Etüde Nummer zwei im Oktober 2018

Wieder hat Christiane zu einer Etüdenrunde eingeladen, dort findet ihr auch die Teilnahmebedingungen.

Die Wörter Pfründe, mondän und lassen hat dieses Mal Bernd von redskiesoverparadise gestiftet. Mein herzlicher Dank an euch beide.

 

 

Man muss seine Pfründe sichern! ICH investiere ja schon länger in Kunst. Schauen Sie einmal … s o w a s kann man sich doch nicht ins Wohnzimmer hängen!“ Die Chice zeigt entrüstet auf ein rotes Bild. Eine Schere hat einen Frauenkörper durchtrennt. Angewidert schüttelt sie ihren Kopf. Ihr Begleiter bleibt stumm.

Er schaut einmal, schaut zweimal und zieht leise seinen Hut, dass sich jemand traut die Beschneidung von Frauen zum Thema zu machen.

Sie ist schon weitergezogen und steht ganz verzückt vor einem Mohnblumenbild: “Nun kommen Sie doch endlich! Das hier, das müssen Sie sehen … das ist Kunst! Das will ich haben, es passt ganz wunderbar zu meiner roten Ledercouch.“

Er nickt. Besser ist das. Nicken, wenig sagen, sie lassen, das gehört zu seinem Job. Nur noch heute, dann … dieses mondäne Leben, dieses geistlose Getue geht ihm auf die Nerven. Dann lieber Barkeeper als Diener und Gespiele, scheiß doch auf´s Geld! Pfründe … pffft.


155 Wörter

37 Gedanken zu „Etüde Nummer zwei im Oktober 2018

  1. Ich glaube, die eigene Meinung ist in derartigen Verkäuferjobs eh eher weniger gefragt. Und dass die Oberflächlichkeit der Leute teils nicht mehr steigerbar ist, ist auch nicht neu, nur immer wieder erstaunlich. Aber jede*r hat einen eigenen Geschmack, und es ist sein bester … 😏
    Vielen Dank, ich freue mich, dass du wieder dabei bist!
    Liebe Grüße, eine gute neue Woche
    Christiane

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    • Liebe Christiane,
      mir ging es in dem Fall weniger um das Thema des Geschmacks, der ist selbstredend immer der eigene, darüber muss und sollte man nicht streiten. Mir ging es um die Tatsache, dass es modern geworden ist in Kunst zu investieren und da zählt die Gefälligkeit. Schon lange wird von Kunsthistoriker*innen und Kritiker*innen bemängelt, dass es kaum noch einen Stein des Anstoßes gibt und wenn, dann kommen diese Werke nicht in eine Ausstellung/Galerie … wieder ein weites Thema.
      Herzliche Grüße und dir eine gute Woche,
      Ulli

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      • Tatsächlich? Ich dachte, dass genau das (auch) das Wesen der Kunst ausmachen würde: ein Stein des Anstoßes zu sein, wie du es nennst. Unbequem. Diskussionsgegenstand.
        Okay, wieder was gelernt.
        Liebe Grüße
        Christiane

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        • Ja, das denke ich natürlich auch, aber in der Realität sieht es mittlerweile anders aus. Ich hörte einen sehr kritischen Bericht zur Art Basel, der genau dies zum Thema hatte, es wurde bemängelt, dass es ausschließlich Gefälliges und Schönes zu sehen gab, all das, was eben gut über eine Wohnzimmercouch passt oder in eine Arztpraxis … ich weiß, dass es auch die andere Kunst gibt, aber vielleicht spielt die ja mittlerweile mehr in den Straßen?

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          • ich war vor Jahren auf der Art Basel und war vom oberen Stockwerk begeistert. Dort war das ganz und gar nicht Gefällige, das Junge und Ausprobierende, das Schockierende und dann gab es noch Ausstellungsräume in einem anderen Gebäude, da war es ähnlich und man wurde schon sehr auf die Probe gestellt: Ist das nun einfach* nur* Kunst, oder evtl. doch reine Provokation.
            Aber es schon einige Jahre her, liebe Ulli. Es wird sich inzwischen sehr gewandelt haben.

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    • Danke, liebe Gerda, wie ich gerade schon an Christiane schrieb, so zählt in diesen Zeit bei der Kunst in der Hauptsache nur noch die Gefälligkeit. Aus meiner Sicht hat aber Kunst auch noch einen anderen Auftrag als nur „Schönes“ zu zeigen, nämlich auch zu rütteln und die Schattenseiten zu zeigen …
      herzliche Grüße und auch dir eine gute Woche, Ulli

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      • „In dieser Zeit“ ist, finde ich, falsch. Mir scheint, „Gefälligkeit“ war immer ein Hauptkriterium bei den Kunstkäufern und Mäzenen, also den Habenden und Mächtigen. Bei den Künstlern selbst war das natürlich nicht so, die hatten immer andere Kriterien als ihre Auftraggeber und Käufer.
        Die dunklen Seiten zu zeigen ging früher nur, wenn das von Kirche oder Mächtigen gewünscht wurde. sonst nur insgeheim (zB Goyas „schwarze Serie“ über die Kriegsgräuel). Heute ist man ganz anders gepolt. Provokation von Grauen und Ekel zahlt sich oft genug aus. Im Gegensatz dazu gilt es auf dem Kunstmarkt als geradezu verboten, „klassisch Schönes“ zu zeigen. Das sei was fürs Wohnzimmer der kleinen Leute oder für die Arztpraxis, nicht aber für die großen Museen und Galerien.

