Und sonst so?

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– gestern notiert –

Kreissägen kreischen durchs Dorf, Motorsägen durch den Wald, ein kalter Wind aus Nordost brachte dunkle Wolken, die Löcher ließen für einzelne Sonnenstrahlen. Die Tageszeitung liest sich wenig erfreulich, nicht, dass ich anderes erwartet hätte, gewünscht schon.

Ich kann mich jetzt wieder schämen Deutsche zu sein, wobei mir allein diese Denke von: ich bin deutsch, niederländisch, griechisch, ghananesisch … zuwider ist! Ich fühle mich einer Welt in tausend bunten Facetten verbunden, bin Mensch unter Menschen, bin Frau.

Hundertausende Frauen demonstrierten am Montag in Polen gegen die erneute Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen und was meint Polens Außenminister Waszczykowski dazu (?):“Die Frauen amüsieren sich heute auf der Straße …“* → Wir sind noch nicht sehr weit gekommen →

In der Türkei wurden weitere kurdische Radio- und Fernsehsender geschlossen, aber man darf jetzt die eigene Armee besuchen und schauen was sie da eigentlich macht.

Und nun weiß ich auch, dass es eine synthetische Währung gibt. Ah ja … Wieso sehe ich nun Kinderkaufmannsläden vor mir und einen Präsidentschaftskandidaten mit Batmans Jokermaske vor dem sowieso nicht ansehlichen Gesicht?

joker-185823©bilder.4ever.eu

Heute ist mein halbfreier Tag, den ich mir am Nachmittag, gemütlich im Bett sitzend, vermiese. Ach was! Nur kurz- dann schaue ich wieder dem Flug des Rotmilans zu und denke wieder einmal an Rosa Luxemburg und Ernst Toller, die beide Trost bei der Beobachtung von Blaumeisen und Schwalben in ihren Gefängniszellen fanden. Die finnische Ornithologin Ulla-Lena Lundberg schrieb hierzu: „Von Vogelbeobachtern heißt es, sie seien Menschen, die von anderen Menschen enttäuscht wurden …“*

Gestern Morgen, auf dem Weg zur Arbeit, schreckte ich einen Schwarm Stare auf, Zugstare aus dem Norden, die sich auf einer Wiese versammelt hatten, während „unsere“ schon vor 3/4 Wochen abgereist sind. Wer stellt ihre inneren Uhren?

Und was tickt in der Welt? Rechtsdrehende Populist_innen im Takt der Probleme, die sie nicht lösen wollen.

Und sonst so?

Als sich der Himmel in allen nur erdenklichen Rosalilatönen verfärbte, sprang ich hinaus und nahm die vom Nordostwind getrocknete Wäsche ab …

Anmerkung

* die Zitate wurden der taz vom 04.10.2016 entnommen


Gestern schrieb Irgendlink auf Flussnoten sein großes Finale: „Die Pufferzone des Verzeihens”, ich bin absolut begeistert, wer mag kann hier lesen →

39 Gedanken zu „Und sonst so?

  1. Dann bin ich wohl auch ein Mensch, der von anderen enttäuscht wurde…

    nur …
    gibt’s überhaupt andere, liebe Ulli?

    Aber offensichtlich befinde ich mich in guter Gesellschaft 🙂

    Herzliche Oktobergrüße vom Lu

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  2. Hier schliesse ich mich nahtlos f an. Ich befinde mich in guter Gesellschaft! Ich liebe Eure Bilder,, Eure Gedanken und den Text!
    Ich weiss, es gibt sie: die Rechts- und die Linksdrehenden.
    Und manche können sich nicht entscheiden. Auf der Strassenseite rechts, auf dem Gehweg links, wie viele hier um mich herum, oder ist es nur ihre Gewohnheit aus der Zeit wo wir links fuhren? Mit dem Fahrrad zu fahren ist hier dadurch nicht ungefährlich.
    Aber Rechts-populisten/innen? Sind Populisten nicht einfach was sie sind? Anhänger einer vermeintlich einfachen Lösung, von wem oder was auch immer? Faschismus-realer Kommunismus? KZ-GULAG? Und die anderen Mächte.
    Ich bewege beide meiner Seiten. Links fällt nicht so leicht. Trotz langem Übens.
    Gestern Nacht hatten wir den ersten Frost. ja, und es wird wieder Frühling werden. Ob mit oder ohne mich………./uns. Ich liebe leben Grüsse von Ruth

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    • Liebe Ruth, und ich mag deinen Kommentar sehr, er schenkt mir Räume, in die ich tauchen, sie weiten kann. Positionierungen sind eins, Zementierungen das andere …
      ich grüsse dich herzlich vom windumwehten klarblauen Oktoberberg
      Ulli

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  3. guten morgen, ulli, bin auf dem sprung zur arbeit – musste aber grad noch hier lesen und … ja – ich wundere mich (täglich mehrmals), dass diese unsere welt sich doch immer noch dreht, noch nicht auseinandergebrochen ist, dass etwas noch hält: allen verwerfungen, allem elend widersteht. – hab einen guten tag! pegagruß!

