Etüde eins im November 2018

Christiane hat zu einer neuen Etüdenrunde eingeladen, die Wortspende stammt dieses Mal von Wortgerinnsel. Ich danke für die feine Gestaltung der Einladung und die drei Wörter:

Knirps – grotesk – notieren

 

Dieses Mal ist es eine Miniatur (010 2018) mit 82 Wörtern und einem Bild geworden.

Eijeijei, was für ein Knirps! Seine braune Augen leuchten, den Schalk hineingeschrieben, stiftet er so manchen Unfug an. Er mag nicht immer hören. Kann ich es ihm nachsehen oder muss ich es notieren? Die Unschuld der Knirpse, die Grenzen der Welt, da wird es hier und da grotesk.

Große Menschen ziehen und zerren an ihnen, sie fühlen sich im Recht. Sie nennen es Erziehung, ich Gewalt. Gewalt hat viele Gesichter. Gewalt ist keine Antwort auf den Unfug der Knirpse. Knirpse sind unschuldig.

27 Gedanken zu „Etüde eins im November 2018

  1. Warte. Es gibt Grenzen im Miteinander, und sie sind sinnvoll, denn sie wahren die Rechte des Einzelnen, AUCH der Knirpse. In einer Gemeinschaft muss man diese Regeln beachten. Das zu vermitteln bedeutet für mich Erziehung, ich finde das okay. Was ich sehr häufig nicht okay finde, ist die Art, wie diese Regeln vermittelt werden. Das ist tatsächlich oft Gewalt, und da stimme ich dir zu, das ist nicht gut. Aber die Gleichsetzung von Erziehung und Gewalt verkürzt, meiner Meinung nach unrechtmäßig.
    Süßes Bild.
    Liebe Grüße
    Christiane

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    • Ich wollte auf keinen Fall Erziehung und Grenzen setzen mit Gewalt gleichsetzen. Blöd, wenn es so rüberkommt, ich meinte tatsächlich die Gewalt, die ich bei manchen beobachte.
      herzlich grüße ich dich,
      Ulli

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  2. „Knirps“ – das klingt so knusprig-lustig und spontan.
    Und dann werden ihre Ärmchen gezogen, damit sie mitgehen, weil jemand das Wort „Erziehung“ falsch verstanden hat, dann pfeffert man sie wütend in Sitze und Bettchen; für Knirpse gibt es den Nachtisch nur nach den widerlichen grünen Bohnen oder gar nicht, und bald sieht man sie wieder in den Innenstädten und Einkaufszentren überhitzt in ihren viel zu dicken Schneeanzüge gepropft in die Karren gefesselt dahinwelken, während ihre erwachsenen Begleiter sich im Einkaufens verlieren.

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  3. ich stimme Christiane zu, „die Gleichsetzung von Erziehung und Gewalt verkürzt“ und auch Puzzleblume, dass „jemand das Wort Erziehung falsch verstanden hat“.. Ein kleines Kind braucht die glaubhafte und liebevolle Autorität von Erwachsenen, um sich im Strudel seiner noch ungeformten Wünsche und Willensimpulse zurechtzufinden, sie im Widerstand gegen die oder in Abgleichung mit den erwachsenen Gebote/n auszuformen und langsam zu merken, was es denn wirklich will. Ohne solche Erwachsenen findet es nur schwer zu sich, Dann siehst du Kinder, die unglücklich nach allem haschen und nichts wirklich wollen und sich schließlich in Drogen oder andere Süchte flüchten, um auch das noch auszuprobieren.
    Vieles gäbe es da zu besprechen.

