Sprache

Wir besitzen unsere Sprache nicht. Sie kommt zu uns oder lässt uns im Stich, und vor allen Dingen dürfen wir niemals glauben, dass wir uns verstecken können.

Lars Gustafsson – Risse in der Mauer

49 Gedanken zu „Sprache

  1. Ich habe mich beim Lesen des Zitats zunächst verlesen und statt verstecken verstehen gelesen. Wenn wir uns verlesen, dann hat das ja auch viel mit uns zu tun. Zumal wir Wörter nicht wirklich lesen, sondern mit einem Blick erkennen. Ich frage mich in letzter Zeit immer öfter, warum es so schwierig ist, sich zu verstehen. Ist es die schnelllebige Zeit? Ungeduld? Desinteresse? Oder ein Unvermögen sich sprachlich verständlich auszudrücken? Sprache ist gewaltig (Gewalt?). Sprache ist aber auch bunt, federleicht, beschwingt. Nur wenn wir nicht sprechen, verlieren wir sie Wort für Wort. Ich höre einem Menschen in meinem nahen Umfeld nur noch ungerne zu und beobachte, wie er die Worte verliert. Mir fehlen manchmal die passenden Worte und werde nicht verstanden. Was für ein Zitat!

    Gefällt 1 Person

      • Liebe Elvira, verstehen hat ja auch viel mit zuhören zu tun, meiner Meinung nach können dies viele nicht, sie hören, was sie hören wollen oder können und sind dann schon mit ihrer Antwort beschäftigt und hören so eventuell gar nicht was wirklich gesagt wurde; dazu kommt die Schwierigkeit sich auszudrücken, das zu sagen was man sagen will, in manchen Feldern ist das einfach, in anderen nicht.
        Mir ist dieser Satz von Gustafsson aufgefallen, weil mir seit einiger Zeit die Worte abhanden gekommen sind, ich vieles gerade nicht ausdrücken kann, zwar kenne ich solche Phasen, aber gleichzeitig ist es schwer sie auszuhalten. Und verstecken kann ich mich eben auch nicht, da gibt es kein „so tun als ob“.
        Herzliche Grüße Ulli

        Gefällt 1 Person

        • Immerhin kommt deine Sprache manchmal zu dir, liebe Ulli, das ist eine große Gabe. Zu vielen kommt sie nie. Und wenn sie grad nicht zur Verfügung steht: es gibt zum Glück die Sprachen anderer Sprachfähiger, die einigermaßen die Lücke füllen.

          Gefällt 3 Personen

    • Ich empfinde Sprache als ein weites Feld, es gibt die sogenannte rechte Rede = achtsames Sprechen und es gibt die Wahl der Worte, manchmal denke ich, dass ich schon mein Leben lang sprechen lerne, ohne es bislang wirklich zu können –
      liebe Grüße
      Ulli

      Gefällt 2 Personen

  2. Liebe Ulli, ich las grad deinen Beitrag zu Prudentia nach (https://cafeweltenall.wordpress.com/2017/01/18/p-prudentiaklugheit/) und bin mal wieder beeindruckt von der Weitsichtigkeit und Vielschichtigkeit deines Denkens, und deiner Fähigkeit, eine sprachliche Form dafür zu finden. Nicht immer geht das, sehr oft tappen wir im Irgendwo, hoffend, dass uns ein anderer den Ausweg zeigt. Und rennen zu auf den Spalt in der Mauer, durch die ein Licht zu fallen scheint. Grüße von Herzen. Gerda

    Gefällt 4 Personen

    • Liebe Gerda, da sagst du etwas … tatsächlich fällt es mir oft sehr viel leichter meine Gedanken schriftlich zu fixieren, als im direkten Dialog; schriftlich kann ich auch besser mit Kritik umgehen, vielleicht bin ich ja eine Frau, die die Distanz braucht?!
      Auf alle Fälle freue ich mich auf den Morgen, an dem ich aufwache und wieder aus meinem Schneckenhaus herausgekommen bin, noch ist es ein Ringen darum.
      Gerade denke ich wieder einmal, wie schön, dass es dich und die anderen gibt! Jetzt aber erst einmal danke für dich
      herzlichst
      Ulli

      Gefällt 2 Personen

      • Danke dir, dass es dich gibt. Und fürchte dich nicht allzu sehr, du könntest trotz Achtsamkeit mit deiner Sprache verletzen oder nicht das Richtige treffen. Denn ich glaube, die Sprache verlässt uns gerade aus solcher Angst heraus. Sprich ruhig das Deine aus und überlass es dem anderen, wie er es verstehen möchte. —-
        Schau, vielleicht ist es ganz falsch, was ich hier grad sage, und ich jage dich nur tiefer in dein Schneckenhaus hinein. Vielleicht trifft es aber auch etwas in dir. Oder es ist für dich ganz belanglos – das ist mein Risiko, wenn ich rede. Soll ich deshalb stumm bleiben wie ein Fisch? Allerliebste Grüße, während der Schweiß in Strömen fließt (Südwind).