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        • Das mag sein, dass es schon anders gewesen ist! Ich schrieb es an Christiane, dass mein Hintergrund der einer Kritik an der Art Basel gewesen ist, die eben dies monierte, dass die ganze Messe nur so von Gefälligkeiten strotzte … und wenn ich ehrlich bin, sehe ich selten Provokantes!

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  2. Liebe Ulli, in der Kürze liegt die Würze – und diese beiden wunderbaren Fotocollagen ersetzen mindestens 145 Wörter. – Über Geschmack lässt sich wirklich schlecht streiten, aber wenn es nur noch um den finanziellen Wert eines Gemäldes geht, hat der Geschmack ausgedient.
    Mit Gruß von Clara

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    • Liebe Clara, das Thema Kunst und ihre Wertigkeit ist ein großes Thema, wie eben auch die Gefälligkeit oder das Rühren an Themen, die, neben der Schönheit, auch in der Welt sind, bei letzterem geht es weniger um den Geschmack, als ums Bewusstsein oder dem Wunsch ein Thema ins Bewusstsein zu holen, so wenigstens verstehe ich auch den Auftrag an die Kunst.
      Ich wünsche dir eine schöne Woche,
      herzlichst, Ulli

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    • Wenn man keinen Galeristen, keine Galeristin hat oder Agentin/Agent, dann, und das ist bei den meisten relativ unbekannten Kunstschaffenden so, müssen sie zumindest den Preis bestimmen, was aber an den Mann, an die Frau kommt, können sie nicht beeinflussen und wäre ja auch Quatsch!

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  3. Es gibt halt eben nicht eine „Kunst“ sondern verschiedene Zweige und Ansprüche. Die gefällige Kunst war sicher zu allen Zeiten die beliebteste und die gesellschaftspolitisch engagierte die brotloseste. Wobei es ja auch ein paar Ausnahmen gibt.

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  4. Ob das Rot der roten Ledercouch.genau zu dem Rot des Bildes passt. Anfrage an die Künstlerin: Könnten Sie das Bild nicht einen winzigen Tick ins Gelbe abwandeln? Auch bei Sonne sollte es auch immer das gleiche Rot sein, auch nachts natürlich.

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  5. »Nicken, wenig sagen, sie lassen, das gehört zu seinem Job.« Da kenne ich noch mehr Jobs. Fein. Eine Etüde in Rot. Da leuchtet der rote Himmel über dem Paradies. Liebe Grüße, Bernd

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  6. Deine Etüde ist spitzenklasse, liebe Ulli. Ich habe es schon oft gehört, daß nach der Wohnzimmereinrichtung gekauft wird. Es ist nicht zu fassen. Bei solchen Menschen halte ich lieber meinen Mund. Sie lassen nur das Eigene gelten.
    Du hast es fein zwischen den Zeilen blitzen lassen, daß da einer ist, der versteht, um was es geht und der dann auch seine Konsequenzen ziehen wird, weil er dieser Scheinwelt den Rücken zudrehen muß, muss sich nicht weiter vor sich selbst schämen zu müssen.
    Deine Collagen passen sehr gut zum Text, obwohl sie noch viel zu schön sind für diese Klientel, die aber das Geld habt und ein Künstler muß ja schließlich auch leben…

    Liebe Grüße von Bruni an Dich

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    • Liebe Bruni, das ist ja immer ein bisschen die Krux, wenigstens für mich, dass sich Kunsthandwerk und Kunst nur die Gutbetuchten leisten können.
      Herzlichen Dank für deins,
      liebe Grüße, Ulli

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      • Oh, Du bist doch von Kunst umgeben, liebe Ulli, und ich auch, wenn es auch eine Kunst der sehr anderen Art ist 🙂
        Ich fühle mich ganz und gar nicht benachteiligt *schmunzel*
        Herzlichst, Bruni

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        • Es geht dabei nicht um mich, es geht darum, wenn ich Kunst verkaufen will, dann geht das entweder nur unter Preis oder eben nicht für jede*n, damit hatte ich schon immer meine Mühen.

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  7. Um Kunst zu verkaufen brauchst Du ein gutes Händchen, viel Fingerspitzengefühl und gute Nerven. Dazu Insiderwissen und jede Menge Beziehungen zu den richtigen Leuten. Ich fühle mich hier total überfordert, liebe Ulli

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  8. Pingback: Schreibeinladung für die Textwochen 45.46.18 | Wortspende von Wortgerinnsel | Irgendwas ist immer

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