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  4. Ein zu Herzen gehender Text, ein zu Herzen gehendes Bild.
    Ich bin auch überzeugt, dass Erziehung und Gewaltfreiheit einander nicht ausschließen
    Erziehung heißt auch, ich sehe dich, ich mache mir Gedanken, du bist mir nicht egal.
    Zurzeit erlebe ich allerdings einen Knirps, der vehement körperliche Begrenzung einfordert, Worte und zarte Berührungen dringen nicht zu ihm durch. Er muss fest, manchmal sehr fest, in die Arme geschlossen werden, damit er nicht überfahren oder verbrüht wird, niemand einen Schraubenschlüssel oder ein Holzauto an den Schädel bekommt, die Katzen ungetreten, die Käfer am Leben und die Glasscheiben heil bleiben.
    Ein spannender, manchmal beängstigender Weg ist das mit diesem Knirps. Kopfschütteln und Ermahnungen (Wahlweise zu streng oder zu weich, auf jeden Fall falsch) begleiten uns auf allen Wegen.
    Ich bin sehr zurückhaltend mit der Beurteilung anderer Erziehender geworden.
    (Nein, schlagen und demütigen geht NICHT)
    Liebe Grüße
    Natalie

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    • Hallo Natalie, ja, es gibt auch die schwieirgen Kinder, das ist wohl wahr, aber es gibt eben auch die Erwachsenen, die ziehen und zerren, biegen und brechen. Man muss schon sehr genau hinschauen, das ist wahr! Ich danke dir,
      herzliche Grüße, Ulli

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  5. Auf meinem (Schul)Schreibtisch liegen drei Bücher eines Autors, der mich auf einer Kommunikations-Fortbildung sehr sehr überzeugt hat, eines davon heißt „Von der Erziehung zur Beziehung“. Der Fokus in all seinen Texten ist immer wieder das, worum es hier bei Dir – und in den Kommentaren – letztlich geht: Wie man „erzieht“ (er nennt es nicht mehr so), indem man in einen Dialog mit einem wirklich wahr- und angenommenen Partner tritt, in eine Beziehung also. Und nein, damit ist mitnichten ein antiautoritäres Ausdiskutieren mit einem viel zu jungen Kind gemeint, und bevor ein Kind unter’s Auto läuft, gibt’s natürlich keinen Dialog, sondern ein ggf. mit Festhalten gestütztes Nein.
    Aber in vielen anderen Situationen sind wir gerade in der Schule (und wohl nicht nur dort) sehr schnell am übersehenden Herumerziehen, also am Mitteilen unserer Regeln ohne hinzuschauen, was das Kind oder der Jugendliche gerade selbst ausdrückt und ausdrücken möchte. Wenn wir dieses nicht aufgreifen, gelingt „Erziehung“ möglicherweise irgendwie, und sei es aus Angst vor Strafe, aber eben ohne Beziehung zum Kind.
    Schwer das jetzt in wenigen Sätzen wiederzugehen … wenn ich die Bücher gelesen haben werde (hoffentlich noch vor der Rente), kann ich mehr erzählen von dieser „Beziehungsdidaktik“.
    Liebe Grüße zu Dir
    Frau Rebis

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    • Liebe Frau Rebis, magst du mir bitte den Namen des Autors schreiben, ich bin SEHR interessiert!
      Als ich mit meinen beiden Kindern alleine war, habe ich nicht von Erziehung gesprochen, sondern von Begleitung und empfand unser Zusammensein auch mehr als Beziehung, wobei ich ganz klar die Große gewesen bin, die selbstredend auch Grenzen setzte, da konnte ich dann manchmal auch recht streng sein, besonders wenn es um ihren Schutz ging und doch würde ich heute wieder vieles anders machen, was aber auch „normal“ ist. Nun im Kindergarten geht es anders, manches gelingt, manches nicht. Du weißt, dass ich immer gerne dazulerne und von daher ist gerade eben mein Interesse erwacht. Danke schon mal jetzt und herzliche Grüße an dich, Ulli

