Blaue Stunde #19

Es ist lange her, bald zwei Jahre, um genau zu sein, dass ich einen Text im Sinne der Blauen Stunden schrieb. Blaue Stunden sind Momentaufnahmen in einem Gedankenfluss. Jetzt ist wieder diese Zeit!

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Reisen

Eine Krähe krächzt, das Radio tönt in der Küche unter mir, sonst nichts. Der schneeschwere Himmel entlässt einzeln tänzelnde Schwebeflöckchen, die sich auf ihre schmelzenden Schwestern legen, nahe am Boden, unter dem Gräser und Blumen noch Winter schlafen. Manchmal singen einige Vögel, manche verlieren erste Federn. Heute nicht.

Nicht nur Gehörnte sind zäh, die Wintervögel sind es auch, die Krähen, Meisen, Dompfaffe und Grünfinken, das Rabenpaar vom Dorf nebenan. Sie überleben Schnee und Eis und die eine und andere Katze.

Ich kann viel über Seelenwege schreiben, aber wenig über Vögel und ihre Überlebensstrategien. Ob ich mehr über Bahnhöfe schreiben kann, als das, was schon Viele vor mir geschrieben haben?

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Persönliche Augenblicke ziehen vorüber, Zugvögel gleich, aber jetzt habe ich schon länger keinen Bahnhof mehr betreten. Ich fotografierte stillgelegte Gleise und verrottende Waggons. Der Charme der Vergänglichkeit, die Hoffnung auf Ankunft und Wiederkehr und die alles bestimmende Bahnhofsuhr. Überall.

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Es war die Ankunft der Eisenbahnen in der Welt, die die Zeit synchronisierten. Eigentlich noch nicht so lange her! Gleichschaltungen, Völker verlieren ihre Trachten, Menschen ihre Gesichter, ein Elefant ist ein Elefant. Er sollte nicht aussterben! Aus-sterben … ganze Arten haben sich schon ins Aus gestorben, jetzt sollen die Elefanten, Wale und Schmetterlinge an der Reihe sein, ja, auch Bienen und Spatzen. Nur die Menschen vermehren sich weiterhin wie die Karnickel.

Ja, ich weiß, das sollte ich besser nicht schreiben, weil es Gründe hat, sogar verständliche, aber so weitergehen kann es auch nicht! Territorialkämpfe und Kolateralschäden, Menschenware und Arbeitskraft, noch drehen die Bahnhofsuhren Sekunden, Minuten und Stunden im Kreis.

Vorsicht an Gleis drei, der Zug nach Paris fährt jetzt ab, bitte treten Sie von der Bahnsteigkante zurück. Pfiff, Signal hoch, Türen knallen, der Zug nimmt Fahrt auf, wischt an mir vorbei bis zu seinen Rücklichtern, bis auch sie hinter der alles verschluckenden Linkskurve verschwinden. Das ist der Moment der kurzen Stille, des Blicks bis zur Linkskurve, den sich verzweigenden Gleisen entlang, zurück zu der weißen Linie vor der Kante, wo ich wie festgefroren stehe. Du sitzt in Richtung Paris, ich gehe Richtung Ausgang.

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Es sind die immer gleichen Uhren an nahezu immer gleichen Bahnhöfen, nur in den Städten bemühte man sich um Individualität (und in Uelzen), um Sack- und Durchfahrtsbahnhöfe mit und ohne Kuppeldach. Das Prozedere bleibt sich immer gleich. Abfahrt oder Ankunft, Freude oder Schmerz, Tränen gerne bei beiden, Blumen auch und Küsse, Umarmungen, gute Wünsche, schöne Grüße, Danke, Auf Wiedersehen.

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Ich stehe auf Gleis 7. In wenigen Minuten wird der Zug nach Trondheim einfahren. Ich habe einen großen und einen kleinen Rucksack, mein Ticket in der Jackeninnentasche. Oslo – Malmö – Berlin, wenn ich rückwärts schaue. Jetzt Trondheim – Bodø, dann Schiff, dann Moskenes, dann Bus, dann  Å. Je nördlicher ich komme, umso einsilbiger erscheinen die Orte auf meiner inneren Reisekarte. Schon in Malmö habe ich meine grüne Kappe verloren.

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© visitnorway.de

Ich reise allein, ich reise weil ich reisen will, Ziele kommen von Ort zu Ort und ich fahre möglichst auch nie noch einmal irgendwohin, wo ich schon einmal gewesen bin, nicht in fremden Ländern. Dazu erscheint mir die Welt zu groß und das Leben zu kostbar.