        Gefällt 2 Personen

        • Da steckt Wahrheit drin Gerda ( wenigstens für mich), wenn es um Diskussionen geht. Ich übe, hier habe ich einen echten Sparringpartner (was aber auch sehr anstrengend ist)- mir geht es gerade mehr darum Worte aus meinem Innen zu finden, wieder mehr zu schreiben, seien es nun Miniaturen oder Artikel zum Hier und Jetzt. Es gibt so eine Grundmüdigkeit Zurzeit in mir, die mich beutelt. Ja, ich weiß, ich habe gerade einen großen Schritt gemacht und die Prozesse werden mich noch eine Weile begleiten, das ist Willkommen, nur bitte nicht in Lähmung und Wortlosigkeit. Wie ich gerade schon an Bruni schrieb, habe ich vielleicht heute dieses Zitat gewählt, weil ich wieder üben will, weil ich aus meinem seltsam verknotetem Schneckenhaus hinaus will.
          Herzliche Grüße, hier hat es endlich abgekühlt, es hat endlich geregnet, mich macht das froh!

          Gefällt 2 Personen

      • Was ich zu sagen habe, kann ich – grundsätzlich – eher schriftlich als im direkten Dialog fixieren – das kommt mir sehr bekannt vor. Vielleicht sammeln sich unter Schreibenden besonders viele Menschen, denen es ebenso geht? Wäre ja so zufällig nicht;-)

        Gefällt 1 Person

    • Es ist schon eine Weile her, dass mir der Satz auffiel, seitdem aber hat er mich immer wieder einmal beschäftigt, das ist der Grund warum ich ihn heute mit euch geteilt habe und nun sehe, dass er auch andere zu beschäftigen weiß, schön ist das!

      Gefällt 1 Person

    • Wer das sagte weiß ich nicht, ich denke aber, dass man eh nicht über irgendwas sprechen kann, wenn es einem gerade die Sprache verschlagen hat. Und dann gibt es Zwischenbereiche, in denen man vielleicht etwas ausdrücken möchte, was aber noch nicht klar ist, das ist dann wohl der Moment noch ein bißchen mit dem Sprechen zu warten?! Und es gibt ja auch noch mehr als das gesprochene Wort, es gibt die Musik und die Bildersprache, im letzteren weiß ich mich dann manchmal so auszudrücken, wie es mir mit Worten nicht gelingt (alles in allem sind es bei mir unterschiedliche Phasen)
      liebe Grüße
      Ulli

      Gefällt 3 Personen

    • Das ist der zentrale(?) Satz in Wittgensteins „Tractatus logicus-philosophicus“. „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“
      Allerdings versteht er „Sprache“ und „Welt“ weit „eindimensionaler“ als wir hier alle gerade. „Welt“ sind nur Tatsachen, Ding-Zusammenhänge. „Sprache“ klare verifizierbare oder falsifizierbare Sätze. In diesem Sinne steht in unser aller Texten kaum je ein Satz;-)
      Dahinter allerdings, hinter dieser durch Sprache abbildbaren konstruktivistischen Welt, beginnen allerdings erst die Probleme der Welt. Das „Mystische“, das Ich, der Sinn, Gott, Ethik, Religion, Kunst … darüber lässt sich nach Wittgenstein eben überhaupt nicht sprechen. Da wo die Lebensprobleme erst anfangen, da haben alle Sätze längst geendet, so sagt er.
      Hm, so habe ich es jetzt aus meiner Erinnerung – und einem alten Hefter (!) – aus meinen Philosophiesemestern in den 90ern hervorgekramt, ich hoffe ich habe hier nicht allzuviel miteinander verwürfelt;-)
      Jedenfalls: Wittgenstein hätte wohl unseren Blogs ihre Berechtigung abgesprochen. Wobei, später hat er seine Philosophie und sein erstes Hauptwerk nochmals überworfen. Aber über diese „Philosophischen Untersuchungen“ habe ich damals kein Seminar besucht, und deswegen weiß ich nicht, ob unsere Sage-, Lese- und Schreibversuche in seinen Augen nicht doch noch eine Berechtigung bekommen hätten;-)
      Liebe Grüße an Euch
      Frau Rebis