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  6. Dem Charme, dem Willen, der Beharrlichkeit, dem Ideenreichtum der Knirpse sind wir oft nicht gewachsen und ihnen dabei aber auch aufzuzeigen, wo Grenzen angebracht sind, macht Er-zieh-ung so spannend und ist oft auch kräfteraubend, aber wenn man ihnen erklärt, warum das und das nicht geht, das und das aber erlaubt ist, da sind sie meist sehr verständnisvoll; nur das bedarf Zeit, Geduld und wer hat die schon bei den heute oft voll im Berufsleben stehenden Müttern/Vätern.
    Was wir Unfug nennen, ist Spiel für sie.
    Was ich festgestellt habe im weitläufigen Bekanntenkreis: Mütter (damals waren es immer die Mütter), die viele Jahre zu Hause blieben, um die KInder groß zu ziehen, denen machen es die Söhne oder Töchter nach. Eltern die sich schon immer selbstverwirklicht haben, die KInder früh in den Hort, zu Tagesmüttern o.ä. steckten, deren Kinder machen heute das gleiche mit ihrem Nachwuchs. Aber über dieses Thema ist es müßig eine Diskussion zu führen, da sind die Fronten verhärtet.
    Gruß an den Bilderbuchknirps vom Foto und an Dich, liebe Ulli, von Karin vom Dach

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    • Liebe Karin, da sagst du was. Mir sträubt sich immer alles, wenn schon halbjährige Babies in Krippen gegeben werden, da frage ich mich schon warum dann überhaupt die Eltern ein Kind haben wollten. Aber nun, jede und jeder nach seiner und ihrer Facon, auch wenn ich dabei seufze. Kinder lernen überhaupt ja sehr, sehr viel über Nachahmung, umso wichtiger ist es, dass die Erwachsenen sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sind und dass sie achtsam und aufmerksam im Umgang mit den kleinen Menschen sind. Selbstredend geht mal was schief, aber wie ich bei meinen Kindern lernen durfte, sie haben auch ein sehr großes Herz und mir das eine und andere sofort verziehen. Kindgerechte Kommunikation hilft dabei!
      Ich danke dir für deinen Input.
      Der Knirps ist mein Enkelsohn von vor zweieinhalb Jahren, ich grüße ihn gerne von dir 😉
      Herzensgrüße an dich auf deinem Dach von mir …

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  7. Ein superschönes Bild, liebe Ulli, und das Thema Erziehung, ein Wort, daß ich nicht mag, wird uns immer weiter beschäftigen, weil sich immer weiter Fragen ergeben und auch die ehemaligen Knispe uns erneut damit konfronieren.
    Dieses Ziehen, dran rum ziehen, zerren/verzerren, dehen und reißen, an einem Knisps machte mir schon immer Probleme, weil so leicht etwas kaputt geht und wenn es die Seele war, die (verbal) verprügelt wurde, werden die blauen Flecken erst mal verborgen gleiben, bis sie sich im späteren Verhalten zeigen.
    Dann damit klarzukommen wird schwierig und zeigt uns Grenzen, die wir erst mal in uns selbst überwinden müssen.

    Liebe Ulli, gerade wegen des Mißverständisses wird Dein Text so interessant und nachdenkenswert.

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    • Liebe Bruni, auch ich mag das Wort „erziehen“ nicht, aus demselben Grund wie du. Und natürlich mag ich auch nicht, was du damit assoziierst: rumzerren, rumziehen. Da sind wir uns, glaube ich, alle einig. Aber ob ich das, was dennoch nötig ist, Erziehung oder anders nenne – das Problem bleibt ja: in welcher Weise sollte, idealerweise, ein Kind begleitet werden, damit es zu einem selbstbestimmten erwachsenen Ich wird, das die anderen Menschen als gleichberechtigte Ichs ansieht und respektiert?