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Ich erinnere mich gut an den Bahnhof in Oslo, in Trondheim, in Bodø ist er mir weggerutscht, ich sehe den Hafen, die Fähre, den Fjord, den Bus in Moskenes. Ich weiß noch immer wie mein Zimmer in Å gerochen hat … nach Backstube. Herrlich war das!

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Stamsund Jugendherberge ©https://www.hihostels.com

Später in Stamsund, wo es die beste Jugendherberge ever gibt (wenigstens damals), schaute ich in ein verstaubtes Schaufenster, sah diese alte, schwarze, schöne Schreibmaschine. Ich sah mich ein leeres Blatt Papier zwischen ihre Rollen klemmen, hörte ihr Klickerdiklack, Worte füllten das unbeschriebene Blatt. Das war so ein Moment!

Von hier fuhr ich mit der Fähre ein paar Tage später Richtung Trondheim, dann wieder Zug. Ankunft um Mitternacht, irgendwo auf dem Weg nach Jotunheimen. Der Bus fuhr erst am nächsten Morgen. Meine zweite Nacht allein unter freiem Himmel, dieses Mal auf einer kleinen Lichtung, hier würde mich höchstens ein Reh ansehen. Nein, mich sahen Walderdbeeren am Morgen an, Hunderte. Ich lächelte. Ich lag da, Auge in Auge mit den kleinen, roten Beeren. Zu schön, um aufzustehen, um geschäftig zu werden.

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Später ging ich walderdbeerenlächelnd und heidelbeerenessend zum Busbahnhof. Dieselbe Uhr, es war noch Zeit. Zeit für einen Kaffee oder zwei.

Bahnhof Zoo und Schlesisches Tor, das waren meine Bahnhöfe daheim. Hunderte Male oder waren es tausend Male: Halle – Treppe hoch – Abfahrt: zurück bleiben bitte…

Manchmal blieb ich zurück, stand auf Gleisen, ging Richtung Ausgang – Treppen runter – Halle – raus auf die Straße, kein Taxi. Abfahrt, Durchreise, durch Länder, Wiesen, Felder, Wälder, Berge, Dörfer, Städte, an Seen, Flüssen, Fjorden, Wasserfällen und Meeren vorbei. Ich bin keine Sesshafte. Dafür ist die Welt zu groß und das Leben zu kostbar.

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Ich mag Orte für die Wiederkehr. Orte, die Namen, Größen und Landschaften im Fluss der Zeiten gewechselt haben. Menschen leben überall. Elefanten nicht. Dass ausgerechnet jetzt wieder die Bahnhöfe auftauchen… Aber ganz ehrlich? Mich interessiert gerade weder Prag, noch ein Zirkus, ich mag keine dressierten Tiere, ich mag Jokkmokk. Dahin sollte mein Zug jetzt fahren, Polarlichter sehen.

Zug fahren, die Landschaft vor dem Fenster verändert sich langsam, Menschen steigen ein, steigen aus, gegenseitiges Betrachten, hier und da werden Worte gewechselt, früher auch Geld. Europa, der alte Kontinent, der nun darum ringt seine Vielvölkerei gleichzuschalten, zu einem Takt von Gewinn und Verlust. In England und Griechenland ticken andere Uhrzeiten.

Synchronisation kann nicht anders, als immer wieder aus dem Takt zu geraten. Momente des Chaos. Kein Uhrwerk dreht sich ewiglich, nur der Zeit ist das egal. Der Morgen rötet sich, der Tag bricht an, nimmt seinen Lauf, senkt sich in die Abenddämmerung, ruht still in seiner Nacht. So geht das seit Millionen Jahren. Ankunft, Sein, Aufbruch, weg, Tage, Monate, Jahre in Jahreszeiten, du, ich.

Menschen zähmen Tiere, Pflanzen, Kinder und die Zeit. Menschen rennen, leiden, wehren sich, kommen zu spät, zu früh oder pünktlich, sie eilen, sie schlendern, ticken mit dem Fuß einen Takt mit Tempi in Asphalt und Erden. Sie tun. Sind sie?

Sein also, an einem Nachmittag im Februar auf dem stillen Winterberg, jetzt ohne einen Ton. Das sind die in Watte gepackten Tage, in denen kein Wind zum Fenster hinein singt, an dem nichts passiert, wenn ich still in ihm verharre. Dann höre ich ein Klickerdiklack und gehe auf  Erinnerungsreisen. Das sind so Momente!

