Sonntagsausflug

Kaysersberg hieß das Ziel, ein kleiner Ort im Elsass.

Kaysersberg von wiki

Bei herrlichem Nachmittagssonnenschein fuhren wir in Bad Krozingen los, wo H. in der Reha ist … die Fahrt führte uns über den Rhein und es dauerte nicht lange, da entdeckte ich das erste rosafarbene Haus, dann ein lilafarbenes. Willkommen im Elsass! Wir folgten der Route de vins, umfuhren Neuf-Brisach und Colmar, der Verkehr verdichtete sich. Ich ahnte nichts Gutes. Sollten sie etwa alle? Jaha, sie sollten und wollten …
Kaysersberg lag im Schatten eines Berges, die SchweizerInnen würden ihn lächelnd Hügel nennen, eine alte Burgruine stand über dem Ort, aber in und um den Ort herum kreisten die Parkplatzsuchenden, wie die Geier in den Pyrenäen, und dort, wo man hätte parken können, standen Reisebusse und Autos dicht an dicht. Wollten wir wirklich …? Nein. Manchmal sind sogar wir uns schnell einig. Also suchte und fand ich eine Wendemöglichkeit, aber auch das nicht sofort und gleich, aber immerhin dann doch und sogar kostenlos. Wir verließen den beschatteten Ort. Ich verzichtete auf eine, so war es mir berichtet worden, aufs feinste und innovativste illuminierte Altstadt, auf Weihnachtsmarkt und Rummel, Gedrängel und Geschiebe, worum es mir ja eh nicht ging. Ich hätte halt nur mal gerne … aber nun denn. Immerhin entdeckten wir Meister Adebar auf einem der mittelalterlichen Dächer  und das Mitten im Dezember-

Kaysersberger Storck by pinterest.de
Zurück, wie kurz zuvor vorwärts, ging es an Colmar vorbei, an Neuf-Brisach, um schließlich und endlich die letzten Sonnenstrahlen in Breisach einzufangen, wo wir auch endlich den heiß ersehnten und längst überfälligen Kaffee tranken. Und der war wirklich gut! Das Blatt wendete sich. Es wurde aber auch Zeit!

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Auch Breisach hat eine sehr feine Altstadt und viel zu erzählen. Wir wandelten über geschichtsträchtigen Boden, schon die Römer … na klar, wer sonst?! Wann immer ich in der letzten Zeit den Begriff der geschichtsträchtigen Böden höre oder denke, fällt mir augenblicklich der Satz von Tiziano Terzani aus seinem Buch „das Ende ist mein Anfang“ ein, als er mit seinem Sohn einen seiner letzten Spaziergänge machte: „Schau Franco, all das hier, worauf wir laufen, ist doch, wenn wir es genau betrachten, ein riesiger Friedhof. Milliarden von Lebewesen haben hier vor uns gelebt und sind gestorben …“ (sinngemäß)- warum also frage ich, benutzen wir überhaupt noch das Wort geschichtsträchtig , wenn wir über Böden laufen? Überflüssig, oder nicht?! Aber ich schweife ab … und deswegen schnell ein paar Fakten und Daten:

„Breisach ist eine Stadt am Oberrhein in der Nähe von Freiburg (ca. 25 km entfernt). Schon 1139 hatte sie ihr eigenes Wappen und gegen 1300 wurde eine Festungsmauer gebaut.“  (aus dem Netz gefischt … wie alles, was jetzt kursiv erscheint.)

okay, also doch geschichtsträchtig …

Wir erklommen den Gipfel des Breisacher Münsterbergs (ja ihr lieben SchweizerInnen, ich übertreibe mal wieder maßlos …), herrliche kopfsteingepflasterte Schlängelwege und Treppen führten uns hinauf und wir durchschritten das sogenannte Hagenbachtor, über ihm prangte der Hagenbachturm und wir durften lernen, dass dieser Turm zunächst Windbruchtor hieß, dann aber nach dem Ratsherrn Hagenbach umbenannt wurde, ein Mörder und Tyrann, der in eben diesem Turm 1474 gefangen gehalten wurde. Mörder und Tyrann müsste man also sein, damit ein Tor … öhm ja … lassen wir das, wo es ein Noskedenkmal gibt (das steht allerdings in Berlin und ist eine etwas andere Geschichte), gibt es eben auch ein Hagenbachtor …

