Schaukel

Die kleine blaue Frau sitzt auf der Schaukel, vor und zurück, vor und zurück. Sie wundert sich, sie ist traurig, wütend auch. Es schien doch alles einmal gut. Damals, als sie zurück zum Hafen ging. Sie erinnert sich:

Der Hafen ist von hier nicht weit. Sie hört schon Schiffe tuten. Sie erkennt das alte Lied in Moll der Abfahrt und Ankunft, der Reisen mit und ohne Wiederkehr. Die kleine blaue Frau hat den grünblauen Mantel mit dem rot mäandernden Faden angezogen, darunter leuchtet das rote Kleid. Ihren Rucksack trägt sie auf dem Rücken. Mit geradem Rücken schreitet sie die Gangway der Fähre hinauf. Sie dreht sich nicht um. Ihr Blick geht geradeaus, ihre Zeit ist jetzt. Sie singt das Lied der Alten mit den sieben Schneenamen:

Wir sind Sterne, die singen können. Wir singen unser Licht. Wir sind Feuervögel. Wir fliegen durch den Himmel. Wir alle sind wie der Wind, eingehüllt in leuchtende Flügel. Unser Licht ist eine Stimme. Wir bauen eine Straße des Übergangs für die Seelen, die gegangen sind, für die Seelen, die gegangen sind.“

(frei übersetzt nach dem Lied von Dead can dance: Song of the stars)

Vor und zurück, vor und zurück. Sie schaut noch immer nach vorne, aber schwer ist wieder ihr Schritt. Sie will sich erinnern, auch an all die Lieder, die sie einst gefunden hat:

Zusammen stehen die Alte mit den sieben Schneenamen und die kleine blaue Frau am nächsten Morgen vor der Türe und singen den Wind. Es kommt das weiße Rentier Mirandash pyree auf seinen durchsichtigen Schwingen heran. Es schaut die kleine blaue Frau, es spitzt die Ohren. Es hört und riecht die kleine blaue Frau. So geht es eine lange Weile, bevor es spricht:

„Du hast die Lieder der Toten gelernt, du hast die Tänze der jungen Frau getanzt, du hast dein Sommermädchen wachgeträumt, du hast das Ist getanzt. Du bist nicht allein. Dein Volk steht in deinem Rücken, die Alte mit dem erdigen Gesicht wohnt in deinem Herzen, gleich neben dem geheimen Gedicht. Du hast deinen Platz gefunden, du hinterlässt keine Spuren. Du singst dein Lied leise. Du hast dein Gesicht gefunden und alle Masken brannten. Du hast das Lied der Erde gelernt, das von der Wiederkehr und das der Steine. Du kennst jetzt keine Eile mehr. Du bist genügsam geworden und zufrieden mit dem was ist. Du hast gelernt für dich und andere zu sorgen, hast das Holz gehackt, das Feuer gehütet, die Suppe gekocht, den alten Büffel gefüttert. Du hast gehandelt und gedient, du hast geträumt und gesehen, gehört und nachgedacht…

Wieder hat die kleine blaue Frau ihre Lieder leise gesungen, das vom Leben und Sterben und von der Erde zuerst, dann das der Steine.

Auf ihrem Weg über die Ebenen hat sie noch andere Lieder gelernt: das von den sieben Richtungen, den acht Winden und den fünf Elementen, dem Oben und Unten und das von der Mitte. Sie hat das Lied der Schmetterlinge gelernt und das der Bärin, das weise Lied der Raben und das Lied von der Maus, die auszog die heiligen Berge zu finden.

Sie hat das Wacholderlied gelernt und das Lied der Birken, das der Goldrute und der Engelwurz und viele andere mehr. Sie hat mit den Winden getanzt, sie singt alle ihre Lieder, eins nach dem anderen inmitten der weißen Kieselsteine, umringt von den unsichtbaren Namen. Nur das Lied der Wiederkehr tönt doppelt aus ihr heraus, in einer hohen und in einer tiefen Lage.

(Ausschnitte aus: Die kleine blaue Frau träumt Meer)

Vor und zurück, vor und zurück, sie springt von der Schaukel und geht weiter. Sie dreht sich nicht um. Ihr Blick geht geradeaus, ihre Zeit ist jetzt.


Anmerkung

Ich habe zwischen den Jahren das obige Bild: „Alle Masken brannten“, überarbeitet und auch noch einmal meine Novelle „Die kleine blaue Frau träumt Meer“. In der nächsten Woche werde ich den Schritt wagen und mich schlau machen, wieviel ein Eigendruck kosten wird, um dann hundert Stück drucken zu lassen und zum Verkauf anzubieten. Die Verlage beißen nicht an und mir ist das ganze Gewese auch zunehmend suspekt. Ich mag diese Geschichte und möchte sie gerne in der Welt wissen.

Warum ich dies schreibe? Weil ich gerne wüsste wieviel Interesse hier, in diesen Kreisen, an der Novelle besteht, danke für eine Rückmeldung, egal, wie sie ausfallen wird!