      Gefällt 2 Personen

      • herzlichen Dank für diese mitternächtliche Belehrung. Ich habe dies alles schon längst vergessen, und es ist doch wichtig genug. Ich nehme an, dass Wittgenstein die Wörter „Ich, Sinn, Gott, Ethik, Religion, Kunst“ etc irgendwo ja doch auch braucht, benennt – oder kommt er ganz ohne sie aus?

        Gefällt 2 Personen

        • Ohweh, ich hoffe es war nicht allzu belehrend …
          Nun blättere ich zu frühester Morgenstunde in meinem Tractatus: Ja, es ist wie ich es in Erinnerung hatte – all diese anderen Felder werden dort nur in jenem letzten Satz, dass man über sie eben nicht sprechen könne, erwähnt. Und vorher schon:
          „(4.116) Alles, was überhaupt gedacht werden kann, kann klar gedacht werden. Alles, was sich aussprechen läßt, läßt sich klar aussprechen.“
          Die beschreibbare Welt ist also eine sehr enge. Folglich(?):
          „(6.41) Der Sinn der Welt muß außerhalb ihrer liegen.“ … auch „Wert“ sei nicht in der Welt enthalten.
          „(6.42) Darum kann es auch keine Sätze der Ethik geben.
          Sätze können nichts Höheres ausdrücken.
          (6.421) Es ist klar, daß sich die Ethik nicht aussprechen läßt.
          Die Ethik ist transzendental.
          (Ethik und Ästhetik sind Eins.)

          (6.423) Vom Willen als dem Träger des Ethischen kann nicht ausgesprochen werden.
          Und der Wille als Phänomen interessiert nur die Psychologie.“
          Dann erwähnt er kurz das Gute und Böse, den Tod, Gott und das Mystische – alles das sei nicht IN der Welt, sondern … hm … ich könnte jetzt nur abschreiben, weil es sich meinem wirklichen Verständnis entzieht.
          „(6.522) Es gibt allerdings Unaussprechliches. Dies zeigt sich, es ist das Mystische.“
          So ganz ohne all das kommt er also doch nicht aus. Er hält es nur für nichtphilosophierbar, für nichtsagbar eben und verweist es darum aus seiner Betrachtung. Dass da aber etwas sein muss … recht bald nach diesem Werk zog er sich zurück und arbeitete als Dorfschullehrer. An der Basis des Lebens sozusagen. Vielleicht war das seine Form der Weitersuche nach dem Tieferen? Aber das ist schon Spekulation …
          Ich grüße Dich herzlich – und eile jetzt in mein Dorfgymnasium;-)

          Gefällt 2 Personen

          • Danke, herzlichen Dank für deine freundliche Weiter-„Belehrung“. Ich stelle fest, dass ich Wittgenstein nie wirklich gelesen habe. Hm. Merkwürdig ist die Formulierung „Es gibt allerdings Unaussprechliches“ – dieses “ es gibt“ steht so seltsam blass und nackt in der Wittgensteinschen Welt, wie ein Sterntalerkind ohne Hemdchen. Es gibt ….
            Sehr unangenehm fällt mir das Apodiktische seiner Formulierungen auf. „kann nicht“, „interessiert nur“, „alles was… kann nur…“. Mir kommt das so vor, wie wenn jemand Klarheit im Wald schafft, indem er die Bäume fällt.
            Noch mal Dank! Die Sache mit dem Volksschullehrer gefällt mir – wenngleich ich auch da leicht Bedenken habe: werden die Kinder vielleicht, weil das klare Denken störend, ebenfalls weggedacht? LG Gerda

            Gefällt 2 Personen

            • Dieses Klarheitschaffen durch Bäumefällen, das finde ich sehr treffend. Es war vielleicht Hilflosigkeit – weil er anderes darüber nicht sagen konnte?
              Ich glaube, als Volksschullehrer ist er letztlich auch nicht glücklich geworden. Aber wer weiß …
              Liebgruß zu Dir
              Frau Rebis