Das Münster selbst lasse ich jetzt einmal links liegen, obwohl auch fein anzusehen, außen, wie innen, dort besonders die Glasfenster, aber da die Sonne soeben untergegangen war, habe ich keine Fotos gemacht. Aber von der europäischen Idee schon:

die Geburt

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in Gänze

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im Detail

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Die europäische Idee, man höre und staune, wurde in Breisach geboren, direkt nach dem zweiten Weltkrieg, als sich die Franzosen und Deutschen erneut die Hände schüttelten und sich erinnerten, dass doch Zeus, der alte Griechengott, sich einst in die schöne Europa verliebte. Und weil diese Tiere so sehr mochte, verwandelte sich Zeus in einen Stier. Und weil er so weiß war, so schön und so sanft, näherte sie sich ihm, kletterte auf seinen Rücken und schon sprang Zeus auf und mit ihr davon. Da half kein Rufen und kein Klagen. Er lief und lief, bis er am nächsten Morgen am Strand von Kreta angekommen war. Hier verwandelte er sich zurück und Europa entflammte in Liebe zu ihm … Nach ihr, so heißt es, wurde dieser Erdteil Europa benannt und noch heute ziert die schöne Europa die griechische Ein-Euro-Münze … oh je …
Deutschland, Frankreich, wer ist der Stier und wer Europa? Breisach gebiert krause Gedanken …

Wenige Meter weiter, wieder Geschichte … der Radbrunnenturm

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Der Radbrunnenturm aus dem 13. Jahrhundert beherbergt einen Brunnen, der 41 m tief in den Felsen reicht. Er wurde mit einem Tretrad betrieben, woher der Name des Radbrunnenturms stammt. Er gehört zu den ältesten erhaltenen Bauwerken der Stadt. Das im Turm erhaltene Tretrad stammt aus dem 18. Jahrhundert.
Der ursprünglich 54 Meter hohe zentrale Stadtturm in der Mitte der Oberstadt beherbergte einst Rats-, Gerichts- und Folterstube. Nach den Zerstörungen von 1793 und 1945 wurde er zuletzt zwischen 1953 bis 1955 mit einer Gesamthöhe von 34 Metern wieder aufgebaut. Seit 1982 ist er Sitz des „Kunstkreises Radbrunnen“, der darin unter anderem Konzerte und Ausstellungen zeitgenössischer Kunst präsentiert.

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am Ende unseres kleinen Rundgangs denke ich über Denkmäler, Türme,  Namen, Geschichtsverquickungen, Kunststätten und Versöhnung nach

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aber das, ihr ahnt es schon, ist wiederum eine ganz andere Geschichte …

Ende

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(alle Bilder werden groß, wenn man sie anklickt …)

10 Gedanken zu „Sonntagsausflug

  1. so führt jede geschichte in die nächste.

    den ort kenn ich nicht, obwohl ich doch ständig durchs elsass fahre. ob ich den namen schon gelesen habe, auf wegweisern? möglich.

    sobald wir uns bewegen, erleben wir eine geschichte. eigentlich. sogar wenn wir im bett liegen und träumen.
    wir schreiben geschichte und hinterlassen geschichten auf schritt und tritt.
    immer irgendwie …
    habs gut!

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  2. Und Du wußtest nicht, dass Albert Schweitzer in Kaysersberg geboren ist? Als ich mal da war, war Sommer und kein Rummel- ist halt schon etwas lange her. 🙂

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  3. Das Schöne am Reisen ist die Bewegung zu den Orten, ihren Geschichten, das Kennenlernen & die Freiheit der Gedanken. Wenn es am Ende Gedanken über Versöhnung sind, hat sich jeder Weg, der gegangen wird gelohnt. Und das Schöne an Deinen Reisen sind auch die unglaublichen Bilder, die Du mitbringst. Wie eine Perlenekette, liebe Ulli!

    Viele Grüße & weiterhin sichere Straßen, Fritsch.

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    • ich wäre gerne hauptberuflich Reisende mit einem kleinen Zuhause, zu dem ich immer, wenn alles Fremde und Neue zuviel wird, zurückkehren könnte, um dann zu verdauen und zu sichten. Ja, die Wanderschaft liebe ich schon sehr … und wenn dann dabei noch brauchbare Bilder herauskommen und der eine und die andere sie mögen, dann macht mich dies sogar glücklich … danke dafür

      und dir alles Schöne und Heilende
      herzlichst Ulli

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  4. Oh ja, Kayserberg habe ich aucheinmal im Schatten erlebt und bin hoch in die Reben in die Sonne geflüchtet. Da war allerdings nicht so viel im Ort los, irgendwann im Winter.
    In Breisach bin ich auch hochgekraxelt und habe ein solches Foto von dem Stier gemacht. und verstanden habe ich es nicht, hatte auch keinen pfiffigen Wissenden bei mir. 😉
    Am Rhein unten hat man eine feine Sicht auf den Belchen und der Stadtwald ist sehr empfehlenswert zum Spazieren!

    ..grüßt dich Monika

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