Es steht eine kleine rote Lackschachtel im fast leeren Raum. Kerzen flackern, ein warmer Luftzug, eine spätsommerliche Nacht, Fledermäuse ziehen Kreise um das verborgene Haus, zwei Menschen. Ein Mann und eine Frau sitzen sich in der Weite des Raums gegenüber.
Sonst nichts.
Glocken, Zimbeln, Trommeln, Flöten und Muschelhörner tönen … später. Sie bläst Seifenblasen durch das geöffnete Fenster. Er steht hinter ihr. Hält sie, schaut den Seifenblasen nach, atmet in ihr Haar.
Sonst nichts.
Lautlose Berührungen, haltloses Sinken.
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Man muss einander freilassen und sich Weite schenken, damit die Liebe atmen kann.
„Ich habe nicht mehr das, was ich liebe, besitzen wollen. Ich habe in mir eine Liebe gepflegt, ohne zu erwarten, dass sie mir wieder begegnet. Ich war auch von Eifersucht frei.“
„Wenn das Geistige im Menschen stärker ist als das Körperliche, dann spüre ich: Jetzt bin ich Mensch.“
„Wenn ich im Gegenüber das Göttliche erkenne oder durch meine Gegenwart das Schönste und Edelste in ihm hervorbringe. Und er umgekehrt in mir … „
Mary Bauermeister in einem Interview über die Liebe und ihre Beziehung zu Stockhausen, Zeitmagazin Nr. 36
Mary Bauermeister, eine grossartige Künstlerin der Moderne, lebte eine Ménage à trois (eine Dreierbeziehung) zusammen mit Stockhausen und seiner Frau Doris und ihren Kindern, bis sie dann seine Frau wurde, ihn mit anderen teilte, bis auch sie sich verliessen. Sie hat ihre Prozesse bewusst durchschritten, hat Schalter umgelegt, hat gelernt zu unterscheiden zwischen geistiger und somit gegenseitiger künstlerischer Inspiration und dem eifersüchtigen Gehabe des Egos. Sie wurde eine freie Frau …
Sie drückt für mich das aus, was ich meine, wenn ich von Verbundenheit in Unabhängigkeit spreche. Man kann nichts verlieren oder aufgeben, das man weder besitzt, noch besitzen will …
(wie das Leben so spielt, zuerst war mein Text, s.o., den ich vor ein paar Tagen schrieb, dann las ich das Interview und heute entschied ich mich zur Verknüpfung. Zu guter Letzt noch ein Werk von Mary Bauermeister, das ich in der Guguck-Suche des weiten Netzes gefunden habe … )
Sehr bewegend, deine eigenen Gedanken, liebe Ulli. Die Verknüpfung mit Zitaten von Mary Bauermeister finde ich sehr gelungen. Auch eine tolle Frau und Künstlerin, ich mag sehr ihre unprätenziöse Art, über sich und das Leben mit Stockhausen zu erzählen. (in einer Talkshow zum Thema Liebe hat sie mich mal sehr beeindruckt). Aber auch wenn sie nicht besitzen wollte oder es geschafft hat, das nicht zu wollen, sondern uneifersüchtig verschieden ge-art-ete Beziehungen nebeneinander zu tolerieren und zu respektieren, so war sie doch nicht ganz frei von Eifersucht, nicht immer jedenfalls. Und sie war unglückllich, als Stockhausen sie zur Abtreibung ihres gemeinsamen Kindes trieb – und sie „gehorchte“. Sooo unabhängig war sie nicht und schließlich führte das ja auch zur Trennung. Liebe Grüße, Ute
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ja, das stimmt, liebe Ute, da habe ich wohl etwas zu schön gefärbt. Ich finde Eifersucht immer schwierig, sie ist wie eine dicke Kugel am Fussgelenk und wenn sie bei mir auftaucht ist sie auch immer mit Scham verbunden, vielleicht wünsche ich mir deswegen Frauen, die wirklich frei davon sind … danke dir für die Ergänzung!
herzliche Grüsse Ulli
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Ich bin leider nicht ganz frei davon, liebe Ulli, auch wenn ich mich noch so sehr bemühe und schon eine Menge Toleranz übrig habe… Immer denke ich darüber nach, ob ich noch „nicht so weit bin“ oder aber ob es eben nicht doch menschliche Grundbedürfnisse gibt, die alle Zeiten und Beziehungen überdauern und durchaus normal sind, für die man sich nicht schämen muss…
Herzlichst, Ute
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ja, vielleicht hast du Recht, aber vielleicht kommt es auch auf die Form an und bestimmt hat Weite und Raum, die man sich gegenseitig schenkt, nicht unweigerlich etwas mit Eifersucht oder Bezitzansprüche zu tun …
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Eifersucht in ihrer „normalen“ Form scheint mir etwas zutiefst menschliches zu sein. Vielleicht geht sie einher mit der Verlustangst, die ganz fest in uns verwurzelt ist, vielleicht ein Überbleibsel der Kleinstkinderzeit, in der der Verlust der liebenden und nährenden Mutter den Tod bedeutet hätte. Liebesentzug scheint schlimmer als Schläge zu sein.