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66 Gedanken zu „Blaue Stunde #19

  1. „Synchronisation kann nicht anders, als immer wieder aus dem Takt zu geraten.“

    „Kein Uhrwerk dreht sich ewiglich, nur der Zeit ist das egal.“

    …sehr schöne Betrachtung….gut gefundene Fotoobjekte…lassen eine sanfte, gleichmütige Stimmung in mir entstehen mit Neugier auf das Kommende gemischt…

    herzliche Grüße!

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    • Neugier auf das Kommende teile ich, ich, die ich gerade an der Schwelle stehe, das Neu hinter den Spitzenvorhängen, die ich nicht habe, schon sichtbar ist, fehlt nur noch die Sanftmütigkeit- was für ein Schönes Wort, liebe TeggyTiggs, an das du mich erinnerst, vom Zustand ganz zu schweigen- sanften Mut entwickeln, das nehme ich jetzt mit durch diesen neuen Tag mit seinem blauen Himmel und der Sonne auf weissschmelzendem Schnee, wie das blendet!
      herzliche Grüsse an dich
      Ulli

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  2. Liebe Ulli,
    Eine sehr schöne Wortreise, die das Reisen an sich in den Mittelpunkt stellt. Du kennst viele Orte! Das macht Lust, sofort aufzubrechen…
    Sprichst vieles an, zu dem ich stumm nicke.. mehr Mensch…dafür immer weniger Tierarten…Dressurviecher, Zookreaturen…reisen…ein Traum, den ich ziehe und pflege, in Reiseplänchen tuttele.
    Und kein Ort mehr zweimal im Leben und nirgendwo mehr bleiben (müssen).

    Ich bin sehr gern mit auf Reisen gegangen.
    Heute weiß ich, dass dieses ‚Ankommen‘ im Leben ein Märchen ist. Damals in der Zeit der Züge, der Lupinenzeit dachte ich noch , so etwas könne es wirklich geben. Aber das hängt vermutlich auch immer ab für wen.
    Ich bin gespannt auf den Aufbruch und das so oft ich Türmen kann um von der Welt noch etwas zu sehen bevor es mich früher oder später irgendwann aus den Stiefeln haut.
    Reiseberichte schreiben, Deiner ist umwerfend und macht Fernweh.

    Liebe Morgengrüße✨

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    • guten Morgen, liebe Fee, du schreibst, dass Ankommen im Leben ein Märchen sei, wie genau meinst du das. Fühlst du dich nicht mit dem Leben verbunden?
      Für mich ist es eher der Ort der ewigen Wiederkehr, der ein Märchen ist, aber eben auch nur für mich, andere haben ja solche Orte, aber die haben auch kein Zugvogelgen 😉
      Ich will auch noch viel reisen, solange und so weit wie es geht, und gestern beim Schreiben dieser Reise ist mir klar geworden, dass ich am liebsten entweder mit dem Auto oder mit dem Zug reise, fliegen ist immer so schnell und die Seele braucht noch etwas länger hinterher zu kommen, als im Auto oder im Zug, in denen sich die Landschaft im Tempo des gewählten Fahrzeugs verändert- ich bin schon geflogen und ich werde es wieder tun, aber geliebt habe ich das noch nie- und Schiffe sollten bei relativer Windstille über die Fjorde und Meere fahren, weil ich sonst immer seekrank werde …
      ich freue mich, dass dir mein Reisebericht gefallen hat-
      herzliche Grüsse
      Ulli

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  3. Zu blauen Stunden renne ich wie von der Schönheit besoffen mit der Kamera rum (wenn ich sie dabeihabe), ansonsten halte ich mein Gesicht ins verschwindende Licht und schweige und atme bunt mit den Winden …
    Und danke für den Hundertwasserbahnhof, da wollte ich auch schon länger mal wieder hin, gucken, ob er noch so schön ist 😉
    Liebe Grüße
    Christiane

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    • Liebe Marie, das Buch kenne ich nicht- im Fluss sein, mit dem Fluss des Lebens gehen und im Fluss, an einem Stück schreiben, was gerade da ist, das sind meine Freuden, schenkt mir Schwung, aber immer kann ich das leider auch nicht. Ich habe mich gestern gefreut, dass es wieder einmal nur so aus mir herausfloss. Ich erfahre in solchen Momenten auch immer eine Menge von mir, jetzt zum Beispiel, dass ich viel lieber mit dem Zug oder dem Auto verreise, als mit einem Flieger! Trotzallem werde auch ich wieder fliegen, irgendwann in diesem Jahr werde ich die verpatzte Reise nachholen!
      Dir wünsche ich einen zauberhaften Tag und grüsse dich vom blauen Schneeberg
      Ulli