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    • Liebe Pega, ja, da kann man sich auch wundern und gleichzeitig sich freuen, denn das eine ist das Menschenwerk, das andere das Leben in all seinen herrlich bunten Facetten … gerade fällt mir wieder einmal der Satz ein:Denn sie wissen nicht was sie tun …
      herzliche Grüsse an dich
      Ulli

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  4. Was ist das mit den Vögeln? Vielleicht die innere Sehnsucht dorthin zu gelangen wo man nicht so einfach hinkommt. Einfach mit den Armen zu schlagen und die Leichtigkeit des Lebens zu spüren ohne sich anstrengen zu müssen irdisch zu sein. Danke liebe Ulli, für deine klugen Worte und einen wunderbaren Tag für dich!

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    • Schön, lieber Arno, dein Kommentar, ich mag ihn sehr diesen Satz: „Einfach mit den Armen zu schlagen und die Leichtigkeit des Lebens zu spüren ohne sich anstrengen zu müssen irdisch zu sein.“ Danke und geniesse auch du diesen wunderbaren neuen Tag
      herzlichst
      Ulli

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  5. Guten Morgen, liebe Ulli.

    „Von Menschen enttäuscht“ müßte ich demnach dann auch sein und das seit etlichen Jahren; denn ich mag „meine“ Piepmätze; meine deshalb, weil sie meine Futterangebote besuchen.

    Was habe ich Menschen an „Futter“ zu bieten? Eigentlich nicht so viel; oder es schmeckt ihnen nicht so unbedingt, was ich anbiete. Das ist eben so; mir schmeckt auch vieles nicht…

    „Der Wolf, den wir füttern, wird gewinnen“…

    http://www.zeitzuleben.de/welchen-wolf-fuettere-ich/

    Liebe Grüße in den Tag.

    Herzlichst,
    Frank

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    • Lieber Frank, die Geschichte von den zwei Wölfen kenne ich auch, ich füttere seit Jahren den weissen, er ist schon ziemlich gewachsen, der schwarze hockt abgemagert in der Ecke und knurrt …
      In diesem Sinne herzliche Grüsse an dich und danke für deins
      Ulli

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  6. Dem zitierten Satz zufolge müsste ich fast noch nie von Menschen enttäuscht worden sein. Insofern würde ich ihn nicht unterschreiben.
    Oder es fehlt in diesem Zusammenhang die vollständige Sammlung möglicher Metaphern.
    Den Flug der Vögel (beob)achte ich nicht intensiver wie die jetzt reifen, fallenden Kastanien; die leuchtenden Äpfel im Baum, eine sich öffnende Rosenblüte oder den Duft einer Handvoll herbstfeuchter Erde.
    Alle diese Erscheinungen offenbaren übrigens ihr ganzes Wunder viel eindringlicher, wenn man auf die Lektüre von Tageszeitungen verzichtet. Allein schon die Vorsilbe des Wortes Nachrichten sagt es einem deutlich: das eigentlich Geschehen war vorher, uns liefert man das unabänderliche daNach. Und geRichtet ist es ohnehin.
    Besser geht es mir, wenn ich geistesgegenwärtig in der Wahrnehmung des Jetzt bleibe.

    Blauhimmelsonnigherbstfrische Grüsse,
    Herr Ärmel

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    • Guten Mittag, lieber Herr Ärmel (jetzt fällt mir ein, dass ich noch immer nicht im Spam nachgeschaut habe, ob Sie … gleich … )
      ich beobachte auch nicht nur die Vögel und wie ich schon oben an Lu schrieb, gehören Enttäuschungen zum Leben, ob deswegen dann jede_r Vögel beobachtet erschliesst sich mir nicht, ich glaube es auch nicht …
      Ihre Definition von Nachrichten werde ich jetzt nie mehr vergessen, dafür danke ich Ihnen sehr und heute lese ich keine Tageszeitung, weil ich auf dem Berg bleibe und wandern gehe …
      herzliche Grüsse
      Ulli