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liebe Elvira, ich schrieb gerade schon an Ute, dass es auch für mich wichtig ist WIE sich Eifersucht ausdrückt und ja, sie hat etwas mit Verlustangst zu tun, aber eben … wie kann man etwas verlieren, wenn man es nicht besitzt … ich gebe zu, ich schreibe über einen Idealzustand, an dem ich immer wieder übe …
liebe Grüsse
Ulli
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fein gesponnen und verwoben, liebe ulli. ein sehr faszinierenes bild auch.
danke fürs teilen!
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immer wieder, liebe Soso 🙂
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Mit Verlustangst hat Eifersucht sicher zu tun, auch die ganz „normale“, von der wohl kaum jemand gefeit ist…, insofern finde ich sie auch menschlich und nicht „falsch“ an sich (sofern man nicht übertreibt…, ach ja). Die Mutter besitzt man genauso wenig wie den geliebten Partner und trotzdem will man sie nicht verlieren… Will sagen, man kann etwas/jemanden verlieren und darüber traurig sein, obwohl man ihn nicht besitzt. Sind wir nicht immer schon streng genug mit uns? Müssen wir immer über den Dingen stehen und uns beherrschen, zurücknehmen, kontrollieren, über uns hinauswachsen? Ich hab keinen Bock mehr dazu. Aber ich bewundere alle, die das schaffen.
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gute Fragen, liebe Rotwelt! … und ich seufze … es gibt manches, das ich beherrschen möchte und dann wieder beherrscht es mich … es ist nicht so, dass ich all die unterschiedlichen gefühle nicht haben will, es ist nur so, dass ich mich nicht von ihnen kontrollieren lassen will. Und dann ist da eben das grosse weite Welt der Liebesbeziehungen … da gilt für mich schon Weite und Raum, anders kann ich es eben nicht, ich habe es ja versucht und wirklich lange und mehrmals, aber ich komme für mich immer wieder zu dem selben Schluss, ich brauche Weite und Raum, sonst erstickt meine Liebe … aus diesem freien Raum heraus gehe ich dann auch gerne wieder ganz nah ran … verstehst du, wie ich das meine?
Was für mich auch klar ist, dass ich schon viel getrauert habe um Menschen, die ich verloren habe, die mich verliessen oder ich sie, aber ich muss eben auch feststellen, dass alle noch immer da sind, jede und jeder von ihnen wohnt in mir, haben Bedeutung, finden Raum und Liebe in mir … diese Erfahrung ist es wohl, dass ich heute über freigeben nachdenke und dass ich in Wirklichkeit, was immer das ist, noch niemanden wirklich verloren habe. Heijei, da steckt so viel in diesem Thema drin, immer wenn ich einen Satz fertig getippt habe, fällt mir das Gegenteil dazu ein … der Spagat zwischen Ideal und Wirklichkeit …
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Sie begegnet mir ein zweites mal in diesen Tagen, Mary Baumeister. Bei Herrn Zolaski fand ich sie auch(https://wordpress.com/read/post/id/60382340/1606/). Erfreut von ihr zu lesen!
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Vielleicht sind wir erst wirklich frei, wenn wir die Dinge, die in uns wohnen annehmen & mit ihnen gemeinsam den weiten Raum durchschreiten. Es gibt kein Entkommen, das Gefühl ist immer da. Aber es gibt einen Ausdruck dafür. Dann entsteht Kunst. Und damit ein Hoch auf die Dinge, mit denen wir manchmal selber nicht umgehen können. Ein hoch auf die Dinge, die uns ärgern, denn sie treiben uns an.
„Im Zweifel für den Zweifel / Das Zaudern und den Zorn / Im Zweifel fürs Zerreißen / Der eigenen Uniform“ (Tocotronic). Zu hören & sehen unter: http://vimeo.com/51349575
Viele Grüße & weiterhin sichere Straßen, Fritsch.
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ein feiner Kommentar, der sich gerade an den gestrigen Abend anschliesst, als ich Montagen von mir anscaute, die im Moment des Entstehens immer mehr wissen, als ich selbst … danke dir Florian-
bis bald- have good days and ways
Ulli
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