J = Ja

Alphabet – mutig geträumt

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Das kleine Wort mit der großen Kraft. Mir fällt kein kleineres mit solch einer Kraft ein, zumindest nicht in unserer Sprache. Sieh selbst, es vermag sogar die ersten Eisblumen am Fenster zu schmelzen und die Sicht auf den blauen Himmel zu öffnen…

Erst als ich gelernt hatte Ja zu den Dingen/Ereignissen in meinem Leben und im Allgemeinen zu sagen, zu allen meinen Anteilen, auch den weniger geliebten, sowie zu der Welt, wie sie mir erschien und erscheint, öffnete ich der Wandlung die Tür. Wenn es auf der einen Seite im Alphabet des mutigen Träumens um Tugenden geht, die es weiterzuentwickeln und zu leben gilt, so geht es auf der anderen Seite immer auch um die Wandlung oder Verwandlung von etwas, sei es nun meine Wahrnehmung, meine Haltungen, meine Glaubenssätze, meine Ideale, etc.. „Ja“ wurde zu meinem persönlichem „Abrakadabra“.

Ja zu den Gegebenheiten zu sagen, heißt für mich auch zu versuchen diese zu durchdringen, ihnen auf den Zahn zu fühlen, zu erkunden, was hinter ihnen verborgen ist, was sie mit mir zu tun haben, was sie mir spiegeln, wohin der weitere Weg führt, welche Herausforderungen es anzunehmen gilt.

Ich gehöre zu den Menschen, die gerne erst einmal Nein sagen oder sagten. Ja, es ist besser geworden- und weil das so ist, war für mich die Entdeckung der Kraft, die in diesem kleinen Wort liegt, eine kleine Erleuchtung und deswegen gehört das „Ja“ unbedingt in mein Alphabet.

Ja ist Zustimmung, schenkt mir Weite, nehme ich als weich wahr, nein ist Ablehnung, macht den Raum und die Brust eng, ist in seiner Ausstrahlung hart. Härte aber gab und gibt es genug, schon lange bin ich auf dem Weg der leiseren Töne, der weicheren Formen, der Weite in mir.

Erinnern wir uns, dass die SchamanInnen dieser Welt sagen, dass wir die Welt so wie sie ist träumen, andere sagen, dass sie nur eine Illusion ist. Beide sprechen davon, dass meine Sichtweise, meine Realität immer beschränkt auf meine Fähigkeiten bleiben, dass es viel mehr gibt, als ich wahrnehme, sehe, höre und denke. „Ja“ scheint auch die Fähigkeiten der Wahrnehmungen zu erweitern.

Es hat mich in meinem Leben keinen Millimeter weiter gebracht als ich gebetsmühlenartig wiederholte was ich alles nicht mochte und wollte, was anders hätte sein sollen, vor allen Dingen an mir selbst und/oder von den anderen zu mir hin und in der Welt sowieso. Die anderen/das andere und mich erst einmal anzunehmen, es zu schmecken, zu riechen, zu ertasten, zuzuhören, zuzusehen, zu beobachten, verstehen zu lernen, all das schenkte mir Weite. Ja, auch Tränen, es gilt nichts auszuschließen, auch nicht den Schmerz, den Zorn, den Ekel oder was auch immer noch man geneigt ist abzulehnen.

Es gibt Vieles in der Welt, das mir nicht behagt, wenn ich aber nicht versuche das Ganze zu verstehen und zu durchdringen, sprich, erst einmal Ja zu dem was ich vorfinde sage, bleibt es bei Kampf und Abwehr und genau das ist ein alter Zopf, den ich abgeschnitten habe.

Vieles in meinem mutig geträumten Alphabet braucht tatsächlich Mut und Kraft, wie den Willen etwas verwandeln zu wollen, um Teil dessen zu sein/zu werden, was die Welt zu einem besseren Ort macht- dass auch dieses kein Spaziergang unter ewig blauem Himmel ist, muss ich eigentlich nicht betonen. Und dass es auch immer wieder ein Nein geben wird, auch nicht. Ein Teil der Wahrheit(en) lässt sich im Paradox finden.