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      • Liebe Ulli, ich glaube, die Kinsky könnte dir gefallen. Wenn du es haben willst, würde ich es dir schenken….ich lese es kein zweites Mal. Sag einfach Bescheid…du musst mir nur sagen, wohin ich es schicken soll. Die Patti bekomme ich von meinem Musikfreund. Liebe Grüße von einer derzeit kaum brauchbaren Marie (das Gesundwerden dauert und dauert und dauert, zum Verzweifeln)

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        • Ach du liebe Marie, ja, es dauert und dauert, wir sind nicht allein, schau mal bei Frau Rebis, die hat es jetzt auch scon zum zweiten Mal umgehauen, es ist kein Spaß, aber machen wir uns trotzdem einen, sag ich jetzt, wo es mir wieder ein bisschen besser geht- die Betonung liegt auf bisschen
          und auch ja gerne, ich schicke dir per Mail meine Postadresse, wahrscheinlich wird es morgen werden, da ich gleich zu einem Heimfilmabend verabredet bin- Jim Jarmusch: stranger then paradise – ich sah ihn vor Urzeiten mal im Kino, nun habe ich ihn gebraucht gekauft und freue mich!
          Vielen herzlichen Dank, auch dir schicke ich ein Kerzchen und eine Tasse Kräutertee von unseren Bergwiesen, selbst gesammelt, getrocknet, kleingemacht und in Dosen für kalte Wintertage gepackt
          Ulli

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  4. Danke fürs Mitnehmen auf deine Reise !
    Sehr schön.. Erinnerungen an eigene Reisen tauchen natürlich auf.. die Zeit scheint zu fliegen..ich nehme das Geschriebene mit in den Tag und werde es heute Abend noch einmal lesen. Mal sehen, ob es sich verändert hat.
    Gruss S.

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    • Liebe S., ich finde auch, dass die Zeit fliegt! Als ich gestern an diesem Text sass, brauchte ich fast länger für die Sucherei in den Bildarchiven, um die passenden Fotos rauszusuchen, als für den Text selbst- immer wieder bin ich erstaunt, wenn ich bei meiner Bildersuche feststellen muss, dass es schon länger her ist, als ich abgespeichert habe. Und das wird mit zunehmendem Alter leider nicht langsamer- erst später, sagt man, aber dahin will ich gar nicht!
      Da bin ich gespannt, ob sich etwas ändert, wenn du den Text am Abend noch einmal liest.
      Ich wünsche dir einen zauberhaften Tag
      liebe Grüsse
      Ulli

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    • Die Lapplandsehnsucht, ja, die steckt auch in diesem Text, sie taucht witziger Weise gerne im Februar bei mir auf!
      Blaues, ewiges Garn … das gefällt mir sehr! Danke dir, liebe Grüsse
      Ulli

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  5. Ich bin sehr gerne mitgereist, liebe Ulli und fand mich in einigen Stationen wieder. Auch ich fühle mich gerade wie auf einer inneren Reise, da ich dank meines Vorruhestandes neue Bereiche (Engagement, Menschen, Betätigungen) suche, verwirkliche und merke, wie vielseitig das Leben sein kann.
    Danke für deine Anregungen und fürs Mitnehmen,
    Anna-Lena

    PS: Der Bahnhof Zoo war auch ein Schwerpunkt meines Lebens. Mit Nachtdiensten bei der Bahnhofsmission vor der Wende habe ich mein Studium finanziert…

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  6. Sehr schön, Ulli, so manche eigenen Bahnhofs- und Reise-Bilder wurden in mir aufgerufen, während ich deinen Wegen folgte. Besonders beeindruckt hat mich der Satz „Es war die Ankunft der Eisenbahnen in der Welt, die die Zeit synchronisierten. Eigentlich noch nicht so lange her! Gleichschaltungen, Völker verlieren ihre Trachten, Menschen ihre Gesichter…“ und ich dachte automatisch an den Lenin-Satz: „Elektrifizierung und deutsche Eisenbahn gleich Sozialismus“. Gleichschaltung heute der Vielvölkermassen, Aber „Synchronisation kann nicht anders, als immer wieder aus dem Takt zu geraten“. –
    Da stoßen zwei ganz verschiedene Stimmungen aneinander: die eine die gleitende, nostalgisch-zurückblickende zieht in Zeiten des individuellen Vagabundierens hinein, durch stillgelegte und mürbe, irgendwie schon altertümliche Welten (Schreibmaschines Klackklackklack) – die andere steht frostig in der modernen Welt der Gleichschaltung, hoffend auf kleine Störungen, damit irgendwann doch ein Gesicht, ein Bild, eine Andersartigkeit erkennbar bleibt.