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    • Es ist eher so, dass ich beim Lesen der Zeitung gerne den Blick von den Zeilen in die Weite schicke und fliegt dann gerade ein Rotmilan vorbei, heftet sich mein Blick an ihn 😉
      Mit allem anderen geht es mir so, dass ich die Enge der Schubladen weite …
      Geniesse diesen wunderbaren Tag, liebe Gerda, hier weht ein frischer Nordostwind, er hat alle grauen Wolken weggepustet, das Tal leuchtet und mich rufen die Wege durch Wiesen und Wald
      herzlichst
      Ulli

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      • Ist gerettet, ich es gerade (hier ist es Viertel nach eins u ich bin allein). Auch hier ist ein herrlicher Tag u vielleicht geh ich heut erst mal in die Berge u nicht gleich ans Meer zum Schwimmen 🙂

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  7. Hallo Ulli,
    wenn ich mir, um nur zwei Beispiele zu nennen, die Welt hierzulande [ich habe ja gerade darueber gebloggt] und in Deutschland anschaue, dann teile ich Deine negativen Gedanken. Aber ich bemühe mich, mich nicht unterkriegen zu lassen und auch das Gute – und das gibt es ja Gott sei Dank – zu sehen.
    Liebe Grüße,
    Pit

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  8. „Von Vogelbeobachtern heißt es, sie seien Menschen, die von anderen Menschen enttäuscht wurden …“* Das glaube ich absolut nicht, liebe Ulli, es sind Menschen, deren Interesse für Vögel groß ist, die ihren Geheimissen folgen wollen und die, genau wie ich, keine Menschenansammlungen mögen, die die Stille lieben und in ihr höchst zufrieden sind.
    Ich glaube kaum, daß es Menschen gibt, die nie von anderen enttäuscht wurden und würden die alle nun Vögel beobachten wollen, bekämen es die Vögel mit der Angst zu tun, würden sich nicht mehr vermehren und aussterben…
    Eine schwierige Kunst ist es, sich von Enttäuschungen immer wieder zu erholen, nicht aufzugeben und nicht gleich zu den Vögeln zu rennen *g*

    Du machst es richtig, siehst kritisch in die Welt, informiert Dich (tausendmal besser als ich) und vergißt dabei nicht, das Schöne in den Dingen des Lebens zu sehen, in den Kleinigkeiten, die so oft unbeachtet an unseren Wegen liegen *lächel*
    Du fütterst den weißen und dem schwarzen fehlt Zuwendung? Ich habe die Geschichte noch nicht gelesen, aber manchmal muß man auch Dusteres füttern, an manchen Tagen, damit das Helle um so schöner leuchten kann… Dann fliegen die zerknüllten nassen Taschentücher in die Ecke und das Lächeln füllt Deinen Tag.

    Liebe spätspäte Grüßle von Bruni an Dich

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    • Liebe Bruni, da hst du mich noch so gerade eben erwischt, bevor ich jetzt gleich ins Bett kippe, puh ja, ich bin jetzt müde!
      Ich glaub das auch nicht so wirklich mit den Menschen, den Enttäuschungen und den Vögeln, aber ich glaube durchaus, dass sie Trost spenden können, gerade in Gefängniszellen …
      Die Geschichte geht so: Kommt ein Junge zu seinem Grossvater und sagt: „Grossvater, ich hab zwei Wölfe in meiner Brust, einen schwarzen und einen weissen, sie kämpfen miteinander, wer wird siegen?“ Grossvater sagt: „Den, den du fütterst ..“ das ist eine alte, überlieferte Geschichte der Lakotas. Also ich füttere meinen schwarzen nicht! Ich nähre den weissen, deswegen gibt es den schwarzen ja immer noch.
      Liebe Grüsse zur guten nacht
      Ulli

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  9. Liebe Ulli, als ich Dein Bild sah, überlegte ich, welche Erdteile das denn wären, bis ich merkte…stell Dir vor, ich kenn gar keinen Rotmilan!
    Ein wunderbar dichter letzter Satz ist Dir gelungen, großes Kompliment, mag ihn sehr!!! Liebe Grüße

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    • Vielleicht aber kennst du die Gabelweihe, das ist das andere Wort für den Rotmilan, liebste Graugans …
      ich freue mich sehr über dein Kompliment und schmunzel über die Erdteile …
      herzlich grüsse ich dich, liebe Graue
      Ulli

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