JA!

39 Gedanken zu „J = Ja

  1. JA! mit allem drum und dran. sehr gut! es kommt ja so sehr auf die eigene einstellung und sichtweise an!
    (doch ich denke, manchmal braucht es auch ein nein, damit das „JA“ auch bestand haben kann.)
    wunderbar, dein gesamtes alphabet bisher!
    herzlichst,
    diana

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  2. Danke für die Anregungen zum JA… ich bin auf dem Weg dazu… habe mich aufgemacht.. manchmal ist es schwer.. gerade , wenn ich ein „nein,aber“ angebracht finde.. ich übe weiter, und manchmal geht es schon erstaunlich leicht.. wie heute morgen ☺️
    Ich bin müde und mir tut alles weh von den fiesen 3 Arbeitstagen.. und es gibt trotzdem ein JA zum Leben.. auch wenn es mein freier Tag ist … JA so ist das und ich mache heute das bestmögliche aus meinem freien Tag.
    liebe Grüsse
    S.

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  3. Ein schöner Text, Ulli, JA! Kein NEIN ABER von mir, diesmal. Wenngleich natürlich etc ppp.
    Also gut. JA ist ein wunderschönes Wort. Ich mag es. Manchmal ist es ein Wunderwort, es öffnet einen Zugang zu Themen, wo man blockiert. Energie, die in der Blockade steckt, wird frei für ein weiteres Fragen. Alles, was ich mit Vehemenz ablehne, füttere ich mit meiner Energie. Eigentlich schade, denn ich könnte sie für anderes gebrauchen. Das GEGEN ist mir allmählich fremd geworden. ABER am Anfang, als ich begann zu denken, war in mir ein riesengroßes NEIN. Diese Welt gefiel mir nicht, insbesondere nicht die Nazi-Geschichte, vor der mir grauste, und was danach kam gefiel mir auch nicht. Nein, nein, nein! Dabei war ich kein Miesepeter, liebte das Leben durchaus, engagierte mich hier und da (für den Frieden: Ostermarsch, Gegen die Wiederbewaffnung, Gegen die studentischen Korporationen, Gegen Faschismus, Kolonialismus, Neokolonialismus, für das Humboldtsche Bildungsideal des freien Studiums, gegen das Händchenhalten mit Diktatoren (Schah, Tschombe), gegen den Vietnamkrieg…, ich reiste weder nach Spanien und Portugal (Diktaturen) noch nach Griechenland (als es dort losging), aber nach Algerien, als es selbständig wurde, und nach Israel, bevor es den 7-Tage-Krieg führte …. Mit Ausländern und anderen „Randgruppen“ fühlte ich mich am besten.

    Mit all diesem „GEGEN“ erkämpfte ich mir einen Freiraum, in dem ich leben konnte. Erst mit dem Älterwerden wurde ich milder. Seit ca 20 Jahren arbeite ich beständig daran, mich mit meinem Deutschsein zu versöhnen. Das ist verdammt schwer für mich, weil ich fast alle Themen anders sehe, als sie in Deutschland verhandelt werden, und wenn ich grad meine, ein Stück versöhnt zu sein, kommt eine neue Herausforderung für meinen Magen (aktuell der Umgang mit Entschädigungsforderungen der Herreros, die Scheinheiligkeit in der Syrienfrage, die antirussischen Ausfälle, das Geschrei über die das Falsche wählenden Amerikaner etc). Ich kann das eigentlich nur in der räumlichen Distanz verdauen. Tja. Mit den hiesigen (griechischen) Verhältnissen fällt mir das JA viel leichter, weil ich lebensgeschichtlich nicht so darein verwoben bin. ich ärgere mich über dies und das, genauso wie alle Griechen, aber es gibt nicht diese starke Emotion, diese Bereitschaft zum Empörtsein.
    In meinem Umgang mit realen Menschen bin ich, wie jedermann, mal näher beim Ja, mal näher beim Nein – aber selten bei einem klaren JA (irgendwas ist immer) und nie bei einem klaren NEIN (kein Mensch verdient, vernichtet zu werden).
    In meiner Beratungs-Arbeit mit Menschen schließlich gibt es in mir gar kein NEIN, sondern nur ein allumfassendes JA, ein voraussetzungsloses Akzeptieren jeden Standpunkts, jeden Verhaltens, ALLER an einem Konflikt beteiligten Menschen. .