    Deine Reisen, liebe Ulli, treiben dich unweigerlich in den Norden. Ich fuhr oft mit dem Zug nach Süden, 60 Stunden bis Athen. Und ich erinnere mich an das erste Mal, an das Chaos des Ankommens, das Gedränge um die Taxen, die man nicht bekam. wenn man wie ich mit Säugling unterwegs war, an den Lärm und die Hektik und immer, wenn ich dich lese, frage ich mich, ob es dich überhaupt in den Süden zieht. Verzeih, wenn ich dies als Frage stelle, die mich umtreibt. Liebe Grüße! Gerda

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    • Liebe Gerda, aber ja zieht es mich auch in den Süden! Auch dorthin bin ich schon oft gereist, aber nie mit der Bahn, sondern entweder mit dem Auto oder ich bin geflogen- im Februar kommt immer wieder meine Sehnsucht nach Jockkmokk auf, das eine sind die Polarlichter, die ich gerne einmal sehen würde, das andere aber ist, dass jedes Jahr im Februar in Jokkmokk ein Treffen aller samischen Völker stattfindet, es treffen sich dort VertreterInnen aus Norwegen, Schweden, Finnland und Russland, um ihre Belange zu debattieren und in die Welt zu bringen. Umrahmt ist das Ganze von einem grossem Markt, auf dem man samisches Handwerk anschauen und kaufen kann- ja tatsächlich, das würde ich gerne einmal machen! Hat aber nichts mit meiner Reise nach Griechenland zu tun. Was glaubst du wie mein Herz gestern gehüpft ist, als ich las, dass man schon im Juni in Griechenland im Meer baden kann!!! 🙂
      Schön, wie du meinen Text gelesen, und wesentliche Stellen (für mich) herausgepickt hast – diese Reise war 1996, also noch im Rest der alten Zeit, da spielten Schreibmaschinen für mich noch eine grössere Rolle, als PC-Tastaturen! Viel wichtiger als das aber ist der Moment in dem ich mich wieder als Schreibende wahrnahm, der Wunsch danach wieder gross wurde- da hat sich in den letzten Jahren doch viel verwirklicht!
      Herzlichgrüsse gehen auf den Weg zu dir
      Ulli

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      • so ein Jokkmokk – ja das wäre schon auch was für mich – vielleicht. In meinem Romanfragment hat eine samisch-Stämmige Estin eine privilegierte Rolle. Sie ist Anthropologin. Ich hätte Lust, den Abschnitt. in dem sie zuerst auftaucht, zu veröffentlichen. Es ist ein Abschnitt im ersten Kapitel des Romans. … Mein schweifender Geist hat sie bei den großen Seen im Nordwesten Russlands gefunden, ich war nie körperlich dort . Nur in Finland war ich, allerdings zu spät. Denn die ursprüngliche Reise hätte ich machen wollen, als ich knapp 18 war. ich hatte eine Mitreisegelegenheit auf einem Frachter von Hamburg über Danzig und Petersburg nach Helsinki, ganz umsonst, und in Lahti drei gute Freunde aus dem IJGD-Lager, bei denen ich wohnen würde. Aber ich wurde krank: Steißbeinentzündung, konnte nicht sitzen noch liegen. ich war zuvor in den Alpen einen vereisten Hang auf dem Hosenboden runtergerutscht …. Ich reiste dann sehr viel später per Flugzeug und zu offiziellem Anlass nach Helsinki, es war interessant, aber natürlich durchaus nicht das, was ich als junges Menschenkind erlebt hätte. Dies war übrigens für mich das lebenslang härteste Reise-cancelling.
        Ich bin erleichtert über das, was du zur Griechenland-Reise sagst. Herzensgrüße aus dem sonnig-kühlen Athen!

