Ich lese Fernando Pessoa, Absatz für Absatz in seinem Buch der Unruhe. Ein Buch, dass einlädt Zeile für Zeile zu lesen und nachwirken zu lassen. Ein Buch der beseelten Einsamkeit. Manchmal möchte ich zu ihm eilen, zu ihm, der schon lange nicht mehr lebt, möchte ihn unter seinem Sternenhimmel wortlos umarmen. Manchmal widerspreche ich ihm. Manchmal ist es wie Nachhausekommen, finde ich stilles Einvernehmen, eine Zugehörigkeit innerhalb der Kaste der Eisamen, Schüchternen, Verstummten, inmitten von Worthülsen und Sprechblasen.
I am reading Fernando Pessoa, chapter for chapter in his book of disquiet. A book, which invites me to read line by line and to hangover. A book of impressed loneliness. Sometimes I want to drive to him. To him, who is not alive anymore, wanting to hug him under his starry sky, wordless. Sometimes I am contrary to him. Sometimes it is like coming home, finding silent agreement, a belonging inside the caste of lonely people, of people, who are shy, who became silent in the middle of empty words and speech bubbles.
„All das bin ich, ob ich will oder nicht, in den dunklen Tiefen meiner verhängnisvollen Sensibilität.“
„I am all this, if I want or not, in the dark deepness of my disastrous sensitivity.“
All das bin ich … auf der Suche nach der, die ich bin, fand ich Licht im Dunkeln, entdeckte Kraft in der Schwäche und Schwäche in der Kraft, fand ein Kaleidoskop. Wandelbar wie dieses, schimmern die Facetten oder verschwinden hinter den Spiegeln. Wandelbar solange ich achtsam bin und aufmerksam bleibe. Etwas, einem Fruchtkern gleich, ist und bleibt. Etwas, das ich leise Liebe nenne.
I am all this … on the quest to her, who I am, I found light in the darkness, discovered power among weakness, weakness among the power, found a kaleidoscope. Alterable like this, the facets are shimmering or disappear behind the mirrors. Alterable as long as I stay attentive and intent. Something is and stays like a fruit kernel, something, which I silently named love.
Das Leben schabt und scheuert. Hier wächst eine Hornhaut, dort Pergament. Reißfest ist nur eine Frage der Zeit. Manche Blumen blühen spät im Jahr. Obwohl ich sie gebraucht hätte, hat man mir keine Zeit gegeben, so hat sich vieles verzögert. So bin ich zur Herbstzeitlosen geworden.
Life is scraping and rubbing. Calussed skin is growing here, there vellum. To be tear-resistent is only a question of time. Some flowers are blooming late in the wheel of the year. While I needed time, which was not given to me, delayed something. So I became a meadow saffron.
Liebe Ulli, das spricht mich an – sofort – danke für die Anregung ! Es klingt so, als könne man mit dem Buch der Unruhe zur Ruhe kommen ?! Lieben Gruß in den Süden von Seeds
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liebe Seeds,
das kann ich jetzt nicht einfach bejahen, es kommt wohl darauf an wo jede und jeder selbst mit sich ist. Manchmal ist das Buch auch sehr traurig und nicht einfach nur beseelt. Manche äußern ihre Traurer indem sie wütend werden, von daher weiß ich eben nicht, ob man mit dem Buch der Unruhe wirklich zur Ruhe kommen kann … aber auf jeden Fall zum Nachdenken und -spüren …
herzliche Grüße vom sonnigen Mittelrhein in den Norden
Ulli
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Ein schöner Artikel zum Kaleidoskop in uns. Mir gefallen besonders diese drei Sätze: „Das Leben schabt und scheuert. Hier wächst eine Hornhaut, dort Pergament. Reißfest ist nur eine Frage der Zeit.“
Stimmt, reißfest ist nur eine Frage der Zeit.
