum Thema.
      Liebe Grüße
      Ulli

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    • ich fühlte mich merkwürdigerweise gleich beim ersten (und einzigen) Besuch in NY zuhause. Es hatte, glaube ich damit zu tun, dass all die Menschen dort von irgendwo her gekommen und fest entschlossen waren, NY als ihre Heimat anzuerkennen. Jeder war fremd, jeder war einheimisch. Ich fühlte mich merkwürdig getragen, mitgetragen.

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  5. Heimat, ein Sehnsuchtsort
    das Gefühl von Geborgenheit
    und doch zwischen den Stühlen hängend
    Ein Haus zwischen zwei Dörfern
    Der Vater aus einer anderen Welt
    *Heimat* fand ich später
    dort, wo die Kinder geboren wurden
    und ich mich wiederfand

    Ganz herzliche Abendgrüße von Bruni an Dich, liebe Ulli

    Gefällt 4 Personen

  6. Pingback: Erinnerungsschaukel 05 |

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