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        • Ja bitte las es uns lesen, ich lese so gerne Fragmente aus deinem Roman! Finnland, Russland, das Altaigebirge, die Mongolei, das sind auch noch Fernwehziele, aber nun … das muss man sich auch alles leisten können! ich reise ja auch viel indem ich Bücher aus anderen Ländern lese und manche sind so grandiose ErzählerInnen, da ist es mir dann manchmal, als wäre ich schon dort gewesen-
          Reisecancelling kennst du also auch, es ist wirklich kein Spaß!
          Morgen weiß ich mehr und ich freue mich, dass ich dich beruhigen könnte- wirklich das eine hat mit dem anderen so gar nichts zu tun und ich habe mich zwar auch auf Griechenland gefreut, aber vor allen Dingen auf dich und das kann sich nicht so schnell ändern!
          Liebe Grüße an dich
          Ulli

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  7. Liebe Ulli,
    Ich habe wie Du ein Zugvogelgen. Bislang konnte ich noch nicht genügend ausleben, aus meinem Kommi spricht ein Fernweh. Ankommen im Leben ist ein weit und sehr einzigartig auslegbarer Begriff, denn für jeden Menschen bedeutet Ankommen im Leben etwas Anderes. Meins ist eine Art Frieden oder Ruhe, eben weil ich zum Leben oft den Bodenkontakt vermisse. Ich bin eben nur eine Fee. Doch eine, die viel wandert und sich jeden Zentimeter über die Grenzen hinaus erkämpft. Ich bin so ein echtes Märchenwesen mit prallvoll Phantasie und einem beinah unerschütterlichen Glauben daran, dass alles gut werden kann, was ‚alles‘ auch sei…so formfrei …😉
    Einen lieben Gruß zu Dir ✨

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    • Danke dir für die Ergänzung. Mit der ewigen Ruhelosigkeit und dem wenigen Frieden in sich selbst, eine Art Getriebensein, das ich aber doch schon etwas ablegen durfte, kann ich dennoch viel anfangen! Einerseits hät es mich wach und beweglich, andererseits muss ich immer wieder Methoden anwenden, damit mich das Ganze nicht aus der Bahn wirft.
      Erde unter den laufenden Füssen und der Himmel über dem Kopf, das sind schon Dinge, die auch mich beruhigen!
      Herzliche Grüsse
      Ulli

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      • Stress-Resilienz…oh dieses Schreckschraubwort…doch es ist wichtig, sich immer wieder Erdung zu suchen. Mein Geist denkt zu viel. Das ist sein Problem, sagt mein Magen und wird sauer. Was da so eine kleine Erdung wie ein Fühlen oder Berühren von etwas helfen kann und sei’s der Grashalm, den die Hand beim Wandern streift oder der Körper, der sich wohl fühlt, weil er bedacht wird. Ich such nach einer innerlichen Einheit, bin auf dem Weg. Da gibt es welche, die laufen mit mir. Und das ist gut, denn je älter ich werde umso besser lerne ich mich kennen und wenn ich mich selbst gern irgendwo treffe, dann fühlt sich das an wie eine kleine weiße Friedenstraube, die ich frei lasse. Die Taube muss sich freiwillig fangen lassen. Mein Arbeitsbild ist das mit mir, die Taube meine Unzufriedenheit. Flauschig und weich und leicht. Es liegt an mir wie sacht ich sie halte, ob ich grob bin, und das Herz der Taube sich von mir bedroht fühlt. Oder ob ich sie in mir so friedlich sein kann, dass ich mir ihre Zufriedenheit und Freiheit mehr bedeuten als ein Schlag voller Tauben, die ich mit Traumhülsen füttere.

        Die Unruhe beschrieb mir niemand eindringlicher als Fernando Pessoa. Erzählt hat mir auch Kerouac davon. Immer wenn ich sie lese, trösten sie mein Zugvogelherz und sagen: Uns ging es ganz ähnlich. Trost in Ähnlichkeit und sich einigen Gesinnungen ist auch eine Friedenstaube. Es gibt noch viel mehr…
        Herzlich, Stefanie

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        • Kerouac und Pessoa, JAAAAAAA!
          Mir hilft auch dieses automatische Schreiben, dann reise ich sozusagen mit dem Stift auf Papier, worauf die meisten meiner Texte erst einmal landen, ich lieb das!
          Schön, dein Bild mit den Tauben!!!
          liebgrüss
          Ulli

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  8. Liebe Ulli, ich erkenne dein Fernweh, denn mindestens einmal im Jahr drängt es mich selsbt in fremde Welten und deine Reisegeanken erfreuen mein Herz. Den Bahnhof in Uelzen kenne ich nur aus meiner Kindheit und zu der Zeit war er streng und unglamourös, lediglich die Anlaufstation, um meine Großeltern zu besuchen. Züge sind nicht gerade meine Leidenschaft, lieber bin ich mit dem Auto unterwegs, aber dir zuzuhören (so empfinde ich es immer, wenn ich deine Texte lese), wie du von fremden Orten sprichst, lässt meine Fantasie Purzelbäume schlagen – danke!