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    • Liebe Bruni, ich habe jetzt zwei Tage über meinen Text sinniert und kam zu dem Schluss, dass es wohl nicht reichte, als ich schrieb: „…da wird es hier und da grotesk“ – gemient war m a n c h m a l.
      Ich kenne viele liebevolle Eltern und auch Erzieherinnen, die eher begleiten als „erziehen“, aber ich beobachte nun auch leider wieder anderes. Darin versuche ich meinen Weg zu finden, was nicht gerade einfach ist. Mir geht es eindeutig um das Wohl der Kinder, wenn sie nur aus Angst vor einer Erzieherin auf das hören, was gesagt wird, dann macht mir das eben Bauchweh und den Kindern wohl sowieso. Manche sind wehrhaft, sie können richtig wütend werden, diese Kinder ersticken wenigstens nicht an ihren Gefühlen. Es ist kein einfaches Thema, das behaupte ich nicht, aber wie ich oben schon schrieb, wir sind die Großen, sind Vorbilder und tragen die Verantwortung. Mit Kindern sein erfordern viel Aufmerksamkeit und Achtsamkeit, zumal ja nun auch nicht jedes Kind wie das andere ist.
      Herzliche Grüße und Dank für deins,
      Ulli

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      • Ich sehe es wie Du, liebe Ulli. Ich sehe auch sehr viel Liebevolles, Hegendes, Pflegendes und Verständnisvolles.
        Aber manchmal reicht das Verstehen nicht, wenn es starke Kinder sind, die, die ihren Willen durchsetzen wollen, auf Teufel komm raus, und man muß ihnen verständlich machen, was gefährlich ist und was anderen wehtun könnte. Es ist nicht einfach und nicht immer reicht die Gelassenheit aus. Kinder zu bekommen ist zwar nicht leicht, aber Kinder groß werden zu lassen, ist noch schwieriger
        Liebe Gutenabendgrüße von Bruni an Dich

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  8. Erziehen hat für mich immer einen Beigeschmack: in eine Richtung ziehen, im Zweifelsfall mit elterlicher oder amtlicher Autorität/Gewalt wegziehen; in das, was wir für die richtige Richtung halten, ziehen; oder was Staat oder Industrie für die richtige Richtung hält.
    Für mich wäre die richtige Einstellung eher „anleiten“. Zur Selbständigkeit, zu offenem Denken; zu finden, was für die persönliche Entwicklung wichtig für das Kind (nicht für uns) ist.
    Aber wo werden wir als Eltern denn überhaupt angeleitet?, wo lernen wir denn überhaupt den Umgang mit Kindern? Durch die „Prägung“ (was für ein gewalttätiges Wort) durch unsere Eltern und unsere sog. Leitkultur?
    Ich trau diesen ganzen überlieferten Schlagwörtern einfach nicht mehr!

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    • Damit tust du aus meiner Sicht das genau Richtige. Wieso sollten wir Schlagwörtern vertrauen? Gilt es nicht immer wieder zu beobachten, zu komplementieren und dann aus dem heraus zu handeln, gepaart mit der Offenheit auch die eigene Meinung einmal zu revidieren? Immer wieder taucht dies hier auf meinem Blog auf und daran sehe ich auch, wie wichtig das Thema vielen von uns ist: es geht um (gewaltfreie) Kommunikation und in jedem Gegenüber, ob groß oder klein einen Menschen mit Bedürfnissen und Gefühlen zu erkennen. Wir Erwachsenen können uns selbst (und gegenseitig) an die Hand nehmen und uns das eine und andere ändern und lehren (lassen), dafür aber braucht es Offenheit, Wohlwollen, Mitgefühl und daran hapert es eben. So bleibt es mühselig und manchmal auch lohnend …
      ich danke dir für deins zum Thema, herzliche Grüße,Ulli

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    • Ich finde „anleiten“ auch als beste Jobbeschreibung für Eltern, und den besten Kompromiss aus „erziehen“ und „begleiten“. Auch wenn das Anleiten nicht weniger eine Herausforderung an eben diese Eltern stellt. Wo fängt diese an und wo sollte sie aufhören? Aber ich denke das kann jeder Elternteil in dem Moment bestimmen wenn er den Kiddis gut zuhört und diese aufmerksam beobachtet. Die geben schon zu verstehen ob es ihnen passt oder nicht 🙂

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  9. Pingback: Schreibeinladung für die Textwochen 47.48.18 | Wortspende von umgeBUCHt | Irgendwas ist immer

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