35 Gedanken zu „Schaukel

  1. Du hast es vermutlich finanziell einfacher, wenn du bei einem dieser Selfpublisher-Dingsdas drucken lässt. Da du das große A nicht magst, würde ich dir empfehlen, auch mal bei BOD reinzuschauen, eine Freundin hat dort ein Buch … Was ich nicht weiß, und worauf man immer und unbedingt achten muss, ist, welche Rechte man abgibt, nicht dass dir dein Buch hinterher auf unbestimmte (oder lange) Zeit nicht mehr gehört. Aber vermutlich weißt du das schon alles. 😉
    Was ich eigentlich sagen wollte: Ich bin auf jeden Fall interessiert.
    Liebe Grüße
    Christiane

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    • Mit BOD habe ich mich schon beschäftigt, werde es zwar noch einmal tun, aber ich tendiere wirklich zum Selbstdruck, dann bleiben alle Rechte bei mir.
      Liebe Christiane, ich danke dir und ich freue mich über dein Interesse 🙂
      liebe Grüße, Ulli

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  2. Mich kannst Du ebenfalls für das Buch vormerken!
    Ist die Collage Für das Titelblatt gedacht oder wird die Collage auch extra verkauft?
    Aufjedenfall finde ich es eine super Aktion und ich wünsche Dir ganz doll viel Glück dafür!

    ❤liche Grüße Babsi

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    • Liebe Babsi, das Titelblatt soll anders aussehen, es ist aber eine Collage fürs Buch und auch so kann es erworben werden. Ich freue mich, dass ich dich vormerken darf, dankeee 🙂
      ❤ liche Grüße, Ulli

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  3. Ich würde auch sehr gern ein Exemplar haben! Ich finde es immer jammerschade, wenn wunderbare Texte und Bilder einfach im Netz „verschwinden“, eventuell vielleicht ein paar „Daumen nach oben“ – und dann weg …

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  4. Mir wird ganz warm ums Herz beim Lesen! Versprechen will ich noch nichts, aber das, was ich hier durch deinen Text erlebe, prägt sich tief ein. Nur Mut zu allem, was du unbedingt willst! Gratuliere und ebenfalls gute Wünsche! Im schlimmsten Fall kannst du’s über Jahre verschenken und somit aus-sähen, oder? Gut Glück ! 🙂

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  5. Mir scheint, du bist die kleine blaue Frau, die auf der Schaukel sitzt, halb wütend, halb entschlossen voranzugehen? Nun, ich wünsche ihr Glück, und dass ihr Schritt leicht ist – der erste und alle folgenden auch. Christianes Rat, die Novelle mit Books on Demand (BoD oder ähnlichem) zu veröffentlichen, halte ich für klug. Was willst du mit einem Stock von 100 Büchern? Ich erhalte seit Jahren den Newsletter von BoD, da ich wegen meines Romans und anderem Geschreibsel mit ähnlichen Gedanken spielte, habe mich aber nie aufraffen können. Eine Freundin von mir hat mit ihren Romanen ganz gute Erfahrungen gemacht. Das Marketing bleibt allerdings am Autor hängen. Das ist bei allen Formaten die crux.
    Die Maskenverbrennung ist dir sehr gelungen, sie gefällt mir schon deshalb, weil ich solche starren Lächel-Masken nicht mag. Mögen sie in Flammen aufgehen!
    Ich hab grad das Öl abgeholt, 200 l sind es in diesem Jahr. In meinem Auto hatten die 5l-Kanister grad so Platz, und ich fuhr sie vorsichtig durch Sturm und Regen. Zwischendurch riss der Himmel auf, blendendes Licht zog übers Meer und die nun schon recht beschneiten Berge. . Liebe Grüße dir.

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  6. Liebe Ulli, ich sehe ebenfalls dein Gesicht, wenn ich über die kleine blaue Frau lese und natürlich hätte ich gerne die Novelle, doch rate ich von BoD und ähnlichem ab, denn es ist viel günstiger selber eine Druckerei zu beauftragen. Wie das geht bekommst du da ganz genau mitgeteilt und das hast alle Exemplare zu Hause und benötigst keine ISB Nummer. Der Preis steht vorher auch schon fest und der richtet sich nach der Menge und der dicke des Buches. Der Laden heißt cpibooks.de und es ist wirklich kinderleicht sein Buch dort drucken zu lassen!

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  7. Arnos Idee ist eigentlich richtig gut, liebe Ulli. BoD ist seriös und alles klappt gut, aber Werbung für das eigene Buch ist nicht im Preis inbegriffen…, es sei denn, man legt einige Scheine drauf.
    Deine Collage ist verzaubert, sie spricht mit vielen Stimmen zu mir und alle reden vom Werden und Vergehen. Ich finde sie toll, so wie Deine kleine blaue Frau auch.

    Mit lieben Grüßen von Bruni

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