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    • Lieber Arno, das freut mich sehr, dass du mir zuhörst, ich hoffe meine Stimme ist angenehm 🙂
      Ja, ich reise gerne und was das Zugfahren anbelangt, so sind die in D noch am unbequemsten und unfreundlichsten die dort Arbeitenden, wie anders das in Skandinavien war und wahrscheinlich auch noch ist- diese Reise ist ja schon 21 Jahre her! Und dennoch sehr nah, näher als manch andere, vielleicht auch, weil ich allein unterwegs war-
      lieb grüss ich dich
      Ulli

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  9. Liebe Ulli, ich liebe die Blaue Stunde, denn da passieren die Wunder…manchmal kann man ja genau da die „Blauen Wunder“ erleben…
    Sehr wunderbar hast Du das geschrieben…sind Sie womöglich auch ne Fee, Madame? kicher!
    Wird alles wieder, glaub mir…eigentlich verändert sich ja nichts wirklich…aber es bleibt auch nichts, wie es war!
    In diesem Sinne, viele Grüße

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    • Mir scheint, liebe Madame Fee, dass Sie gerade ein kleiner Schalk reitet, der hockt nun auch auf meiner Schulter und grinst mich an- wunnderbar- es geht doch nix über einen kleinen Schalk und viele Lächler hin und her und her und hin, da soll man doch genesen!
      Nee, eigentlich verändert sich ja nix und doch alles!
      herzliche Grüße
      Ulli

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  10. Liebe Ulli,
    nun hat mich Dein Text heute Morgen unweigerlich in Reisewelten hineingesogen. (Wieso eigentlich „unweigerlich“? wollte ich mich doch gar nicht weigern:)). Vor dem inneren Auge tauchen blitzlichtartig Stimmungen auf. — Aus der Nacht in (damals noch) Leningrad auf der Parkbank mit dem Versuch zu schlafen und der bibbernden Erkenntnis, dass auch weiße Nächte kalte sind. — Aus Zugfahrten in Sibirien, „plazkartnyj wagon“, was ein Großraumliegewagen ist, in dem sich das Leben aller Reisenden völlig geteilt gibt, kein Rückzugsort, auch nicht für schüchterne mitteleuropäische Studentinnen. — Wie wir um den Bajkalsee trampten, auf LKW-Ladeflächen und Motorrädern, uiuiui, denn Züge gingen nur einmal am Tag und fuhren im Schritttempo, das buchstäbliche Blumenpflückenkönnen aus dem Fenster. — Bahnhöfe, Tränen, Vorfreude, Aufgeregtheiten, Ankommen und Verlassen, Spurwechsel in Brest, der Samowartee am Morgen, für 6(?) Kopejki beim Schaffner zu bekommen. Und Flughäfen, die Bahnhöfe der Ungeduldigen. Und in Mittelasien auch der Bauern, die mit Ziege und Hühnern zum Markt flogen …
    Mein intensivstes Reisen fand in Russland statt. Es ist dort ja auch groß und weit und wild, fast wie die restliche Welt zusammengenommen. Doch, an diese Orte und in genau diesen Zügen würde ich gern noch einmal reisen, jetzt, Jahrzehnte später.
    Wäre es noch ähnlich? Würde ich meine Reisewelt weniger aus der Ecke heraus beäugen, es mehr ergreifen, was mir am Wegesrand begegnet? Und was verändert sich beim Unterwegssein, wenn ich nicht mehr hastig-gierig wie damals überall gewesen sein muss, sondern Anfänge des Verweilens erlernt habe, jetzt, da ich mehr als doppelt so alt bin.
    Reisen verändert. Sich. Und mich.

    Und nun reise ich weiter durch meinen Tag, autobahnig auf bekannten Pfaden in die große Stadt hinein und nachher wieder heraus, das ist beruflich und wird von mir kaum Ernst genommen. (Leider. Was ich wohl verpasse?) Aber im Innern jedenfalls, da lächle ich mich erinnernd und vorfreuend in weite Weiten hinein.
    Danke, dass Du Deine Reiseweisen verschenkst.
    Liebherzlichgruß, Frau Rebis

    PS. Und zum Synchronwerden der Uhren, da fiel mir spontan das hier ein, in der Physik ist die Sache oft ganz klar: https://www.youtube.com/watch?v=fmjY3UIgcwA — Und schau, der kleine in der rechten Reihe, der sich lange wehrt, der wird auch noch eingefangen. Hoffentlich macht das Leben der Physik nicht alles nach.