Ich wünsch dir einen schönen Tag und schick dir sonnige Grüße aus dem Regengrau, Szintilla
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danke dir, liebe Szintilla und sende echte Sonnenstrahlen zu dir …
herzlichst Ulli
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Liebe Frau Blau, mit Pessoa habe ich es mal vor langer, langer Zeit probiert, damals als das buch auf deutsch rauskam, vielleicht 1984. Wenn ich das jetzt bei Dir noch mal so lese, dann denke ich, dass ich damals mir einfach nicht die nötige Zeit genommen habe …
Alles Gute! Martin
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Darum geht es, dieses Buch braucht Zeit, ich lese seltenst mehr als 5 Seiten darin … das erste Bild zu einem Absatz ist schon fertig, andere werden folgen, seine Sprache ist eben auch sehr bildhaft. Am liebsten würde ich (schon wieder einmal) sofort nach Lissabon reisen, um den richtigen background zu haben, das Licht des Südens, die engen Gassen … später 😉
Mittlerweile gibt es ja eine neue Übersetzung, die ich eben habe, vielleicht war ja die ältere Ausgabe auch sperriger?!
hab heute oft an dich und Roswitha gedacht als ich in Brühl war …
herzliche Grüße
Ulli
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… da kann ich Dir höchstens den Film „Lisbon Story“ von Wim Wenders empfehlen, sozusagen als Ersatz für das echte Lissabon, kennst du den?
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das ist doch mal ein guter Tipp fürs Heimkino 🙂 kenne ich nämlich noch nicht und danke dafür! und Nachtzug nach Lissabon habe ich auch bislang nur gelesen und noch nicht im Kino gesehen – warum auch immer noch begegnet mir gerade ständig Lissabon …
na ja, mal ruft der Berg, dann Lissabon … lach und wech
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„Lesen heißt durch fremde Hand träumen.“ (Fernando Pessoa)
Danke, Ulli, dafür, dass Du einem der für mich wichstigsten Schrifsteller einen Platz widmest & ihn Inspiration sein lässt. Das Buch der Unruhe begleitet mich seit unzähligen Jahren.
„Sich kennen heißt sich irren, und das Orakel, das da sagte: «Erkenne dich selbst!», hat dem Menschen eine schwierigere Aufgabe zugewiesen als die des Herkules und ein schwärzeres Rätsel aufgegeben als das der Sphinx.“ (Fernando Pessoa)
Viele Grüße & weiterhin sichere Straßen, Fritsch.
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aaaah DU auch! Feine Sätze hast du da zitiert :)- ich glaube auch, dass dies ein Buch ist, dass man lange mit sich herumtragen kann, bis man am Ende angekommen ist und dann wieder von vorne beginnt-
ganz herzlich
Ulli
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Liebe Ulli,
berührende Worte in mehr als einer Hinsicht; ich mag Pessoa sehr und habe seit längerem ein Bildzitat im Entwurf. Den Schriftsteller hier bei dir zu begegnen finde ich erfreulich, danke für die Vorstellung. Ein gute Heimreise wünsche ich dir.
L♥ebe Grüße
Dina-Hanne
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ich schrieb es gerade an Martin, liebe Dina, dass auch ich an Bildern zum Buch arbeite … feine Synchronizität!
danke für die guten Wünsche, gerade komme ich aus Brühl zurück, wo ich einmal mehr Max Ernst studierte- immer wieder eine Freude!
herzlichst Ulli
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Max Ernst und das Haus ME mag ich sehr. Nahm mal an einer Führung „Max Ernst und die Frauen“ dort teil, sehr zu empfehlen!
Dann bin ich gespannt, was aus Pessoa und die Bilder werden, schauen wir mal…
L♥ebe Grüße!