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    • Deine Sichtweise liebe Gerda, ist die Essenz jahrzehnter langer Erfahrungen auch unter extremen politischen Situationen, die Du beobachten und wohl auch miterlebt hast. Mir gefällt Dein Standpunkt zu all diesen Dingen!

      Ich sage es ganz kurz, denn ich kenne viele Menschen aus meinem Umfeld, die das Nein sagen lernen mussten, weil sie am Ende waren! Es geschah aus beruflichen, privaten oder aus beiden Gründen zusammen. Die Waage halten, den Ausgleich finden, daß ist für mich der Weg, des Nein und Ja.

      Liebe Uli, ich sage JA Deine Beiträge und Dein Alphabet ist Denknahrung und dass gefällt mir sehr, JA!

      ❤Grüße Babsi

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    • Liebe Gerda,
      ich glaube, dass in jungen Jahren viele Menschen über das Nein oder Gegen zu ihrem Ja kommen und halte diesen Prozess für unbedingt notwendig. Wir hatten es ja schon einmal an anderer Stelle mit der Pubertät, der Abgrenzung gegenüber der Familie etc.- Zum erwachsen werden und handeln gehört für mich die Frage nach dem Gegen, wofür bin ich stattdessen, hier setzt dann das Ja ein.
      Ich muss das nicht weiter ausführen, weil ich letztlich Übereinstimmung finde-
      ich schrieb am Ende des Artikels, dass es immer auch ein Nein geben wird und sich manche Wahrheiten eben im Paradox findet, nicht auszudenken, wenn man einfach ein Ja-Sager/eine Ja-sagerin wäre… nein (lach), so ist es nicht gemeint und das hat auch nichts mit mutigem Träumen zu tun, das ja dort ansetzt, wo etwas aus dem Gleichgewicht geraten ist, wo man Missstände wahrnimmt und davon gibt es mehr als dir und mir und vielen anderen lieb ist. Um aber wirklich etwas zu ändern, muss man sich dem zuwenden, die Hintergründe, die Mechanismen versuchen zu verstehen-
      einen schönen Abend dir
      Ulli

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    • Genau, man vergisst es immer wieder, zumal die Welt voll von Informationen ist, die davon erzählen was gerade nicht stimmt oder gerade eben mal wieder ganz doof läuft- mich begann das dann irgendwann zu langweilen, weil darüber vergessen wird, was stattdessen gut läuft oder was einfach mal stimmig ist. Ich bin keine grundsätzliche Ja-sagerin, wo käme ich denn da hin?
      Ich grüsse dich herzlich, Meermond
      Ulli

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  4. Liebe Ulli, anfangs sagte ich gerne Nein, haderte und fragte ständig nach/hinterfragte und erfuhr dabei, wie schlecht es ankam… Außerdem flossen Tränen und die Hände des Gegenübers zitterten. Erkenntnisse brachte es nicht wirklich, nur, daß es zu spät war…
    Dann wurde mit den Jahren aus meinem Nein allmählich eher ein Ja, das auch um des lieben Friedens Willen ein Ja blieb, bis ich älter wurde und unter anderen Einflüssen entdeckte, daß ich dabei vergessen hatte, über den Nestrand hinauszuschauen. Ich lernte in einer neuen Welt, die mir auch das Nein wieder ans Herz legte, und ich erkannte, daß es sehr anstrengend, aber auch bereichernd ist, das <n<ein wieder gut zu kennen.