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    • Guten Abend, liebe Frau Rebis, och bitte schreib doch mal einen Erinnerungsreisebericht von deinen Russlandreisen, gerade schrieb ich an Gerda, dass Russland, das Altaigebirge und die Mongolei auch noch so Sehnsuchtsorte sind und so, wie du Reiseberichte schreibst, wäre es bestimmt ein großes Vergnügen mit dir in jüngeren Jahren, durch deine Augen eins dieser Sehnsuchsorte etwas besser kennenzulernen!
      Das Video schaue ich mir gerne an, freue mich schon drauf!
      Jede Fahrt, jeden Tag als Reisende zu erfahren, das wäre auch noch eine Möglichkeit, um der Wirklichkeit ein paar Farben mehr zu schenken. Ich denke darüber nach!
      Herzensgrüße an dich, ich schick dir ein Kerzchen und eine Tasse Kräutertee
      Ulli

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  11. sehr schön, Deine Blaue Stunde, Dein Reisebericht in den Norden und über die Bahnhöfe und wieviel Du von ihnen schreiben kannst, toll. Es fließt in den blauen Stunden bei Dir (sie machen sich rar zur Zeit bei mir) , ich höre es rauschen, nicht plätschern, denn es ist ja kein Brunnen und kein Gebirgsbächlein, das plaudert, es ist ein breiter steter Fluß, in dem Du schreibst.
    Wo ist Oelzen, fragte ich mich auch sofort, als ich das Bild vom Bahnhofshäuschen sah und Hundertwasser war so nah…
    Dein Walderdbeerlächeln und Dein Mund voller Heidelbeeren ersteht in meiner Erinnerung, dabei ist es Deine, die ich aber nicht stehlen will, ich möchte sie nur mal kurz ausleihen, liebe Ulli 🙂

    Wundervoll, Dein Gedankenfluß mit dem Text aus blauem Garn gesponnen, und Jokkmokk bleibt nun in meiner Erinnerung haften, denn ein solches Wort vergesse ich nie *lächel*

    Liebe Abendgrüße lass ich Dir hier

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    • Liebe Bruni, ja, solche Namen vergesse ich auch nie, Jokkmokk ist wie ein Versprechen 😉 wenigstens für mich, einmal werde ich es schaffen dort im Februar zu sein!
      Und ja bitte, leihe dir die Beeren nur aus, sie wachsen ja unter freiem Himmel und sind für alle da!
      Uelzen liegt in Niedersachsen und ist ca. 1 – 1,5 Stunden von HH entfernt und nah am Wendland, vielleicht gehört diese Stadt sogar noch dazu?! Der Hundertwasserbahnhof dort ist speziell schön, da denke ich sofort, wieso ist die Architektur normalerweise nur so phantasielos?
      liebe Grüsse sende ich dir
      Ulli

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  12. Ich bin zwei Jahre in meiner Jugend regelmäßig am Uelzener Bahnhof angekommen und von dort abgereist. Damals war er noch kein Expo 2000-Projekt-Hunderwasser-Bahnhof, sondern sehr heruntergekommen, zugig, mit gefährlichen Schnellzugdurchfahrten. Damals, fiel mir auf, dass es die Verzögerung bei der Minutensynchronisation gibt. Mir gefällt die Vorstellung, dass die Sekunden der Bahnhofsuhren schneller als unsere Sekunden laufen, dann eine Pause einlegen und warten bis sie den Impuls der Mutteruhr empfangen. Animation auf der Wikipediaseite: https://de.wikipedia.org/wiki/Schweizer_Bahnhofsuhr
    Der Hunderwasser-Bahnhof ist immer noch schön!
    Schönes Reisen und Ankommen! Uta

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    • Das ist ja interessant was du zur Mutteruhr schreibst- überhaupt MUTTERUHR, was für ein Wort, da springt sofort meine Phantasie an, danke dir!
      Und ja Uelzens Bahnhof ist immer noch schön!
      herzliche Grüsse
      Ulli

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  13. Pingback: Anderswo | gestreift - berührt - geteilt

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