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Liebe Ulli,
ein trauriger, aber wunderbarer Satz ist das: „Das Leben schabt und scheuert.“
Danke Dir für alles, wir denken an Dich,
mb und dm
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Ihr zwei Lieben, vielen Dank für euch
herzlichst Ulli
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liebe ulli
das buch leih ich mir später gerne mal aus. von pessoa habe ich auch schon einiges gelesen und war immer sehr angetan – berührt, aufgewühlt. er findet worte, in denen ich mich oft wiedererkenne. zutiefst menschlich und doch immer in einer sprache die so un-banal ist, die umfasst …
danke! und alles liebe für dich
herzlich, soso
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da mag ich dir schon fast empfehlen es dir bei Gelegenheit einmal selbst zu besorgen, ich werde es bestimmt noch eine lange Weile mit mir herumtragen- oder du hast gaaanz viiiiel Geduld 😉
und natürlich möchte ich gerne noch mehr von ihm lesen- zutiefst menschlich und grundehrlich ohne plump dabei zu sein … ja, so nehme ich ihn auch wahr
hab einen feinen Abend
Ulli
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Ja, er spricht mir wirklich aus der Seele. Ach, wie schön, du warst im Max-Ernst-Museum. Ich liebe dieses Museum und auch den Schloßpark. Ich werde am Samstag dort sein. Aber ich glaube, das hatte dir Martin schon geschrieben. Vielleicht begegnen wir uns bald, fast hätte es ja schon geklappt! Herzliche Grüsse, Roswitha 🙂
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Der Park hat mir auch gut gefallen, nach dem Museumsbesuch habe ich mich noch zwei Stunden dort verlustiert, klar, mit Kamera, wenn auch das Licht ein bisschen schwierig war …
ja, liebe Roswitha, es klappt bestimmt einmal, dieses Mal war ich nicht wirklich gesellschaftsfähig … mehr dazu ein anderes mal
herzliche Grüße und viel Freude morgen in Brühl
Ulli
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Liebe Ulli,
das ist ja witzig, Brühl scheint eine Verbindung für viele hier auf deinem Blog zu sein. Ich habe vor Zeiten auch mal unweit von Brühl gewohnt, allerdings fand ich – zumindest damals – Phantasialand besser als Max Ernst, mit dem ich bis heute noch nichts anfangen kann. Mit Pessoa geht`s mir jedoch anders. Dina hat mich auf ihn gebracht, und ich las einige Zitate von ihm an langen Abenden am Kamin. Er machte mich zwar neugierig, aber zu viel nordische Literatur rief, um mich mit ihm ausführlicher zu beschäftigen. Na, und jetzt führst du ihn auch an, da muss ich doch wohl demnächst ein Werk von ihm.lesen.
Liebe Grüße und eine feine Zeit in Brühl, wo ich öfters im Schlosspark flanierte,um Idee zu bekommen (damals schrieb ich an den beiden Büchern zur Farbe Schwarz und Weiß)
Klausbernd
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hoi, lieber Klausbernd,
mittlerweile hocke ich schon wieder in Maulburg, nicht weit vom Berg entfernt, der nicht wirklich mehr ruft …
Pessoa ist wahrlich ein paar Lesestunden und mehr wert
herzliche Grüße ans Meer aus Dauerregenland
Ulli
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Der Header ist klasse. Eine Mischung aus Unbehagen – Flieger, die auf Häuser stürzen – und surrealer Kitzelei, zumal es auf den ersten Blick so wirkt, als wäre das ein neumodischer Kirchturm.
Liebgrüß
Jürgen
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endlich fällt es mal jemanden auf! 🙂
liebgrüß von Tür zu Tür
Ulli
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Liebe Frau Blau,
Pessoa beeindruckt mich dermassen, dass ich meinen Blog eingeleitet habe mit einem Zitat von ihm. Ich finde sehr schön und treffend, wie Du Deine Gefühle beim Lesen beschreibst.
Mit freundlichen Grüssen,
Jan S. Kern
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vielen Dank und herzlich Willkommen in meinem Café, Jan S. Kern- ich denke, dass es nicht das letzte Mal sein wird, dass ich hier etwas über oder von Pessoa schreibe- er ist unglaublich vielseitig und spricht mir in vielen Punkten aus der Seele und dem Herzen-
herzliche Grüße
Frau Blau
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“When you’ve understood this scripture, throw it away. If you can’t understand this scripture, throw it away. I insist on your freedom.”
Jack Kerouack – The scripture of the golden eternity.
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thanx, dear Marcelo … I´m smiling 🙂
fondly
Ulli
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Liebe Ulli …
Sich in der Einsamkeit ein wenig Zuhause fühlen, ich glaube, das ist die kurze Rast der Resignation, die man einlegen kann, wenn man im Moment das Gefühl hat, dass man eh warten muss, wie die Dinge sich bewegen. Bei mir ist das zumindest oft so. Du hast mich neugierig gemacht, danke.
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gerne, liebe Sherry, ja, ein bisschen Resignation lese ich auch bei Pessoa, der seinen Mitmenschen so wenig abgewinnen kann …
herzliche Grüße Ulli …
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