              Gefällt 2 Personen

      • Genau deswegen liebe ich die Bloggerei auch, ich kann so viel von euch lernen! Hab herzlichen Dank, liebe Frau Rebis und was nun Wittgenstein betrifft, hej, manche haben hohe Ziele, anere hängen das Scheffel ein bisschen niedriger, was wir meinen sagen zu wollen, das sollten wir auch tun!
        Herzensgrüße an dich
        Ulli

        Gefällt 2 Personen

  3. Ein weiser Mann mit klugen Gedanken und manchmal kommt etwas, das möchte man unbedingt teilen mit jemand
    Sprache ist ja nicht selbstverständlich und sie als Besitz anzunehmen wäre vermessen.
    Bemühen wir uns nicht um sie, geben wir ihr zu wenig Pflege, verübelt sie es und ist bockig *g* . Dann ist es Zeit, intensiv um sie zu werben

    Liebe Grüße von Bruni

    Gefällt 3 Personen

  4. Liebe Ulli,
    nun bin ich seit Stunden auf der Suche danach, dieses Wort „verstecken“ im Zitat für mich zu verstehen, und bin noch nicht fündig geworden. Vielleicht lässt mich ja an Tagen wie heute – da ich etwa acht Stunden gesprochen habe, und vieles davon mit viel Gewicht – sogar das Lesenkönnen im Stich:)
    Wieso aber empfinden wir es als „im Stich“? – Ich ja auch.
    Was würde es mit mir machen, wenn ich es anders formulierte. So etwa: „Meine Sprache lässt mich in Ruhe.“ — Dann enthielte der derzeitige Zustand eine Chance, der Teig dürfte erst gehen, die Pflanze keimen, der Prozess gären, all das – bevor es nach außen in die Sichtbarkeit, in die Lesbarkeit tritt.
    „Meine Sprache lässt mich in Ruhe.“ — Dann enthielte meine eigene Sicht nicht nur Enttäuschung über Erwartetes, Erwartbares, über vermeintlich selbstverständliche Hilfe in der Not.
    Nun bin ich ins Sinnieren gekommen, was mir meine Sprache bedeutet, was ich täglich von ihr erhoffe, allzuoft aber auch erwarte, was ich ihr alles auftrage, ja, aufbürde auch.
    Lösen werde ich dies heute nicht, ich sitze hier in unendlicher Müdigkeit, kippe nur noch ins Bett und grüße Dich von Herzen
    Frau Rebis

    Gefällt 3 Personen

    • Du Liebe, ich habe auch länger übers „verstecken“ gegrübelt, ich verstehe es zum einen so, dass wir uns nicht hinter unserer Sprache verstecken können, da wir immer etwas von uns preisgeben, auch wenn wir meinen, dass wir gerade eben etwas verschlüsselt oder gar nicht benannt haben- da komme ich wieder zur Körper- und der Zwischen-den-Zeilen-Sprache …
      Das andere ist, dass, selbst wenn mich die Sprache verlässt, etwas sichtbar wird, nämlich meine Sprachlosigkeit-
      ich danke dir für diesen Input und hoffe, dass du heute Morgen ausgeruht warst, ich wenigstens habe endlich mal wieder gut geschlafen, das ist sooo viel Wert!
      Herzensgrüße sende ich dir
      Ulli

      Gefällt 2 Personen

      • Liebe Ulli,
        mir rennt die Zeit unter den Fingern weg, ich würde so gern so viel mehr lesen, und schreiben, und Euch zuhören, und mein Eigenes weitertun … und Deines lesen …
        Nun eile ich aber schon wieder in die Schule, heute ist Noteneintragung, und viel anderes. Müde bin ich immerzu, und allmählich werde ich auch noch traurig, weil mir vieles fehlt in diesen Tagen.
        Ich grüße Dich aus meinem schon wieder hektischen Morgen ganz lieb und wünsche Dir gemächlicheres Sein
        Frau Rebis

        Gefällt 1 Person

        • Ich denke gerade oft an dich und deinen Endspurt, fühle dich einfach mal gedrückt und vielleicht ans atmen? 😉
          Alles geht nicht nd auch ich muss gleich wieder ran und werde mich dann hier wieder dünne machen, sowohl-als-auch funktioniert eben auch nur mit der entsprechenden Energie.
          Liebe Grüße Ulli

          Gefällt 1 Person

  5. Pingback: 12 von 12 im Juli | gestreift - berührt - geteilt

Ich freue mich über Kommentare

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..