    Dein Weg ist sehr anders gewesen als meiner, aber irgendwie ist auch viel Gleiches da.
    Wir müssen beides nutzen – das Ja und auch das Nein. Sich ins einfache Ja hineinfallen zu lassen, ist oft entspannend, aber für immer ganz bestimmt falsch. Auch hier sollte sich beides die Waage halten, damit wir ehrlich leben können. Nur alles abnicken, ist bequem und immer nur Nein sagen Unsinn, denn man/frau ist nicht gegen alles, sondern nur gegen das, was man als Unfrecht erkennt.

    Liebne Abendgrüße von mir

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    • Liebe Bruni, ich stimme dir 100%ig zu-
      In dem Moment, wo du Nein zu einer Situation, einer Anfrage etc. sagst, sagst du Ja zu dir und deinen Bedürfnissen und Grenzen und Fähigkeiten, hier ist mein Ja verortet.
      Hier liegt für mich die Kraft, wenn ich wirklich in dieser Welt ein kleines bisschen Gutes tun will, dann geht das für mich nur über das Ja, was das Nein miteinschliesst, ganz so, wie ich es am Ende des Artikels schrieb und etwas ausführlicher an Gerda…
      viele liebe Grüsse an dich
      Ulli

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  5. Picasso meinte wohl mit all den Frauen, die immer nur und zu allem JA sagten, sie wären lediglich als Putzlappen zu gebrauchen. Eine hat da nicht mitgemacht- sie ist über 90, lebt in NY und malt noch immer:
    Die Frau, die NEIN sagt – so heißt das Buch über Francoise Gilot!
    Gruß von einer, die immer noch lernt

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    • Gutes Feld, das du aufmachst, Sonja, darum aber geht es eben auch gar nicht, dass eine Frau (oder ein Mann) immer nur Ja sagen sollte, das war doch eine frühesten Lektionen, wenigstens bei mir. Wie ich es jetzt schon öfter schrieb, oft liegt im Nein zu anderen hin ein Ja zu mir. Nur wenn ich in meiner Kraft bin und das bin ich nicht, wenn ich einfach immer nur ja sage, kann ich was bewegen. Darum geht es ja im Alphabet des mutigen Träumens…
      ich lerne auch immer noch, und hoffentlich bis Ende, auch wenn sich das hier manchmal nicht so anhören mag?!
      herzlichst
      Ulli

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  6. Von all den nährenden Texten Deines Alphabets – DANKE! – ist mir dieser besonders nahe.
    Und ohne dass ich schaffe alles niederzuschreiben, was mich hier an Gedanken anweht, und ohne auch all die anderen Kommentare zu lesen, vielleicht erwähnte das schon jemand, setze ich jetzt hier darunter, was mir mit als Erstes kam, als ich Deinen Text las:

    Das Gasthaus

    Das menschliche Dasein ist ein Gasthaus
    jeden Morgen ein neuer Gast

    Freude, Depression und Niedertracht-
    auch ein kurzer Moment der Achtsamkeit
    kommt als unverhoffter Besucher

    Begrüße und bewirte sie alle!
    Selbst wenn es eine Schar von Sorgen ist
    die gewaltsam Dein Haus
    seiner Möbel entledigt

    Selbst dann behandle jeden Gast ehrenvoll
    vielleicht reinigt er Dich ja
    für neue Wonnen

    Dem dunklen Gedanken, der Scham, der Bosheit-
    begegne ihnen lachend an der Tür
    und lade sie zu dir ein

    Sei dankbar für jeden, der kommt
    denn alle sind zu Deiner Führung geschickt worden
    aus einer anderen Welt.

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    • Was für ein wunderbares Bild! ich bin total begeistert, weil es a) noch hier Niemand so geschrieben/beschrieben hat und weil es für ein neues Bild ist.
      Herzlichen Dank und Gruss
      Ulli

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  7. Pingback: Weiterführende Gedanken zum Alphabet der mutigen Träume |

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